was ist es, das du wollest? inside llewyn davis

es muss nicht immer der zusammenhang etwas bedeuten, manchmal erschließt sich die bedeutung bei der betrachtung der details. dennoch, diese frage wurde gestellt: was soll dieser film?

die geschichte eines folksängers zu beginn der 1960er jahre im greenwich village zu new york? nein. nur eine woche aus dem leben eines folksängers zu beginn der 1960er jahre im greenwich village zu new york.

terri thal, die einst mit dave van ronk verheiratet war und diesen auch managte, dessen biographie teilweise pate gestanden hat für die fiktive figur llewyn davis, meint sogar, dass das greenwich village, das die coen-brüder haben auferstehen lassen, rein gar nichts mit dem wirklichen greenwich village in den tagen des folk revival zu tun hat. (quelle: http://www.villagevoice.com/music/dave-van-ronks-ex-wife-takes-us-inside-inside-llewyn-davis-6650942) die sängerin suzanne vega bezeichnet den film als „shitty movie“ weil die figur llewyn, die eben so ein stückchen an dave van ronk angelehnt sein soll, eher als arschloch präsentiert wird, dies nun sei dave van ronk gar nicht gewesen. (http://www.chicagoreader.com/bleader/archives/2014/01/17/the-folk-song-armys-attack-on-inside-llewyn-davis) nun, vega kannte dave van ronk und ihre aussage zu van ronks charakter stimmt mit dem common sense überein. er soll ein netter typ, ein „nice guy“, gewesen sein.

hier aber haben wir die falltür. alle fallen da rein, die glauben, dass der film in irgendeiner weise das leben im greenwich village der 1960er jahre repräsentiert oder präsentieren will. der film ist gespickt mit anspielungen, ja. einige davon sind witzig oder interessant, andere sind… merkwürdig. zum beispiel: al cody. diese figur scheint eine mischung aus mindestens zwei realen personen zu sein. einmal ramblin‘ jack elliott, mit 84 jahren einer der wenigen helden der ganz frühen greenwich village jahre, einer der noch mit woody guthrie musizierte, dafür spricht der cowboyhut. zum anderen mark spoelstra. dafür spricht, dass codys lp „five and twenty questions“ heißt. spoelstras drittes album, von 1965, heißt exakt wie das von cody. der film nun aber spielt im jahr 1961. dieses vermischen von figuren und zeiten ist manchmal nicht „ganz rund“, wirkt irgendwie gewollt, aufgesetzt. warum eigentlich, fragt man sich, könnte man sich fragen. doch vielleicht ist auch diese frage eine überflüssige, es ist eben so, es ist kunst und nicht die schlechteste.

die beatpoets finden auch erwähnung. hier ist so ein beatpoet in form eines „assistenten“. johnny five heißt er und brabbelt was von orlovsky – langjähriger lebensgefährte von allen ginsberg. orlovsky war selber dichter und johnny five, der sonst recht schweigsam ist, rezitiert irgendwann orlovskys gedicht „my bed is covered yellow“. cool macht er das, lässig. jedoch, um diese, und andere anspielungen zu verstehen, muss man etwas in der materie sein. vielleicht sollen die anspielungen aber gar nicht verstanden und eingeordnet werden…?

es scheint nicht darum zu gehen, ob irgendetwas historisch oder emotional korrekt wiedergeben ist. es scheint, die coen-brüder haben einen faible für die folkszene der 60er und sie geben sich mühe, das cineastisch dazustellen. detials in der kulisse, die auch von der veteranin thal teilweise in zweifel gezogen wird, sprechen für sich. auch die erwähnten anspielungen zeugen von einem wissen und einer liebe für diese zeit, die wahrlich alles in sich hatte: revolution, musik, liebe. doch nicht nur das. geradezu weltfremd mutet es an, wenn sich die coens belehren lassen müssen, dass damals alles, vielleicht nicht ausschließlich schön, aber, doch zumindest stets liebevoll war. natürlich wuchs mit der popularität von folk music auch der wunsch damit geld zu verdienen. menschen wie albert grossman, der im film auch in einer kleinen rolle zitiert wird, sind nicht zu den einflussreichen managern geworden weil sie die folkmusik über alles geliebt haben. sie hatten den richtigen instinkt für gute künstler aus denen sich was machen lässt. großman hat zwar bekanntlich dylan gemanagt, aber nicht nur. auch acts wie peter, paul & mary, bewusst ausgesuchte typen, die dem damaligen geschmack des folkkonzertbesuchers entsprachen, konnten ihre chance bekommen, weil sie zu einem produkt gemacht wurden. erfolg und geld, das war schnell der wichtigste antrieb und es waren große verlockungen. es gefiel vielen nicht, dass bob dylan seine chance ergriff, denn dylan veränderte sich, das war nicht mehr „ihr bobby“. er wurde zum (mega)star. dave van ronk ist das gegenbeispiel dafür. er blieb im village.

