Cowboys & Aliens

Kann man von einem Film, der den Titel „Cowboys & Aliens“ trägt erwarten, dass er eine gute Story hat? Nein, natürlich nicht. Hört man den Titel, erwartet man, dass Cowboys durch die Prärie ziehen und auf Aliens treffen, mit denen sie unweigerlich in einen Kampf geraten und alles im Showdown mit einem großen Knall endet. Und genau das bekommt man auch. Den Rest der Story kann man getrost außen vor lassen, denn diese dient nur als Fassade für das bereits beschriebene Gerüst. Trotzdem machte es mir Spaß den Film zu sehen, auch wenn man unweigerlich daran denken muss, dass die Drehbuchautoren wahrscheinlich die Idee zur Story bekamen, als sie ihre Kinder beim Spielen beobachteten und sahen, dass diese ihre Playmobil Cowboys gegen Lego Star Wars Figuren kämpfen ließen. Es ist doch so: Wenn mir jemand einen Aufsatz über fliegende Schweine sehr überzeugend vorträgt, dann achte ich auch nicht mehr auf den Inhalt seiner Worte, sondern auf die Art, wie er spricht. Cowboys & Aliens strotzt nur so von Logikfehlern, Ungereimtheiten und Albernheiten, aber man sieht über sie hinweg, weil man den Film eh nicht ernst nehmen kann.

Und auch wenn der Film an vielen Stellen so rüberkommt, als würde er ernst gemeint sein, so bin ich mir doch sicher, dass an einigen Stellen mit einem Augenzwinkern eine klitzekleine Pointe inszeniert wurde. Das hoffe ich zumindest, denn sonst war es sehr peinlich, dass ich an ein paar Stellen laut lachen musste.

Die einzigen schauspielerischen Leistungen, die ich erwähnenswert finde sind die von Daniel Craig und Harrison Ford. Zuerst zu letzterem von beiden: Harrison Ford trägt einen Hut! Alleine das ist doch schon aus Nostalgie ein Grund ins Kino zu gehen – zumindest für Indiana Jones Fans, die erfolgreich Verdrängt haben, dass es einen vierten Teil der Serie gibt. Aber auch ohne Hut hätte er eine gute Figur abgegeben. Sein Charakter ist der einzige im gesamten Film, der eine Entwicklung erfährt, den man ernst nehmen kann und der Emotionen zeigt, die man für voll nehmen kann. Hut ab vor dieser Leistung!

Daniel Craig hingegen hatte es hingegen recht einfach: Grimmig schauen, eine lockere Faust haben und ein harter Actionheld sein. Klar, das hat er natürlich alles verkörpert, aber man kennt ihn ja auch aus anderen Filmen wie z.B. den neuen James Bond Verfilmungen. Und vergleicht man seine Darstellung von Jake Lonergan und James Bond, so fällt es schon wirklich schwer einen Unterschied zwischen diesen Charakteren zu finden. Besonders kommt das Amüsant zu Tage, wenn er sein Alien-Spielzeug benutzt, welches er aus anfangs unerklärlichen Gründen um sein Handgelenk trägt. Ein wenig mehr Leben und Tiefe hätte seiner Rolle wirklich gut getan.

Trotz alledem kann man noch eine knappe Empfehlung für den Film aussprechen, da er wenigstens noch einer kreativen Idee zum Genremix zu Grunde liegt und dieser Mix weitaus weniger schlecht ausfällt, als man es erwarten mag. Hat man also Lust auf Popcorn und Kinositze, will ein paar Prügeleien und Schießereien sehen und ist dabei nicht all zu Anspruchsvoll was Story und Logik betrifft, dann kann man sich Cowboys & Aliens getrost anschauen. Wenn man es nicht tut, dann hat man aber auch nichts verpasst.


„USA (2011), 118 Min., R: Jon Favreau, C: Daniel Craig, Harrison Ford, Olivia Wilde; M: Harry Gregson-Williams“

Ian Lang

Blue Valentine

Das Ehepaar Cindy (Michelle Williams) und Dean (Ryan Gosling) bilden zusammen mit ihrer kleinen Tochter Frankie (Faith Wladyka) eine kleine Familie mit Haus und Hund. Cindy arbeitet als Krankenschwester und hat gute Zukunftschancen in ihrem Beruf. Maler Dean arbeitet nur des Geldes wegen um damit die Familie zu versorgen. Schnell wird klar, dass die Beziehung der beiden schon länger nicht mehr gut läuft. Im Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit wird aufgezeigt wie sich im Verlaufe der Jahre die Liebe der beiden verändert hat.

