Der Gott des Gemetzels

Eine Gruppe von Kindern beim Spiel im Park, dann kommt es zu einer Rangelei. Ein Junge schlägt einem anderen ein paar Zähne aus. So kommen die beiden Elternteile zusammen um den Vorfall aus der Welt zu schaffen. Penelope (Jodie Foster) und Michael (John C. Reilly) (die Eltern des „Opfers“) haben die Eltern Nancy (Kate Winslet) und Alan (Christoph Waltz) dazu in ihre Wohnung in New York eingeladen. Aus einem friedlichen Zusammenkommen entwickeln sich jedoch im Verlaufe des Nachmittages immer mehr Streitigkeiten und Auseinandersetzungen.

Roman Polanskis neustes Werk „Der Gott des Gemetzels“ basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Yasmina Reza, die auch an der Drehbuch-Adaption beteiligt war. Das Theaterstück lief sehr erfolgreich auf deutschen, französischen und amerikanischen Bühnen. Das Kammerspiel, das sich quasi nur in der Wohnung abspielt, zeichnet sich besonders durch den extrem gut besetzen Cast aus. Alle vier Rollen wurden glänzend besetzt: da haben wir Jodie Foster, die wunderbar überheblich spielt und unbedingt als „Gutmensch“ dastehen möchte, John C. Reilly der es jedem Recht machen möchte; die wundervolle Kate Winslet, die die gelangweilte und genervte Ehefrau spielt und den sehr charmanten und witzigen Christoph Waltz, der wirklich andauernd am telefonieren ist. Das Zusammenspiel dieser sehr unterschiedlichen Charaktere macht Freude zuzuschauen. Vor allem die gegenseitigen Anschuldigen die gemacht werden, die anschließenden Versöhnungen sowie das Zusammenraufen zu immer wieder unterschiedlichen Macht-Konstellationen innerhalb der Gruppe machen diesen Film zu einem sehr kurzweiligem Vergnügen. Der Film bietet sehr viel guten schwarzen Humor. Dabei ist „Der Gott des Gemetzels“ eine gute Studie der verschiedenen Charaktere, die durch die vielen Gespräche der Eltern richtig entfaltet werden können. Wie schnell dabei das Hauptproblem bzw. der Grund des Zusammentreffens aus den Augen verloren wird ist das zentrale Thema des Films. Die Wandlungsfähigkeit innerhalb der jeweiligen Rollen ist dabei ein besonderes Vergnügen für den Zuschauer.

Polanski hat den Film sehr dicht und spannend sowie unterhaltend inszeniert. Musik gibt es nur zu Beginn und zum Schluss, was völlig ausreicht. Gedreht wurde in Paris. Bei den Filmfestspielen in Venedig gewann der Film 2011 den Kleinen Goldenen Löwen. Die 3 Komponenten: Drehbuch, Regie und Darsteller ergeben eine solide Rezeptur, die zwar nicht für große Überraschungen sorgt aber für einen sehr kurzweiligen Kinoabend.

 

„Der Gott des Gemetzels“ („Carnage“); Frankreich/Deutschland/Polen (2011); 80 min; D: Roman Polanski; C: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly; M: Alexandre Desplat

 

 

5 von 7 Sternen

Alexander George

Leon Battista Alberti, die alten Griechen und ein Zimmer in Rom

von Julian von Sallingen

 

Eine Nacht in Rom. Zwei junge Frauen, Alba und Natasha, entschließen sich diese Nacht zusammen zu verbringen. »Room in Rome«, aus dem Jahr 2010, ist ein Erotikfilm — ästhetisch photographiert, sinnlich, schön, und nie mehr als das. Elena Anaya (Alba) und Natasha Yarovenko (Natasha) überzeugen mit ihrem ausdrucksstarkem Schauspiel.

Zwischen dem Sex reden Alba und Natasha — und auch wenn das chauvinistisch klingt — genau das ist das Problem des Films. Das Drehbuch ist leider recht schwach — jedenfalls was die Dialoge betrifft. Die am Anfang gegenseitig erzählten Lügengeschichten sind sofort als solche zu erkennen, und sollen auch erkannt werden. Nach den nächsten Runden im Liebesspiel beginnen beide den wahren Kern ihres Wesen sich zu zeigen. Ihre Gespräche werden ernster und wahrer. Jedoch, dem Film hilft es nicht. Zwar haben beide Frauen jenseits ihrer Lügengeschichten ein dramatisches Leben. Dies aber wirkt — in dieser Szenerie, in dieser Nacht und vor dem Hintergrund der omnipräsenten Erotik — eher bemüht und teils auch unglaubwürdig.

Alba und Natasha sind die meiste Zeit des Films nackt zu sehen. Das kann nicht fehlen in einem Film dieser Art? Doch, denn auf die Dauer bekommt man beim Zusehen eine gewisse Routine und kann den Wunsch nicht unterdrücken, dass der Film auch früher hätte zu Ende sein können. Und es liegt die Vermutung nahe, dass dies nicht von Regisseur Julio Medem beabsichtigt ist, dass man sich an die Nacktheit gewöhnt. Es ist ganz klar, dass es in diesem Film um Erotik, um Sex geht und alles andere eine philosophische Tiefe erzeugen soll. Aber 104 Minuten Nacktheit und Sex plus obskuren Gesprächen birgen eine gewisse Redundanz in sich. Eine Langweile ist noch knapp zu unterdrücken, jedoch segelt der Film stellenweise hart am Rand dazu.