greenwich village hin oder her. es ist eine kulisse für eine woche im leben von llewyn davis. und ja, es ist eine kalte welt in der davis lebt, nicht nur jahreszeitenbedingt. davis ist auf der suche. er ist zwischen melancholie und dem funken der gebraucht wird um sich aufzuraffen. er ist ziellos. er weiß was er will, aber, er kann es nicht sagen und dann wieder weiß er nicht was er will. er ist inkonsequent und darin konsequent und will doch konsequent sein. also singt er. es könnten die 90er sein, oder die gegenwart. es wurde das jahr 1961. einen llewyn davis gibt es zu allen zeiten. er ist diesmal ins greenwich village der 1960er jahre geraten. ja, er hat wirklich angst vor erfolg. irgendwann sagt er sogar, dass er müde ist, will aufhören. aufhören, bevor er richtig angefangen hat? seine musik klingt nicht nach geld, das macht ihm die grossmanfigur deutlich. er aber weiß schon längst bescheid. gefühle machen kein geld. in den 60ern nicht und heute auch nicht. (die einigen wenigen ausnahmen, verglichen mit all denen, die nicht ganz oben mitspielen, außen vor gelassen.)

die leistung der schauspieler ist toll, ist großartig, ist ganz stark. oscar isaac als verschließender llewyn davis ist großartig. genauso wie john goodman als drogensüchtiger, abgewrackter, jazzmusikersnob. ein stiller held dieses films ist allerdings eine katze. diese heißt ulysses (englisch für odysseus, wer die deutsche synchronfassung sieht) und ist quasi der rote faden, denn einen wirklichen plot gibt es nicht.

ein anderer wichtiger aspekt ist die musik. t-bone burnett agiert zusammen mit marcus mumford als produzent. alle songs, bis auf einen, wurden live gesungen und gespielt. wenn isaac keinen bock mehr auf schauspielerei haben sollte, als musiker ist vielleicht was drin – jetzt wo er diesen bekanntheitsgrad hat. zauberhafte gesangseinlagen gibt es auch von carey mulligan, die die ebenfalls etwas unentschlossene, alle schuld von sich weisende, jean berkey spielt, und von justin timberlake, jim berkey, jeans recht glatter ehemann. die beiden sind das duo jim & jean – eine anspielung auf ian & sylvia?

anspielungen über anspielungen. eine können wir noch erwähnen: llewyn hatte einen partner, mike timlin. dieses duo, das nicht mehr vollständig ist, ist den ganzen film über präsent. mike ist ständig anwesend. mike ist tot. er hat sich, warum bleibt ungeklärt, von der george washington bridge gestürzt. der selbstgerechte jazzsnob roland turner erklärt, dass man sich, schon aus tradition, von der brooklyn bridge zu stürzten hat.

auch wenn das keine gute überleitung ist… doch: schon aus tradition muss ein film wie dieser von denen verrissen werden, die die zeit miterlebt haben in der er spielt. (muss nicht, passiert aber oft genau so.) es war wohl eine unglaublich spannende zeit – etwas das sich jeder bewahren will. vielleicht kann man den coen-brüdern vorwerfen, dass sie das nicht bedacht haben, dass sie so eine sensible zeit für ihre kalte story benutzt haben. nun, man kann viel. es macht aber keinen sinn. so kalt erlebt eben llewyn davis diese zeit. das sind seine sorgen und probleme, von denen der zuschauer versuchen kann sich ein bild zu machen. dass die coens sich hier und da bedient haben um diese kollage zu entwerfen – wer will ihnen das verübeln? es heißt doch, dass es üblich ist, sich in der folkszene dort zu bedienen wo es passt – ein folksong hat viele mütter und väter. man kann also durchaus sagen, das hat tradition.