Eigentlich gibt es in diesem Film keine Überraschungen, keine besondere Spannung, doch „Blue Valentine“ lässt einen auch nach mehreren Tagen nicht los. Der Film gräbt sich fest ins Gedächtnis ein und wirkt noch lange nach. Der Film bildet eins zu eins die Realität im Alltag einer in die Jahre gekommenen Beziehung ab. Schonungslos und realistisch werden Streitigkeiten, Versöhnungen oder kurze Augenblicke der Freude gezeigt. Die beiden Hauptdarsteller Ryan Gosling und Michelle Williams sind überragend in ihren Rollen. Ryan Gosling wurde bekannt durch seinen Auftritte in „The Believer – Inside a Skinhead“ oder auch „Mord nach Plan“ neben Sandra Bullock und dem ebenfalls großartigen Michael Pitt. Gosling wurde für seine Rolle in „Blue Valentine“ für den Golden Globe (2011) nominiert, ging jedoch leider leer aus. Seine Performance im Film ist wundervoll. Vor allem seine einfühlsame aber auch seine etwas ausgeflippte Seite stellt er perfekt dar. Der etwas in die Jahre gekommene Dean ist im Film sehr gut geschminkt worden. Michelle Williams (bekannt aus „Brokeback Mountain“ und „Shutter Island“) wurde ebenfalls für den Golden Globe sowie für den Oscar als beste Hauptdarstellerin (2011) nominiert. Williams war von 2004-2007 mit Heath Ledger liiert. Nach dessen Tod Anfang 2008 wurden einige Projekte (darunter „Blue Valentine“) für 1 ½ Jahre auf Eis gelegt. Um so unglaublicher, dass Sie in solch einem Film einen so seelisch-tiefen Einblick von Cindy darstellen kann. Ihre teilweise kühle Ablehnung gegen Dean ist erschreckend ehrlich.

Nach „Brother Tied“ aus dem Jahr 1998 ist „Blue Valentine“ erst der zweite Kinospielfilm von Regisseur Derek Cianfrance. Er versteht sein Handwerk auf ganzer Linie. Die Montage/der Schnitt des Films ist herausragend. Ein Blick, ein Schnitt und der Zusammenhang wird erst eine ganze Weile später verstanden: Genial! Die Parallelmontage von Gegenwart und Zukunft ist perfekt aufeinander abgestimmt worden. „Blue Valentine“ beginnt zu erzählen und das Puzzle, das Abbild der Beziehung fügt sich langsam Stück für Stück zusammen. Man braucht Zeit um alles zu verstehen und am Ende des Filmes begreift man dann. Es gibt eine herzergreifende romantische Szene zu Beginn der Beziehung, aber auch furchtbare Streitigkeiten zwischen dem Paar werden gezeigt. Die Selbst-Reflektion auf sein eigenes Leben ist gerade das, was den Film so stark macht. Jeder kennt genau diese Situationen wie sie im Film dargestellt werden. Man redet aneinander vorbei, liebt sich doch, dann wieder nicht, kehrt in alte Muster zurück, weint, ist dann wieder kurz glücklich.

Derek Cianfrance hat einen exzellenten Indie-Film geschaffen. Er drehte für die Rückblenden auf einer 16mm Kamera und für die Gegenwarts-Szenen benutzte er die digitale 4K Kamera der Firma RED. So wird gleich der gute Look für den Film erzeugt. Körnige, wackelige Bilder für die glücklichen Momente in der Vergangenheit und klare, ruhige Bilder für die Gegenwart. Auch wenn einige Handkamera-Aufnahmen doch etwas zu dokumentarisch und verwackelt wirken, bleibt Kameramann Andrij Parekh stets ganz nah an den Darstellern dran, teilweise mit extremen Close-Ups. Die Musik von Grizzly Bear begleitet den Film sehr gut, ist jedoch stellenweise leider etwas zu sparsam eingesetzt worden.

Verwunderung herrscht jedoch über die Freigabe der FSK in Deutschland, der Film ist nämlich ab 12 Jahren freigegeben worden. Weder das Beziehungsdrama selbst, noch die wenigen Sexszenen sind für 12-jährige geeignet. Man beachte, dass man in Begleitung eines Erwachsenen sogar schon ab 6 Jahren ins Kino hineinkommen könnte!

Blue Valentine“ ist ein eindringliches Drama, das vor allem durch die großartige Inszenierung und die beiden hervorragenden Darstellern getragen wird. Trotz der melancholischen Geschichte möchte man sich in diesen Film verlieren, er saugt einen hinein und lässt einen nicht so schnell wieder los (sofern man sich in die Situation der Darsteller hineinversetzen kann). Ein Hoch auf den Independentfilm! Allein der Trailer ist überhaupt nicht Mainstream-tauglich. Er verrät nicht, wie so oft, die gesamte Handlung des Films, sondern fängt nur die Stimmung ein und zeigt ein paar ausgewählte Bilder. „Blue Valentine“ macht einen nachdenklich. Man denkt über sich, über die Liebe und das Leben nach. Es verwundert nicht, dass im Kinosaal fast alle bis zum Schluss sitzen bleiben und dass bei einigen die Taschentuchpackung etwas leerer als zuvor ist.