Sehr aufgesetzt wirken die dialogischen Einwürfe zu Leon Battista Alberti, der in einem Gemälde im Hotelzimmer zu sehen ist. Ihm gegenüber hängt ein Bild das eine Szene aus der Zeit der alten Griechen darstellt. Natasha erklärt Alba, dass diese Bilder miteinander kommunizieren. Wir erfahren, dass Leon Battista Alberti Natashas Lieblingshumanist ist und sie zitiert ihn: »Man kann den Bogen nicht spannen, wenn man kein Ziel hat ihn darauf zu richten«.
Den Bogen spannen tut Amor und bald wird er ihn auch abfeuern. Amor trifft, er trifft Alba. Daraus entsteht die, für mich, wirklich einzig peinliche, auch sehr unnötige, Szene des Films. Alba steckt, nicht nur metaphorisch, der Pfeil im Herz.
Als Natasha Leon Battista Alberti zitiert, fragt Alba, was das Zitat bedeutet. Natasha antwortet: »Die Idee dahinter ist, dass der Künstler immer ganz genau wissen muss, worauf er hinaus will.« Und ich hätte mir gewünscht, dass Julio Medem dies gewusst hätte.

Dem allem zum Trotz: »Room in Rome« — basierend auf dem chilenischen Film »En la cama« (engl.: »In Bed«) von Matías Bize aus dem Jahr 2005 — ist ein sehr schön anzusehender Film, mit intensiven und leidenschaftlichen Bildern, mit überzeugenden und sehr schönen Darstellerinnen und mit guter Musik. (Immer wieder erklingt der Song »Loving Strangers« von Russian Red.) Allein, es mangelt dem Film an Tiefe, die er zwar haben möchte, die ihm aber verweht bleibt.

 

Bewertung: 5 von 7 Sternen

 

»Room in Rome — Eine Nacht in Rom« (Original Title: »Habitación en Roma«, International Title: »Room in Rome«); Spanien (2010); 104 Min.; D: Julio Medem; C: Elena Anaya, Natasha Yarovenko, Enrico Lo Verso, Najwa Nimri

 

Die DVD ist im Handel erhältlich.

The Social Network

Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) ist Student an der Harvard-Universität; er ist ein Computer-Freak, speziell was das Internet angeht, er bloggt regelmäßig und hackt sich in die Uni-Software ein. Man könnte sagen er ist geradezu besessen von den Möglichkeiten des Internets. In 2004 (er ist jetzt 19 Jahre alt) hat Mark eine Idee (oder hatten andere etwa diesen „Einfall“??!): er startet das Programm „The Facebook“, deren Nutzer zu Beginn ausschließlich seine Kommilitonen an der Harvard sind. Später kommen dann weitere US-Hochschulen dazu, bis das Network weltweit ausgebaut wird. Leider reklamieren ehemalige Partner von Zuckerberg, er hätte ihre Idee gestohlen (sie werden alle später in einem Gerichtsvergleich „großzügig“ abgefunden). Auch sein Freund und Mitbegründer Eduardo Saverin (Andrew Garfield) verklagt ihn auf Schadensersatz, da man ihn auf trickreiche Weise und mit Hilfe von Sean Parker, dem Napster-Erfinder (Justin Timberlake in einer kurzen aber prägnanten Rolle), aus Facebook hinaus manövriert hat.

Dies alles erzählt der Film, eine Art Doku-Drama, in schneller Bilder-Abfolge, fast so zügig wie Zuckerberg redet oder denkt oder auf die Tastatur seines (Apple-)Notebooks haut. „History in the Making“ sagt der Engländer treffend: wir sind (scheinbar live) dabei wie Geschichte geschrieben wird, eine revolutionäre Idee ist geboren. Gegenwart und Rückblenden wechseln sich in rastloser Schnittfolge ab. Atmosphärisch dicht, gute Kamera und stimmige Musik: der Regisseur David Fincher hat einen exzellenten Film komponiert. Die Charaktere wirken glaubwürdig, insbesondere Eisenberg spielt Zuckerberg zwischen Genie und Naivität sehr beeindruckend.

Das Script glänzt durch geschliffene, wohl durchdachte Dialoge; jeder Satz scheint wichtig zu sein für die Geschichte, nichts Unnützes wird gesagt.

Am Ende der Vergleichsverhandlung sagt die Assistentin seines Rechtsanwalts zu Zuckerberg: „Mark, Sie sind kein Arschloch. Aber Sie versuchen dauernd eines zu sein. Gute Nacht.“ Die korrekte Charakterisierung des Facebook-Gründers.

Die Kamera führte kein Geringerer als Jeff Cronenweth, der schon bei „Fight Club“ für die Bilder verantwortlich war. Auch bei den Filmen „Sieben“ (additional photography) und „The Game“ (second unit) war er im Team.

Den hervorragenden Schnitt verantworteten Kirk Baxter (u. a. „Zodiac“ und „Benjamin Button“) und Angus Wall (u. a. die vorgenannten Filme und „Panic Room“).

Bemerkenswert die Tatsache, dass Kevin Spacey als Executive Producer diesen Film begleitete.

Am Ende des Films kommen die üblichen „Thanks to …“, auch an Steven Soderbergh, wofür auch immer.

Heute verzeichnet Facebook 800 Millionen Nutzer, von denen 50% täglich die Seite aufmachen! Mark Zuckerberg ist der jüngste Milliardär der Welt.

Fazit: unbedingt ansehen und genießen. Die Story ist atemberaubend. Am Ende des Films möchte man eigentlich, es möge noch weitergehen, so kurzweilig und interessant wurde diese Erfolgsstory umgesetzt.

 

 

„The Social Network“; USA (2010); 120 min: D: David Fincher; C: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Rooney Mara, Bryan Barter; M: Trent Reznor und Atticus Ross

 

6 von 7 Sternen – Rick Deckard