Leon Battista Alberti, die alten Griechen und ein Zimmer in Rom

von Julian von Sallingen

 

Eine Nacht in Rom. Zwei junge Frauen, Alba und Natasha, entschließen sich diese Nacht zusammen zu verbringen. »Room in Rome«, aus dem Jahr 2010, ist ein Erotikfilm — ästhetisch photographiert, sinnlich, schön, und nie mehr als das. Elena Anaya (Alba) und Natasha Yarovenko (Natasha) überzeugen mit ihrem ausdrucksstarkem Schauspiel.

Zwischen dem Sex reden Alba und Natasha — und auch wenn das chauvinistisch klingt — genau das ist das Problem des Films. Das Drehbuch ist leider recht schwach — jedenfalls was die Dialoge betrifft. Die am Anfang gegenseitig erzählten Lügengeschichten sind sofort als solche zu erkennen, und sollen auch erkannt werden. Nach den nächsten Runden im Liebesspiel beginnen beide den wahren Kern ihres Wesen sich zu zeigen. Ihre Gespräche werden ernster und wahrer. Jedoch, dem Film hilft es nicht. Zwar haben beide Frauen jenseits ihrer Lügengeschichten ein dramatisches Leben. Dies aber wirkt — in dieser Szenerie, in dieser Nacht und vor dem Hintergrund der omnipräsenten Erotik — eher bemüht und teils auch unglaubwürdig.

Alba und Natasha sind die meiste Zeit des Films nackt zu sehen. Das kann nicht fehlen in einem Film dieser Art? Doch, denn auf die Dauer bekommt man beim Zusehen eine gewisse Routine und kann den Wunsch nicht unterdrücken, dass der Film auch früher hätte zu Ende sein können. Und es liegt die Vermutung nahe, dass dies nicht von Regisseur Julio Medem beabsichtigt ist, dass man sich an die Nacktheit gewöhnt. Es ist ganz klar, dass es in diesem Film um Erotik, um Sex geht und alles andere eine philosophische Tiefe erzeugen soll. Aber 104 Minuten Nacktheit und Sex plus obskuren Gesprächen birgen eine gewisse Redundanz in sich. Eine Langweile ist noch knapp zu unterdrücken, jedoch segelt der Film stellenweise hart am Rand dazu.

Sehr aufgesetzt wirken die dialogischen Einwürfe zu Leon Battista Alberti, der in einem Gemälde im Hotelzimmer zu sehen ist. Ihm gegenüber hängt ein Bild das eine Szene aus der Zeit der alten Griechen darstellt. Natasha erklärt Alba, dass diese Bilder miteinander kommunizieren. Wir erfahren, dass Leon Battista Alberti Natashas Lieblingshumanist ist und sie zitiert ihn: »Man kann den Bogen nicht spannen, wenn man kein Ziel hat ihn darauf zu richten«.
Den Bogen spannen tut Amor und bald wird er ihn auch abfeuern. Amor trifft, er trifft Alba. Daraus entsteht die, für mich, wirklich einzig peinliche, auch sehr unnötige, Szene des Films. Alba steckt, nicht nur metaphorisch, der Pfeil im Herz.
Als Natasha Leon Battista Alberti zitiert, fragt Alba, was das Zitat bedeutet. Natasha antwortet: »Die Idee dahinter ist, dass der Künstler immer ganz genau wissen muss, worauf er hinaus will.« Und ich hätte mir gewünscht, dass Julio Medem dies gewusst hätte.

Dem allem zum Trotz: »Room in Rome« — basierend auf dem chilenischen Film »En la cama« (engl.: »In Bed«) von Matías Bize aus dem Jahr 2005 — ist ein sehr schön anzusehender Film, mit intensiven und leidenschaftlichen Bildern, mit überzeugenden und sehr schönen Darstellerinnen und mit guter Musik. (Immer wieder erklingt der Song »Loving Strangers« von Russian Red.) Allein, es mangelt dem Film an Tiefe, die er zwar haben möchte, die ihm aber verweht bleibt.

 

Bewertung: 5 von 7 Sternen

 

»Room in Rome — Eine Nacht in Rom« (Original Title: »Habitación en Roma«, International Title: »Room in Rome«); Spanien (2010); 104 Min.; D: Julio Medem; C: Elena Anaya, Natasha Yarovenko, Enrico Lo Verso, Najwa Nimri

 

Die DVD ist im Handel erhältlich.

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