Blue Valentine“; USA (2010); 112 min; D: Derek Cianfrance; C: Michelle Williams, Ryan Gosling ; M: Grizzly Bear

 

6 von 7 Sternen

Alexander George

Source Code

Immer wieder hat der Soldat Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) 8 Minuten Zeit in einem Zug nach Chicago den Attentäter zu finden, der die bevorstehende Explosion verursacht. Dabei startet er immer an der gleichen Stelle (in der quasi Vergangenheit) bei Christina (Michelle Monaghan) in die er sich schnell verguckt. Doch die Suche nach dem Täter erweist sich als schwierig und im Verlaufe der Zeit kommen interessante Details ans Tageslicht, die hinter dieser Aktion stecken. Soviel sei nur verraten, denn mehr würde die Spannung von „Source Code“ schon vorwegnehmen.

Duncan Jones, Sohn von David Bowie, wird den Anforderungen mit seiner zweiten Regiearbeit (nach seinem Debüt „Moon“) ans Popcorn-Kino gerecht. Doch trotzdem steckt noch ein bisschen mehr dahinter als bloße Unterhaltung. Die Story bietet im Verlaufe des Filmes immer wieder kleine interessante Überraschungen. Der Film stellt einen gekonnten Genre-Mix aus Sciencefiction, Komödie und Thriller dar. Alles bleibt relativ leichte Kost, dringt nie richtig tief in die Materie ein und doch bleibt der Film fortlaufend spannend. Besonders der Schluss ist großartig und verdient noch einmal ein extra Lob. Sicherlich hätte man aus „Source Code“ auch hier eine tiefgründigere Geschichte machen können, doch dafür hätten diese 93 Minuten Filmzeit wohl nicht ausgereicht. Sicherlich wollte Duncan Jones das auch gar nicht und präsentiert einfach einen unterhaltenden Spielfilm mit ambitionierter Geschichte.

Chris Bacon sorgt für einen tolle, spannungsgeladene Musik. Gleich zu Anfang wird hier voll aufgefahren, was übertrieben klingen mag da noch nichts passiert ist, aber so wird schon in den ersten Minuten Spannung aufgebaut und immer wieder werden die Bilder schön von der Musik untermalt. Auch bietet die Kamera im „Opener“ mit den Top Shots von Chicago sehr ansehnliche Bilder an. Die Nebenrollen wurden gut besetzt: Vera Farmiga (bekannt aus: „Up in the Air“, „Der Manchurian Kandidat“, „Departed“ oder „Joshua“) und Jeffrey Wright („Syriana“, „Casino Royale“, „Invasion“ oder „Ein Quantum Trost“) spielen souverän und überzeugend. Ein Film der sich zwar lohnt, aber aus dem man (wie so oft) mehr hätte machen können. Schade.

Source Code“; USA (2011); 93 min; D: Duncan Jones; C: Jake Gyllenhaal, Michelle Monaghan, Vera Farmiga, Jeffrey Wright; M: Chris P. Bacon

4 von 7 Sternen

Alexander George

True Grit

Fort Smith, Arkansas im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Blütezeit der Cowboys, Sheriffs und Viehzüchter ist lange vorbei. Federal Marshalls verdingen sich als Kopfgeldjäger. So auch Reuben Cogburn (Jeff Bridges) und LaBoeuf (Matt Damon). Ersterer erhält von Mattie Ross (Hailee Steinfeld) die wenig schmeichelhafte Aufgabe, den feigen Mörder ihres Vaters zu finden. Sein Name: Tom Chaney (Josh Brolin). Mattie ist nach Fort Smith gekommen, um den Leichnam ihres Vaters entgegen zu nehmen und nach Haus zu senden. Nachdem sie Pferd und Sattel ihres Vaters verkauft hat, verfügt sie über so viel Geld, um Cogburns Interesse zu wecken. Obwohl verwahrlost, schmutzig und versoffen, ist Mattie der festen Überzeugung er sei der einzige weit und breit, der genug „True Grit“ hätte um den Mörder zu fassen. Aus diesem traurigen Duo, denn Mattie lässt sich nicht davon abhalten selbst bei der Suche mit zu reiten, wird durch LaBoeuf schließlich ein Trio.

