The Hateful Eight

Wir befinden uns in einer Postkutsche in Wyoming auf dem Weg in die Stadt Red Rock. Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russell) hat eine Gefangene namens Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) an Bord. Hinzu kommen Marquis Warren (Samuel L. Jackson) sowie Chris Mannix (Walton Goggins), die auf dem Weg mitgenommen werden. Da ein schwerer Schneesturm wütet, müssen die Reisenden ungewollt in einer Hütte Rast machen. Dort treffen Sie auf zwielichtige Gestalten und eine merkwürdige Stimmung…

Eines muss man Quentin Tarantino lassen, er bleibt seinem Stil auch in seinem 8. Werk treu. In „The Hateful Eight“ haben wir wieder die typischen langen Dialogszenen, die Unterteilung des Films in Kapitel, die Erzählerstimme (im Original von Tarantino persönlich eingesprochen) und natürlich die Gewaltexzesse. Lohnt sich aber das Anschauen des Films? Jein!

Zuerst zum Positiven: Tarantino entschied sich „The Hateful Eight“ auf klassischem Filmmaterial zu drehen und zwar nicht in irgendeinem Format sondern in Ultra Panavision 70! Außerdem wurden sehr alte anamorphe Objektive eingesetzt. Diese beiden Mittel zaubern ein ultraweites Bildformat auf die Leinwand. Der Effekt ist, dass man extrem viel Raum in einem Bild hat. Leider ist dieses Format nur in wenigen Kinos zu sehen (die meisten Kinos sind auf digital umgestiegen). Die Musik wurde dieses Mal fast vollständig neu komponiert, eine Sache die untypisch für Tarantino ist, da er sonst auf bereits vorhandene Musikstücke zurückgreift. Die Musik stammt von Komponisten-Legende Ennio Morricone und trägt zu der Stimmung des Films sehr gut bei. Die Bilder sind sehr schön eingefangen worden durch Tarantinos Stamm-Kameramann Robert Richardson, der auch oft mit Martin Scorsese zusammengearbeitet hat („Shutter Island“, „Aviator“). Die Besetzung ist hervorragend: Jennifer Jason Leigh, Kurt Russell, Samuel L. Jackson, Tim Roth, Bruce Dern, Michael Madsen, Zoe Bell und (Überraschung, aber kein Spoiler da er schon im Vorspann genannt wird) Channing Tatum!

Der Film hat eine schöne Grundstimmung, es ist wirklich ein typischer Western, wie er im Buche steht. Er lässt sich Zeit für Figurenentwicklung und man spürt regelrecht die Kälte (Schnee) und Wärme (Kamin) im Film. Auch mit guten Wendungen kann „The Hateful Eight“ aufwarten. Leider täuscht das alles nicht über die Längen im Film hinweg. Die vielen positiven Filmkritiken sind rätselhaft. Das hauptsächliche Kammerspiel ist sehr, sehr langatmig. Man schaut auf die Uhr und denkt sich „oh noch eine Stunde“. Natürlich muss das Ganze wieder in einer Gewaltorgie enden. Aber wirkt dieses wiederkehrende Muster nicht irgendwann belanglos? Tarantino kopiert sich nur noch selbst und beweist keinen Mut mal etwas Anderes in seinen Filmen auszuprobieren. Wer Tarantino mag und nichts Überraschendes erwartet, wird nicht enttäuscht werden. Alle anderen die etwas mehr Anspruch haben und der Gewaltexzesse überdrüssig sind, werden wohl keine weiteren Filme dieses Regisseurs anschauen wollen. Vielleicht überrascht Tarantino uns ja doch noch einmal. Mal schauen was die Zukunft bringt.

2,5 von 7 Sternen

Alexander George

Titel: „The Hateful Eight“
Herstellung: USA 2015
Länge: 168 min
FSK: 16
Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Jennifer Jason Leigh, Kurt Russell, Samuel L. Jackson, Tim Roth, Bruce Dern, Michael Madsen, Zoe Bell, Channing Tatum
Drehbuch: Quentin Tarantino
Musik: Ennio Morricone
Kamera: Robert Richardson
Schnitt: Fred Raskin

The Big Short

BIGSHORT_01_Plakate_Hauptplakat_A4RGBNiemand konnte im Jahr 2005 ahnen, dass zwei Jahre später eine riesige Immobilien-Blase an den Aktienmärkten geradezu explodieren und damit den Beginn der Weltwirtschaftskrise einläuten würde.

Als Folge dieses Ereignisses verloren Millionen von Amerikanern ihre Häuser, 6 Millionen Menschen büßten ihre Jobs ein, und letztlich brachen die großen Börsen zusammen, angefangen an der New Yorker Wall Street. Weltweit verloren Bürger ihre Ersparnisse, ihre Renten-Rücklagen und ihre Zuhause.

Niemand ahnte etwas?  Doch, zumindest einige clevere Amerikaner, die selbst Banker und Investment-Anleger waren, sahen diese Welle auf die Finanzmärkte zukommen. Selbstverständlich glaubte ihnen niemand, schon gar nicht die mächtigen Banken und Investment-Häuser.

