Der bunte Schleier

Die Geschichte einer jungen, hübschen Frau und ihrer unglücklichen Ehe. Nach dem gleichnamigen Roman des Arztes und Schriftstellers W. Somerset Maugham (1874 – 1965).

Der Film beginnt mit einer eindrucksvollen Szene: vor grandioser Landschaft sitzt ein Paar auf Koffern, im strömenden Regen, und wartet. Später werden wir wissen, dass sie bereits fast 2 Wochen von Hong Kong aus unterwegs sind. Nun geht es nur noch mit der Sänfte weiter, an den Ort, wo die Cholera ausgebrochen ist. Weit im Landesinneren Chinas. Sie warten geduldig Stunde um Stunde, sprechen jedoch kein Wort miteinander. Als die Träger endlich kommen, springt der Mann auf, schaut auf seine Taschenuhr und sagt: „Auf die Minute pünktlich!“

Kitty Garstin (Naomi Watts) ist 25 Jahre alt, selbstbewusst, schön, und noch immer unverheiratet. Im Jahr 1923 für den erzkonservativen britischen Adel fast ein Skandal. Selbst Kittys jüngere Schwester hat bereits einen standesgemäßen Gatten geehelicht. Vor allem um ihrer lästigen und wenig liebevollen Mutter zu entkommen heiratet Kitty Hals über Kopf den schüchternen Bakteriologen Dr. Walter Fane (Edward Norton), ohne ihn zu lieben, und folgt ihm nach Hong Kong. Sehr bald beginnt Kitty dort eine Affäre mit dem Vizekolonialsekretär Charlie Townsend (Liev Schreiber). Scheinbar ahnt Walter nichts davon. Als er jedoch zu einem Dorf im Hinterland wegen einer dort grassierenden Cholera-Epidemie aufbricht stellt er Kitty eiskalt vor die Wahl: entweder Scheidung wegen Ehebruchs oder sie kommt mit ihm nach Meitanfu.

Naomi Watts, die britisch-australische Darstellerin (und Vegetarierin), ist hübsch, jung und spielt die Kitty naiv, ständig auf der Suche nach ihrem wahren Ich und nach dem richtigen Lebensweg. Ms. Watts war von 2002 bis 2004 mit Schauspielerkollegen Heath Ledger ( 2008) liiert. Seit den Dreharbeiten des Films „Der bunte Schleier“ ist sie mit Liev Schreiber auch privat ein Paar.

Edward Norton gibt hier den kühlen Wissenschaftler und Forscher, der wenig mit Liebe und Ehe anzufangen weiß, schon gar nicht mit der körperlichen Liebe. Trotzdem kann man spüren, dass er große Gefühle für Kitty empfindet. Jedoch fällt es ihm schwer, ihr das Liebesverhältnis zu Charlie zu verzeihen.

Norton war als erster für den Film gecastet worden. Er selbst schlug dann Naomi Watts als Partnerin vor. Und lief damit bei Curran „offene Türen“ ein, da dieser mit Naomi bereits in seinem vorherigen Projekt „We don’t live here anymore“ zusammen gearbeitet hatte.

Edward Norton verletzte sich während der Dreharbeiten schwer, als sein Pferd ihn abwarf und er mit dem Rücken auf einen Felsen schlug.

Norton und Watts standen kürzlich erneut gemeinsam vor der Kamera, zusammen mit Emma Stone und Michael Keaton, für den Film „Birdman“, unter der Regie von Alejandro Gonzáles Iňárritu.

Für Regisseur John Curran war dies erst sein dritter Kinofilm. Trotzdem hat er es verstanden, die Romanvorlage in prächtigen Bildern und mit hervorragenden Schauspielern umzusetzen. Hilfreich war sicher die Arbeit des erfahrenen Kameramanns Stuart Dryburgh (z. B. „Reine Nervensache“, „Bridget Jones“, „Kate & Leopold“), der wunderschöne Landschaften für diesen Streifen aufnahm! Gefilmt wurde tatsächlich in China, sämtliche Außenaufnahmen in Guangxi, die Studio-Takes in den Beijing Film Studios. Die überwältigende Musik von Alexandre Desplat fügt sich in das Gesamtkunstwerk nahtlos ein. Berechtigterweise gewann Desplat für die Musik in 2007 einen Golden Globe Award!

Der Film lässt den beiden Protagonisten viel Zeit ihre Charaktere zu entwickeln. Kompliment an die Geduld John Currans, der sichtlich bemüht war einen angemessenen Rahmen für die filmische Umsetzung des Erfolgsromans zu finden. Allein – überraschend dann die Entscheidung, dem Film eine etwas geändertes Ende als der literarischen Vorlage zu geben. Literatur-Liebhaber seien deshalb gewarnt!

Im Übrigen ist dies die 3. Verfilmung des Buches von Maugham. 1937 mit Greta Garbo in der Hauptrolle und dann 1957 unter dem Titel „The Seventh Sin“.

Leider lief der schöne Film nie in deutschen Kinos, sondern kam in 2009 gleich als DVD auf den Markt.

Solide, anschaubare Unterhaltung, basierend auf einem Buch der „Welt-Literatur“, und mit 125 Minuten Länge angemessen für die Fülle der Ereignisse. Für die Zuschauer, die eher etwas „dichter am Wasser gebaut sind“ sei ein kleiner Vorrat an Taschentüchern anzuraten.

 

4 ½ Sterne von 7

Rick Deckard

 

Titel: „Der bunte Schleier“ (org.: „The Painted Veil“)

Herstellung: USA 2006

Länge: 125 Min.

Regie: John Curran

Darsteller: Edward Norton, Naomi Watts, Liev Schreiber, Toby Jones, Diana Rigg

Drehbuch: Ron Nyswaner, nach dem Roman von W. Somerset Maugham

Musik: Alexandre Desplat

Kamera: Stuart Dryburgh

Schnitt: Alexandre de Franceschi