Das Buch „True Grit“ von Charles Portis ist in den Vereinigten Staaten ein Literatur-Klassiker und wird durchaus als Lektüre in den höheren Klassen gelesen. Ergo ist die Geschichte von Mattie und Cogburn dort fast jedem geläufig. Verfilmt wurde der Stoff bereits ein Jahr nach seinem Erscheinen 1969, unter dem deutschen Titel „Der Marshall“ (das Original hieß damals schon „True Grit“); Hauptrolle: John Wayne. Die 14jährige Mattie wurde gespielt von der damals 22-jährigen Kim Darby. Für seine Rolle erhielt der 63 Jahre alte John Wayne den einzigen Oscar seiner Karriere. Das Buch erschien in Deutschland unter dem Titel „Die Mutige Mattie“.

1978 wurde „True Grit“ erneut verfilmt; in den Hauptrollen mit Warren Oates und Lisa Pelikan, war aber nur mäßig erfolgreich.

In 2010 schrieben die Brüder Ethan und Joel Coen ein neues Drehbuch für „True Grit“, engagierten mit Jeff Bridges (ihre zweite Zusammenarbeit nach „The Big Lebowski“ 1998), Matt Damon, Josh Brolin drei Hollywood-Stars, sowie Hailee Steinfeld. Sie ist der absolute Glücksgriff für diesen Film. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war sie erst 13 Jahre alt!

Die Coen-Brüder sind Garanten für gute Unterhaltung. Ihnen verdanken wir solche wundervollen Streifen wie „Fargo“, den bereits genannten „Lebowski“, „No Country for Old Men“ und „Burn After Reading“. So ist es ihnen auch hier wieder gelungen, eine unterhaltsame Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Bemerkenswert sind die exzellenten Naturaufnahmen, die gute Musik und die herausragenden Darsteller. Allen voran der nuschelnde Bridges, dem die Rolle geradezu auf den Leib geschrieben zu sein scheint.

Der Film ist überdurchschnittlich gut, und hat auch 10 Oscar-Nominierungen verdient. Leider ging er völlig leer aus: eine Enttäuschung für Cast und Crew. Immerhin gab es einen Preis bei den BAFTA-Awards in London für die beste Kamera. Der Film erhielt noch etliche andere Preise bei Festivals, insbesondere Hailee wurde immer wieder für ihre bravouröse Darstellung der Mattie Ross ausgezeichnet!

Die Art und Weise, wie das Ende des Films hastig, ja fast lieblos abgedreht wurde, stört. Es entsteht der Eindruck Joel und Ethan wollten nun endlich fertig werden und hätten hastig die letzten Sequenzen abgedreht. Vielleicht tut man dem Film Unrecht. Könnte es sein, dass man sich beim Betrachten der Geschichte, dem Spiel der Mimen und den Bildern und der Musik so wohl fühlt, dass einem der Schluss zu kurz und kalt vorkommt?

Gut ist jedenfalls die allerletzte Szene, 25 Jahre nach den oben geschilderten Ereignissen. Da ist sie wieder: die ruhige sorgfältige Erzählweise. Sich Zeit nehmen für das Wesentliche. Die Stimmung wirken lassen. Den Zuschauer in seinen Bann nehmen. Das war ein versöhnlicher Abschluss.

 

5 von 7 Sternen, aber mit einer kleinen zusätzlichen Sternschnuppe: sie geht an Hailee Steinfeld. Hoffentlich ist das ihr Start für eine Traum-Karriere.

 

True Grit“; USA (2010); 110 min; D: Ethan und Joel Coen; C: Jeff Bridges, Hailee Steinfeld, Matt Damon, Josh Brolin; M: Carter Burwell

 

Rick Deckard

The Ghostwriter

Als dem namenlosen Ghostwriter (Ewan McGregor) alias „Ghost“ angeboten wird die Memoiren des ehemaligen Premierministers Adam Lang (Pierce Brosnan) zu verfassen, zögert dieser nicht lange. Die Abgabe des Skriptes soll zwar in kürzester Zeit erfolgen, aber die Bezahlung ist dementsprechend gut. Eine Vorlage für das Buch ist bereits von einem Vorgänger verfasst worden, der jedoch unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen ist. Genau das macht jedoch den „Ghost“ irgendwann stutzig und so begibt er sich auf die Suche nach der Wahrheit.

Vieles Interessantes gibt es zu diesem Film zu sagen. Die Dreharbeiten fanden größtenteils im Frühjahr 2009 in Deutschland statt (unter anderem im Studio Babelsberg). Regisseur Roman Polański konnte auf Grund seiner Festnahme den Film in der Postproduktionsphase nur aus der Ferne betreuen. Er war per elektronischer Fußkette an sein Haus in der Schweiz gebunden. Der Film beruht auf der Romanvorlage von Robert Harris. Das Buch weist viele Parallelen mit dem Leben von Tony Blair auf, mit dem Harris lange Zeit befreundet war. „The Ghostwriter“ war der Berlinale Eröffnungsfilm 2010 und gewann den Silbernen Bären für die Beste Regie. Außerdem erhielt er einige weitere europäische Filmpreise, wie zum Beispiel den César für die beste Regie, für das beste adaptierte Drehbuch, die beste Filmmusik und den besten Schnitt.