6/7 sterne

julian von sallingen

Kiss The Cook

Carl Casper (Jon Favreau) ist Chefkoch in einem noblen Restaurant. Er war mal ein angesagter Starkoch und möchte wieder etwas kreativer arbeiten, doch sein Boss Riva (Dustin Hoffman) möchte lieber bei den konventionellen Gerichten bleiben. Dann trifft Carl eine Entscheidung, die sein Leben verändern wird.

KISS THE COOK - SO SCHMECKT DAS LEBEN-06

Jon Favreau ist nicht nur ein bekannter Schauspieler sondern auch ein erfolgreicher Regisseur. Unter anderem führte er bei „Iron Man 1+2“ sowie „Cowboys & Aliens“ Regie. Mit „Kiss the Cook“ wendet er sich nach den Blockbustern nun einer kleinen Independent Komödie zu. Dafür konnte er trotzdem zahlreiche Stars mit an Bord holen, unter anderem John Leguizamo, Scarlett Johansson, Dustin Hoffman und Robert Downey Jr.. Auch wenn einige davon nur kurze Auftritte haben. Favreau hat neben der Regie den Film auch produziert und das Drehbuch verfasst.

Scarlett Johansson als Molly

Scarlett Johansson als Molly

„Kiss the Cook“ feiert die Küche Amerikas mit vielen schönen Einstellungen von der Zubereitung des Essens. Auch die Land-und Stadtaufnahmen des Roadtrips der später folgt, sind wundervoll in Szene gesetzt worden. Dazu gibt es einen schönen kubanischen Soundtrack, der aus der Feder von Mathieu Schreyer stammt.

Schön, dass es keine künstlich erzeugten dramatischen Wendungen gibt, die Hollywood leider zu oft in Filmen noch kurz vor Schluss einsetzt. „Kiss the Cook“ ist einfach eine seichte Unterhaltung die gut inszeniert ist und zu unterhalten weiß. Die anspruchsvollen Kinogänger werden die gerechte Kritik üben, dass der Film leider nur oberflächlich bleibt und nie wirklich in die Tiefe geht. Empfehlen können wir den Film trotzdem, auch wenn es dann vielleicht nur bei einem einmaligen anschauen bleibt.

_DSC9959.NEF

von Links: John Leguizamo, Emjay Anthony und Jon Favreau

3 von 7 Sternen

Alexander George

 

Titel: „Kiss the Cook – So schmeckt das Leben!“ (org.: „Chef“)

Herstellung: USA 2014

Länge: 114 Minuten

Regie: Jon Favreau

Darsteller: Jon Favreau, John Leguizamo, Scarlett Johansson, Dustin Hoffman und Robert Downey Jr.

Musik: Mathieu Schreyer

Kamera: Kramer Morgenthau

Schnitt: Robert Leighton

Psycho

VOR-SICHT: KLASSIKER

Psycho

Im Jahr 1959 kam Alfred Hitchcocks „North by Northwest“ mit Cary Grant in der Hauptrolle in die Kinos. Der Abenteuerfilm war ein voller Erfolg an den Lichtspiel-Kassen. Die Produktionsfirma MGM war hoch zufrieden und schlug Hitchcock vor, baldigst einen ähnlichen Stoff wieder zu verfilmen.

Aber Hitchcock schwebte nun etwas ganz Anderes vor. Er wollte das Kino-Publikum schockieren. Die Zuschauer sollten während des Films aufschrecken, sogar Schreie ausstoßen. Hitchcock hatte das Buch „Psycho“ von Robert Bloch gelesen, und ihm gefiel was er las. Das war die Geschichte, die er filmisch umsetzen wollte. Doch MGM verweigerte sich. Ein Horror-Film kam für sie nicht in Frage.

So entschied Alfred Hitchcock, den Film selbst zu finanzieren. Am Ende der Dreharbeiten war er um rund 800.000 $ ärmer. Als Darsteller konnte er den Teenie-Schwarm Antony Perkins und die bezaubernde Janet Leigh gewinnen. Letztere war zu diesem Zeitpunkt bereits ein aufstrebender Star in den Vereinigten Staaten.

Damals ahnte niemand, welch einen Erfolg dieser Film haben würde. Er gilt heute als ein wahrer Klassiker der Cinematographie und gehört in die Top-50 der besten Filme aller Zeiten.

