Black Swan

Nina Sayers (Natalie Portman) tanzt. Sie tanzt klassisches Ballett an einer Oper in einer amerikanischen Großstadt. Und sie ist gut, aber (noch) nicht gut genug. Der Direktor der Kompanie, Thomas Leroy (Vincent Cassel) macht ihr deutlich, dass, wenn sie die Hauptrolle in „Schwanensee“ tanzen will, sie viel mehr aus sich herauskommen muss. Sie soll ihre Zurückhaltung, ihre Kühle, mit Leroys Worten „ihre Frigidität“, aufgeben! Sie darf nicht so verkrampfen, muss sich gehen lassen, und sich von der Musik tragen lassen. Und das muss auch den Zuschauer erreichen. Thomas Leroy wird sie zur ersten Tänzerin machen, wenn sie auf seine Worte hört; und wenn sie bereit ist Sex mit ihm zu haben. Was er ihr ziemlich deutlich schnell klar macht. Nina ist zuerst bestürzt über diese Offenheit, speziell seine Fragen nach ihren Vorlieben und ob ihr Sex Spaß machen würde. Ninas Ehrgeiz ist groß und sie ist bereit viel für die Rolle zu geben. Unterstützt wird sie von ihrer überbesorgten, alles kontrollierenden Mutter, bei der sie immer noch lebt! Erica, Ninas Mutter, war einst selbst Tänzerin, ließ sich mit einem Choreographen ein und 9 Monate später hielt sie ihre Tochter Nina im Arm. Das war das Aus ihrer möglichen Karriere. Doch für Nina gibt es daneben ja noch Lily, die hübsche Konkurrentin, die wunderschön lasziv, leicht wie eine Feder tanzt. Und die auch bereit ist, viel für die Doppel-Hauptrolle im „Schwanensee“ auf sich zu nehmen!

Nina verfällt zunehmend, sie leidet an Halluzinationen, schläft zu wenig, und ist scheinbar bald nicht mehr in der Lage die Realität von ihren Wahnvorstellungen zu unterscheiden. Bis zum Ende des Films…

Nach „The Fountain“ (2006) und „The Wrestler“ (2008) drehte Darren Aronofsky diesen Thriller. Die Musik, neben der von Tschaikowski, komponierte Clint Mansell, der kürzlich für „Last Night“ den Track lieferte, sowie für Filme wie „11:14“, „The Fountain“, „The Wrestler“ und „Moon“.

Natalie Portman liefert eine unglaublich gute Darstellung ab. Ich hätte ihr niemals eine solche schauspielerische Leistung zugetraut. Aronofsky setzte Natalie in fast jeder Szene ein! Sie trägt den gesamten Film Daneben brillieren Mila Kunis als Lily (quirlig, sexy, süß) und Vincent Cassel als blasierter eingebildeter Chef des Balletts.

Es gibt in diesem Film keine Längen, am Ende ist man überrascht, dass es schon vorbei ist. Kamera, Schnitt, Musik, das passt alles wie aus einem Guss. Dramaturgie: exzellent. Die Spannung: aus Tanz, Konkurrenzkampf, Sex und Wahnbildern wird eine unwirkliche Vorstellung geknüpft. Wird Nina den Schritt vom weißen zum schwarzen Schwan fertig bringen, wird sie auf die Seite des Bösen gehen können? Ein Kollege schrieb: die visualisierte Entwicklung einer hoffnungsvollen Künstlerin zu einem psychischem Wrack erinnere an Lynchs „Mullholland Drive“. Erst in der allerletzten Szene scheint es so etwas wie Entkrampfung, Ruhe, Frieden, Stille plötzlich zu geben.

Ein beeindruckendes, spannendes und aufwühlendes Stück Kino und einer der besten Filme der vergangenen Monate. Hoffentlich sehen wir mehr von dieser Natalie Portman und auch vom Regisseur Aronofsky. Der übrigens seine letzten beiden Werke „Wrestler“ und „Swan“ als Diptychon betrachtet ( = zweiteiliges Werk).

Bitte einen dritten Teil auf diesem Niveau, Mr. Aronofsky! Und dann haben Sie ein Triptychon!“

Und, ach, noch Eines: nie sah ich eine Frau sich so schön und so anregend selbst befriedigen wie Natalie hier.


Black Swan“; USA (2010); C: Natalie Portman, Mila Kunis, Vincent Cassel; M: Clint Mansell


6 von 7 Sternen

Rick Deckard