Polanskis Art ist auch in diesem Film gut erkennbar. Er kreiert eine spannende und interessante Grundatmosphäre. Der Film wirkt von der sehr schönen, realistischen Eingangssequenz von der ersten Minute an sofort geheimnisvoll und weckt die Neugierde auf mehr. In ruhigen und klaren Bildern wird die Story vorangetrieben und immer spannender bis zum Schluss. Trotzdem ist es kein Thriller im klassischen Sinne, was den Film etwas abhebt vom normalen Kriminal-Film. Teilweise wird man an das Mysteriöse erinnert wie es Polanski schon in „Die neun Pforten“ verwendete. Auch für kleine Überraschungen wird gesorgt, aber alles auf realistischem Boden und mit klarer Linie. Genau so könnte es sich auch in der wirklichen Welt abspielen. Besonders hervorzuheben ist das Haus in dem Adam Lang wohnt und viele der Szenen sich abspielen. Hier merkt man wie viel Energie in die Konzeption des Settings investiert wurde. Auch sehr schön sind die Außenszenen mit wundervoller Insellandschaft. Die spannungsvolle Musik von dem großen Alexandre Desplat spielt eine wichtige Rolle für die gute „Ausstattung“ des Films. Nicht zuletzt die sehr gut ausgewählten Darsteller: der überaus immer wieder sehr sympathische Ewan McGregor, der überzeugende Pierce Brosnan und auch die beiden weiblichen Hauptparts Kim Cattrall (bekannt aus „Sex and the City“) und die etwas unbekanntere Olivia Williams („An Education“, „The Sixth Sense“) runden den Film ab. Eine sehr gute Unterhaltung für 2 Stunden; nicht mehr und nicht weniger.


The Ghostwriter“; USA (2010); 128 min; D: Roman Polański; C: Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Kim Cattrall, Olivia Williams, James Belushi, Tom Wilkinson; M: Alexandre Desplat


5 von 7 Sternen

Alexander George

The Fighter

Micky Ward (Mark Wahlberg) kommt aus einer Kleinstadt namens Lowell in Massachusetts. Mit seinem Bruder Dicky (Christian Bale) trainiert er hart um Karriere als Boxer zu machen. Doch der gewünschte Erfolg bleibt für ihn aus, obwohl er großes Talent beweist. Als Charlene (Amy Adams) in sein Leben tritt wird das ohnehin schon schwierige Familienverhältnis, samt Mutter Alice (Melissa Leo), gehörig durcheinander gewirbelt. Doch die Situation bietet Micky auch eine neue Chance zum möglichen Erfolg.

Mark Wahlberg, Amy Adams und die für den Film mit dem Oscar ausgezeichneten Melissa Leo und Christian Bale sind nur einer der Zutaten, die diesen Film zu einem großartigen Sportler-Drama machen. Allen voran der grandiose Bale, der einfach unglaublich authentisch spielt und einem mit seiner Rolle einfach fesselt, ja fast umhaut. Verdient auch der Oscar an Melissa Leo, die die Mutter der beiden Brüder und von 7 weiteren Töchtern hervorragend darstellt. Auch Amy Adams überzeugt in ihrer ernsten Rolle und ist gleichzeitig hübsch anzusehen.

The Fighter“ ist Drama und Sportfilm in einem und eine perfekte Milieustudie über die Kleinstädte Amerikas der 1990er Jahre. Der Blick auf die Familienverhältnisse der Wards werden objektiv herausgearbeitet und schonungslos dargestellt. Immer mit leichtem Witz. So ist der Film spannend und unterhaltend. Die Inszenierung ist hervorragend gelungen: eine wunderbare teilweise im leichten „Doku-Stil“ verwendete Kamera, die jedoch nie übertrieben und somit genau richtig und angemessen agiert. Die hervorragend komponierte Musik (die leider stellenweise etwas untergeht) von Michael Brook erinnert teilweise an Cliff Martinez und an den Film „Heat“ (zu dem er ebenfalls den Soundtrack schrieb). Vor allem die stimmungsvolle Song-Auswahl von unter anderem Whitesnake, The Rolling Stones oder Ben Harper tragen zu der wundervollen Inszenierung mit bei.