Der Film beginnt mit einer Stimme aus dem Off: „PHOENIX, ARIZONA. FRIDAY, DECEMBER THE ELEVENTH, TWO FORTY-THREE P.M.

Dann führt uns der Regisseur auf eine falsche Fährte: Marion hat die Möglichkeit 40.000 $ von ihrem Arbeitgeber zu stehlen. Und sie nutzt diese Gelegenheit und flieht. Auf ihrem Weg nach Kalifornien wird sie abends von einem Sturm überrascht. So entschließt sie sich in „Bates Motel“ zu übernachten. Natürlich nimmt der Zuschauer an, es ginge im Film um diesen Diebstahl und Marions Flucht vor der Polizei. Doch weit gefehlt …….

Die berühmteste Szene dieses Werks ist die Ermordung Marion Cranes unter der Dusche. Sie dauert exakt 45 Sekunden und Hitchcock filmte diese Szene eine Woche lang und schnitt sie aus 78 Kameraeinstellungen schließlich selbst zusammen. Die Nacktszenen wurden mit einem Double gedreht. So stirbt die Hauptdarstellerin bereits nach einem Drittel des Film, und Hitchcock verstieß damit gegen ein ehernes Gesetz Hollywoods. Das hatte es bisher noch nicht gegeben.

Antony Perkins gelang mit „Psycho“ der Durchbruch. Seine Darstellung des schüchternen, freundlichen, leicht stotternden Motel-Betreibers Norman Bates, der sich als treusorgender Sohn seiner Mutter herausstellt, lässt selbst heute noch dem Zuschauer eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Seine Figur beruht auf den Mörder Ed Gein, der mindestens 2 Frauen ermordete; allerdings fand man bei seiner Verhaftung Teile von mindestens 15 anderen Frauenleichen in seinem Haus, deren Ermordung man ihm aber nicht nachweisen konnte. Ed Gein (geb. 1906) war auch das Vorbild für die Figur des Buffalo Bill in „Das Schweigen der Lämmer“ von Jonathan Demme.

[Die Death-Metal-Gruppe ‘Deranged‘ (1974) benannte sich nach dem gleichnamigen Film, der die Geschichte Ed Geins thematisiert. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten an der Dokumentation war Gein noch am Leben; er starb erst 1984 im Alter von 78 Jahren im Central State Hospital, Wisconsin an Krebs.]

Zurück zu „Psycho“: Nach dem ersten Mord wird es noch weitere 70 Minuten dauern, bis die ganze schreckliche Wahrheit ans Licht kommt.

Zweifellos gelang es Hitchcock auf geniale Weise das Drehbuch (von Joseph Stefano, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Robert Bloch) filmisch umzusetzen. Selbstverständlich taucht der Meister auch hier, wie in allen seinen Filmen, in einer kurzen Szene auf.

Der Erfolg von „Psycho“ war riesig und die Faszination hält bis heute an, obwohl das Werk haufenweise Filmfehler aufweist. Die einschlägigen Websites sind voll davon. Trotzdem: „Psycho“ ist eines der besten Werke Hitchcocks und der erste Psychothriller der Film-Historie: er gab quasi einem gesamten Film-Genre den Namen.

Seinen Schauspielern und den Crew-Mitgliedern lies Hitchcock schriftlich verbieten, vor der Premiere das Ende des Films zu verraten. Es drohten hohe Konventionalstrafen. Und es funktionierte. „Psycho“ feierte vor 55 Jahren, am 16. Juni 1960 in New York die Erstaufführung. Das Publikum war geschockt und fasziniert zugleich. Doch unglaublich: bereits drei Jahre später setzte der Star-Regisseur noch eins oben drauf: 120 Minuten Horror und Hochspannung in „The Birds“.

Der Film spielte allein in den USA 32 Mio. $ ein. Er machte Alfred Hitchcock zu einem reichen Mann.

7 Sterne von 7 ★★★★★★★

(Nominiert für 4 Oscars.)

Rick Deckard

Titel: „Psycho“

Herstellung: USA 1960

Länge: 109 Minuten

Regie: Alfred Hitchcock

Darsteller: Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles, John Gavin

Drehbuch: Joseph Stefano (nach dem Roman von Robert Bloch)

Musik: Bernard Herrmann

Kamera: John L. Russell

Schnitt: George Tomasini