So zum Beispiel der geniale Finanzexperte Burry (Christian Bale, Oscar-verdächtig!), der schließlich einen simplen und zugleich genialen Plan umsetzte: er spekulierte auf den Zusammenbruch des Immobilien-Marktes und wurde später dadurch ein schwerreicher Mann.

THE BIG SHORT

Ähnlich klug handelten dann noch der Deutsche Bank-Manager Jared Vennett (Ryan Gosling), gemeinsam mit Mark Baum (Steve Carell) und dessen Mitarbeitern. Und – last not least – der ehemalige Top-Investmentbanker Ben Rickert (Brad Pitt) gemeinsam mit zwei jungen aufstrebenden Self-made Investmentfonds-Inhabern. Sie alle sahen das Desaster kommen und beschlossen davon eiskalt zu profitieren und das bestehende Immobilien-Geschäft ad absurdum zu führen.

Der Film lässt mehrere Handlungsstränge nebeneinander laufen, ohne dass dies im Geringsten störend wirkt. Im Gegenteil, man versteht die Handlungen der Protagonisten sehr gut. Ryan Gosling spricht gelegentlich den Zuschauer direkt an, um komplizierte Vorgänge zu erläutern. Zusätzlich werden – wie in einer Dokumentation – prominente Stars wie Selena Gomez und Margot Robbie eingeblendet, die dem Zuschauer verzwickte Bank- und Börsenprozesse populär-wissenschaftlich darlegen.

Man gewinnt im Laufe des Films den Eindruck, keine Geschichte zu erleben, sondern einer Dokumentation zu folgen. Und obwohl wir alle wissen, wie diese Geschehnisse endeten, bleibt es überaus spannend und dabei sehr unterhaltend. Natürlich dank des über alle Maßen namhaften Casts, komplettiert von Marisa Tomei als besorgte Ehefrau von Mark Baum.

Der Film, eine Lehrstunde über Kapitalismus, besticht durch pointierte Dialoge und wartet mit einer Aneinanderreihung von wunderbaren Szenen auf. Zum Beispiel Steve Carell bei der Rating Agentur und in der Oben-Ohne-Bar. Köstlich.

Dazwischen gibt es heitere Momente, zum Lachen und zum Schmunzeln, und gelegentlich nickt man zustimmend mit dem Kopf. Wenn es um die Art und Weise geht, wie Banken ihre Geschäfte abwickeln und letztlich nur den Normal-Bürger und -Steuerzahler „über den Tisch ziehen“.

Eine knallharte Studie, die jeder, der dem Kapitalismus und dem heutigen Bankensystem kritisch gegenübersteht, sich in Ruhe ansehen sollte.

THE BIG SHORT

Eine der schönsten Szenen des Films: als Bury diesen neuen Fonds bei Goldman Sachs abschließt und gleichzeitig verlangt, die Bank solle eine Versicherung abschließen, die bestätigt, dass er auf jeden Fall seinen Gewinn  am Ende der Krise erhält, sollte er Recht behalten; nur für den Fall, dass Goldman Sachs in Insolvenz ginge. Die Mitarbeiter der Bank können sich vor Lachen überhaupt nicht beruhigen. Doch Bury meint es ernst und besteht darauf. Und so kam es dann: ihm wurden insgesamt 1,2 Milliarden US-Dollar überwiesen.

Der Regisseur Adam McKay, der bisher eher durch Komödien glänzte und auch keine lange Erfahrung vorweisen kann, hat es geschafft, einen sehr trockenen Stoff in einen hochinteressanten Film zu verwandeln. Grundlage ist das sehr erfolgreiche Sachbuch von Michael Lewis gleichen Titels.

Mit Barry Ackroyd wurde ein kompetenter Kameramann verpflichtet: „The Hurt Locker“, „Flug 93“, „Captain Phillips“ und „The Wind that Shakes the Barley“, um nur einige zu nennen.

Der Film erhielt fünf Oscar-Nominierungen, u. a. als „Best Motion Picture of the Year“, für Christian Bale (Best Actor in a Supporting Role) und für den Schnitt von Hank Corwin (u.a. „Natural Born Killers“). The Producers Guild of America kürte den Streifen zum „Best Film of 2015“. Weitere Preise folgten bereits.

BGS-02959R

Der zweite große Film zur Weltwirtschaftskrise beginnend 2007 nach „Margin Call“ (2011).  Eine treffende Dokumentation als Farce.

Und zum Ende hin leistet sich Regisseur McKay noch einen netten Gag, der aber natürlich nicht verraten wird.

Zum Schluss ein Zitat von Bernie Sanders, Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei der USA:  „Who are we kidding? The business model of Wall Street is fraud.”

 

5 1/2 von 7 Sternen  ★★★★★

Rick Deckard

 

Titel: „The Big Short“
Herstellung: USA 2015
Länge: 2h 10min
FSK: 6
Regie: Adam McKay
Darsteller: Christian Bale, Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt, Marisa Tomei, u.v.a.
Drehbuch: Charles Randolph and Adam McKay, basierend auf dem Buch von Michael Lewis
Musik: Nicholas Britell
Kamera: Barry Ackroyd
Schnitt: Hank Corwin