Regisseur David O. Russell, bekannt durch „I Heart Huckabees“ und „Three Kings“ hat wohl seinen (bis jetzt) besten Film hervorgebracht. Fast zwei Stunden wunderbarer Unterhaltung mit außergewöhnlich guten Darstellern und realistischem Setting. Der Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht, findet genau die richtigen Mittel um authentisch und gleichzeitig interessant zu wirken. Eine gar nicht so spektakuläre Geschichte, so wundervoll zu verpacken ist schon eine Kunst für sich. Es sind gerade diese Erzählungen, die aus dem Leben gegriffen sind, in die man sich so gut hineinversetzen kann. „The Fighter“ ist ein wundervoller Film, der einiges mehr an Oscars verdient hätte. Ein Kinovergnügen das im englischen Original sehr zu empfehlen ist. Der beste Film in diesem Jahr: Definitiv.


The Fighter“; USA (2010); 115 min; D: David O. Russell; C: Mark Wahlberg, Christian Bale, Amy Adams, Melissa Leo, Jack McGee; M: Michael Brook


7 von 7 Sternen

Alexander George

Sucker Punch

Die Gedanken sind frei! Auch wenn Babydoll (Emily Browning) sonst nicht frei ist, so hat sie die Möglichkeit in ihren Gedanken ihrer bevorstehenden Lobotomie zu entfliehen. Einer solchen soll sie nämlich unterzogen werden, nachdem ihr Stiefvater einen Angestellten der Nervenheilanstalt bestochen hat eine Unterschrift zu fälschen, die den Eingriff legitimiert.

Babydoll ist hilflos und flüchtet in eine Fantasiewelt in einer Fantasiewelt, die ihr Hoffnung und Kraft gibt.

An dieser Stelle sei hier nicht mehr von der Story verraten, denn sonst ist der Rest schnell erzählt. Generell kann man alle Ansprüche an die Geschichte schnell hinten anstellen, denn selbst der Regisseur Zack Snyder meinte zu seinem Film es handele sich um eine Art „Alice im Wunderland mit Maschienengewehren“ und damit brachte er es auch absolut auf den Punkt. Die Träume von Babydoll sind nur so überladen von allen Action und Effektfeuerwerken. Dabei wird so ziemlich alles bedient, was in Actionfilmen in den letzten 20 Jahren zu sehen war: Bullet Time Effekte, Zombie-Nazis, Riesige Samurais mit Gatling Guns, Orks, Drachen und vor allem sexy Superheldinnen in knappen Röcken. Für das Auge wird also einiges geboten, denn von den Effekten macht der Film wirklich so einiges her. Das war es dann aber auch. Die Elemente des Films wirken unausgewogen. Da es sich ja um Fantasien handelt, ist der übertriebene Effekt-Wahn durchaus angebracht, allerdings hat man an einigen Stellen das Gefühl der Regisseur wollte einfach nur den krassesten Actionfilm aller Zeiten kreieren und nahm dafür in Kauf eine Platte Story mit noch platteren Charakteren zu bestücken und das ganze noch mit allen nur erdenklichen Klischees zu garnieren.
Dabei entsteht das Gefühl, der Regisseur hätte alles was ihm an bereits erschienenen Filmen gefiel in einen Topf geschmissen und einmal kräftig gerührt: Hier ein Bisschen Nervenheilanstalt von „Einer flog über das Kuckucksnest“, dann noch ein wenig „Matrix“ Bullet Time, hier eine Traumebene in einer Traumebene aus „Inception“, dann noch eine Katana schwingende Blondine aus „Kill Bill“ usw…

Doch trotz alledem: Wer auf Effekte steht, der kann sich den Streifen anschauen und sich von einer bombastischen Actionparade unterhalten lassen. Wer findet, dass eine in sich stimmige Story einen Film ausmacht, der sollte sich doch wohl einen andern Film für den Kinobesuch aussuchen.

Insgesamt erinnert „Sucker Punch“ weniger an einen wirklichen Film, sondern eher an ein japanisches Computerspiel wie z.B. Final Fantasy: Das spielt auch keiner wegen der Story.

 


„USA, (2011), 110 Min., R: Zack Snyder, C: Larry Fong; M: Tyler Bates, Marius de Vries.“

 

Ian Lang

Biutiful

Traurigkeit ist gar kein Ausdruck für das neue Werk von Alejandro González Inárritu. Uxbal (Javier Bardem) lebt in Barcelona im Slum-Viertel. Er verhilft illegalen Einwanderern zu Jobs und organisiert für Sie einiges drumherum. Privat verbringt er Zeit mit seinen Kindern und wagt einen Neuanfang mit seiner Frau Marambra, die jedoch einigen psychische Instabilitäten ausgesetzt ist. Und als ob das nicht schon genug wäre erfährt Uxbal davon, dass er schwer krank ist. Und sterben wird.

Bardem spielt einfach großartig, nicht umsonst gab es die Oscar-Nominierung für ihn als besten Hauptdarsteller. Inárritu lässt aber auch seine Familie schauspielerisch zur Höchstform auflaufen. Die Kinder spielen grandios und auch seine Frau als abgedriftete verleiht dem Film sehr viel Authentizität und reißt den Zuschauer auch deswegen sehr mit. Da liegt auch die Stärke des Films: viele Bilder wirken stark und die Realität wird ungeschönt gezeigt. Da sind die illegalen Einwanderer und deren Leiden, die Slums von Barcelona und Uxbal selbst, der die Leidens-Person schlechthin im Film ist.

Inárritu (unter anderem: „21 Gramm“ und „Babel“) ist bekannt für seine sehr melancholischen und ruhigen Filme. Auch in diesem Fall herrschen oftmals stille, traurige Bilder vor. Durch Oscar-Preisträger Stephen Mirrione (Oscar 2001 für den Besten Schnitt bei „Traffic“) erhält der Film seinen bekanntlich hervorragenden, ganz eigenen Stil. Besonders hervorzuheben ist auch die üppige Ausstattung im Film und die Liebe zum Detail in sämtlichen Locations.

Viel zu kritisieren findet man bei „Biutiful“ nicht. Einzig und allein 2 ½ Stunden anhaltende Traurigkeit, könnte als Minuspunkt angesehen werden. Es gibt nur kurze Momente der Hoffnung und des Glückes, diese wirken dann jedoch umso kraftvoller. Mit einem guten Gefühl geht man nach dem Kinobesuch nicht nach Hause. Die Kinobesucher bleiben noch fast alle geschlossen sitzen (eine Seltenheit in deutschen Kinosälen) und einige verweinte Gesichter fallen dann doch auf. Trotzdem freut man sich auf den nächsten, hoffentlich etwas positiveren Inárritu. Mal schauen!


Biutiful“; Mexiko, Spanien (2010); C: Javier Bardem, Maricel Álvarez; M: Gustavo Santaolalla


5 von 7 Sternen

Alexander George

Black Swan

Nina Sayers (Natalie Portman) tanzt. Sie tanzt klassisches Ballett an einer Oper in einer amerikanischen Großstadt. Und sie ist gut, aber (noch) nicht gut genug. Der Direktor der Kompanie, Thomas Leroy (Vincent Cassel) macht ihr deutlich, dass, wenn sie die Hauptrolle in „Schwanensee“ tanzen will, sie viel mehr aus sich herauskommen muss. Sie soll ihre Zurückhaltung, ihre Kühle, mit Leroys Worten „ihre Frigidität“, aufgeben! Sie darf nicht so verkrampfen, muss sich gehen lassen, und sich von der Musik tragen lassen. Und das muss auch den Zuschauer erreichen. Thomas Leroy wird sie zur ersten Tänzerin machen, wenn sie auf seine Worte hört; und wenn sie bereit ist Sex mit ihm zu haben. Was er ihr ziemlich deutlich schnell klar macht. Nina ist zuerst bestürzt über diese Offenheit, speziell seine Fragen nach ihren Vorlieben und ob ihr Sex Spaß machen würde. Ninas Ehrgeiz ist groß und sie ist bereit viel für die Rolle zu geben. Unterstützt wird sie von ihrer überbesorgten, alles kontrollierenden Mutter, bei der sie immer noch lebt! Erica, Ninas Mutter, war einst selbst Tänzerin, ließ sich mit einem Choreographen ein und 9 Monate später hielt sie ihre Tochter Nina im Arm. Das war das Aus ihrer möglichen Karriere. Doch für Nina gibt es daneben ja noch Lily, die hübsche Konkurrentin, die wunderschön lasziv, leicht wie eine Feder tanzt. Und die auch bereit ist, viel für die Doppel-Hauptrolle im „Schwanensee“ auf sich zu nehmen!

Nina verfällt zunehmend, sie leidet an Halluzinationen, schläft zu wenig, und ist scheinbar bald nicht mehr in der Lage die Realität von ihren Wahnvorstellungen zu unterscheiden. Bis zum Ende des Films…

Nach „The Fountain“ (2006) und „The Wrestler“ (2008) drehte Darren Aronofsky diesen Thriller. Die Musik, neben der von Tschaikowski, komponierte Clint Mansell, der kürzlich für „Last Night“ den Track lieferte, sowie für Filme wie „11:14“, „The Fountain“, „The Wrestler“ und „Moon“.

Natalie Portman liefert eine unglaublich gute Darstellung ab. Ich hätte ihr niemals eine solche schauspielerische Leistung zugetraut. Aronofsky setzte Natalie in fast jeder Szene ein! Sie trägt den gesamten Film Daneben brillieren Mila Kunis als Lily (quirlig, sexy, süß) und Vincent Cassel als blasierter eingebildeter Chef des Balletts.

Es gibt in diesem Film keine Längen, am Ende ist man überrascht, dass es schon vorbei ist. Kamera, Schnitt, Musik, das passt alles wie aus einem Guss. Dramaturgie: exzellent. Die Spannung: aus Tanz, Konkurrenzkampf, Sex und Wahnbildern wird eine unwirkliche Vorstellung geknüpft. Wird Nina den Schritt vom weißen zum schwarzen Schwan fertig bringen, wird sie auf die Seite des Bösen gehen können? Ein Kollege schrieb: die visualisierte Entwicklung einer hoffnungsvollen Künstlerin zu einem psychischem Wrack erinnere an Lynchs „Mullholland Drive“. Erst in der allerletzten Szene scheint es so etwas wie Entkrampfung, Ruhe, Frieden, Stille plötzlich zu geben.

Ein beeindruckendes, spannendes und aufwühlendes Stück Kino und einer der besten Filme der vergangenen Monate. Hoffentlich sehen wir mehr von dieser Natalie Portman und auch vom Regisseur Aronofsky. Der übrigens seine letzten beiden Werke „Wrestler“ und „Swan“ als Diptychon betrachtet ( = zweiteiliges Werk).

Bitte einen dritten Teil auf diesem Niveau, Mr. Aronofsky! Und dann haben Sie ein Triptychon!“

Und, ach, noch Eines: nie sah ich eine Frau sich so schön und so anregend selbst befriedigen wie Natalie hier.


Black Swan“; USA (2010); C: Natalie Portman, Mila Kunis, Vincent Cassel; M: Clint Mansell


6 von 7 Sternen

Rick Deckard

Last Night

Es gibt sie noch, die kleinen feinen, unaufgeregten Filme. Filme, die uns zeigen wie das Leben wirklich ist oder sein könnte; die uns einen Spiegel vorhalten, und der eine oder die andere von uns erkennen sich wieder. Das interessiert niemanden, das will keiner sehen: so die Bosse der großen Hollywood-Verleihfirmen. Also setzen Massy Tadjedin, der seinerzeit das Drehbuch für „The Jacket“ schrieb, hier in seinem Regie-Debüt, und Produzent Buddy Enright mit Hilfe der europäischen Firmen Gaumont (Frankreich) und 3-Freunde (Deutschland!) das Projekt dennoch um. Mit einem kleinen Budget, vielen Studio-Takes und wenigen Außen-Aufnahmen, und mit vier exzellenten Schauspielern und einigen wenigen Nebendarstellern.

In „Last Night“ erleben wir 4 Menschen: das Paar Joanna & Michael Reed (Keira Knightley & Sam Worthington), die Kollegin des Mannes Laura (Eva Mendes) und der Ex-Liebhaber der Frau Alex (Guillaume Canet). 40 Stunden – vom Beginn der ersten Nacht und der Party bis zum Vormittag nach der zweiten Nacht. Liebe, Ehe, Freundschaft, Fremdgehen, Sex. Subtil in Szene gesetzt. Ohne Effekthascherei. Mit geschliffenen aber nicht hochtrabenden Dialogen. Mit der Mimik einer Keira Knightley. Der ruhigen Art eines Sam Worthington und dem Sex-Appeal einer Eva Mendes und, last not least, Alex, einem Mann voll von Begierde nach Zuneigung und Zärtlichkeit. Wer von beiden geht fremd? Wer betrügt wen? Definiere „fremd gehen“.

Warum sagen wir unserer Frau am Telefon nicht, dass wir mit der Kollegin noch an der Hotel-Bar sitzen und etwas trinken? Und warum sagen wir unserem Ehemann nicht, dass ein alter Freund seit 2 Jahren wieder einmal in New York ist und man gemeinsam essen gehen möchte?

Viele Fragen wirft der Film auf. Zuerst. Und beantwortet manche, im Laufe der ruhig erzählten Geschichte. Man muss nur gut zuhören. Und die Spannung bleibt, bis zum Ende. Ein Ende, das das eine oder andere doch offen lässt. Unserer Fantasie Raum gibt – für den Heimweg.

Ein Kammerspiel der besonderen Art – ich meine: besonders empfehlenswert!

 

USA/F/D (2010), 90 Min., R: Massy Tadjedin , C: Keira Knightley, Sam Worthington, Eva Mendes, Guillaume Canet, M: Clint Mansell“

 

5 von 7 Sternen

RICK DECKARD

 

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