Gran Torino

Der übelgelaunte Renter und Korea-Kriegsveteran Walter Kowalski (Clint Eastwood) hat den Tod seiner langjährigen Ehefrau zu beklagen. Trost lehnt er ab, sei es von seinen Söhnen, zu denen er ein eher distanziertes Verhältnis hat, noch vom Priester der lokalen Kirche. So lebt er in einem heruntergekommene Vorortviertel von Detroit. Täglich begehen Jugendbanden dort Überfälle, Raub und Körperverletzung: Kinder asiatischer Einwanderer, Afro-amerikanische Teenager, Latinos, Weiße – es ist alles vertreten. Walter macht aus seinen rassistischen Einstellungen keinen Hehl, schon gar nicht seinen chinesichen Nachbarn (eigentlich vom Volk der Hmong) gegenüber. Und es kommt wie es kommen mußte: Walter ertappt den (sonst eher ruhigen und zurückhaltenden) Nachbarssohn beim Versuch seinen gehegten Gran Torino zu stehlen und fühlt sich in seinen Ansichten ganz bestätigt.

Als er jedoch dem selben Jungen gegen eine Gang hilft, und kurz danach dessen Schwester aus einer bedrohlichen Situation mit Schwarzen befreit, ist Walter plötzlich der Held aller Asiaten seines Viertels. Viele bringen ihm Geschenke, Blumen, Gerichte, allen voran natürlich die Nachbarn. Erst versucht Walter die Präsente abzuwehren, doch dann läßt er sich schließlich gern beschenken. Bis er eines schönen Tages zu einer Feier nebenan eingeladen wird und dort die Köstlichkeiten der ostasiastischen Küche kennenlernt.

Frieden ist scheinbar eingekehrt; und der kauzige alte Walter hat eingesehen, dass es auch gute Menschen aus anderen Teilen der Welt in den USA gibt, die ordentlich, ehrlich und gesetzestreu leben wollen. Leider haben die verprellten Banden etwas gegen diese Ruhe, und so nimmt das Unglück seinen Lauf. Er wird das Leben von Walter und das seiner Nachbarn, insbesondere für den jungen Thao, für immer verändern.

Der Film gewinnt dann an Fahrt, wird sehr spannend, bis zum Höhepunkt kurz vor dem Ende, das hier natürlich nicht verraten wird. Die Charakter wirken sehr echt, alle Akteure verstehen es hervorragend zu spielen. Allen voran der „Alt-Meister“ Clint Eastwood. Aber auch die jüngeren, unbekannten Schauspieler sind durchweg hervorragend besetzt.

Clint Eastwood inszenierte einen ruhigen, unaufgeregten Film nach dem bekannten Motiv „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ (Friedrich von Schiller; „Wilhelm Tell [1803]“). In diesem Fall sind es nicht die Nachbarn, sonder die Straßengangs. Die Regie-Arbeit Eastwoods kann man hier nur loben. Eine gute Story vorzüglich umgesetzt.

Kamera durch Tom Stern, der des öfteren schon mit Eastwood zusammen arbeitete, auch den Film „Million Dollar Baby“ begleitete, aber auch schon bei „American Beauty“ in der Crew dabei war. Schnitt durch Joel Cox (ebenfalls ein langjähriger Weggefährte, u.a. mit „Mystic River“) und Gary Roach („Letters from Iwo Jima“).

Die angenehme Musik fügt sich nahtlos in das Gesamtwerk ein und rundet es wohltuend ab.

Ein hochkarätiger Film, dessen Ende durchaus Anlass zum Gespräch gibt.

 

5 ½ von 7 Sternen

Rick Deckard

 

Gran Torino“ (USA 2008); 116 Minuten; R: Clint Eastwood; D: Clint Eastwood, Christopher Carley, Bee Vang, Ahney Her, John Carroll Lynch, u.v.a. M: Kyle Eastwood u. Michael Stevens; K: Tom Stern; S: Joel Cox u. Gary Roach; C: Ellen Chenoweth.

The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten

Nach einem Motorbootunfall liegt Elizabeth King im Koma. Ihr Mann Matt (George Clooney) steht nun vor der Aufgabe, neben seinen Verpflichtungen als sehr wohlhabender Nachkomme einer hawaiianischen Königstochter, die anfallenden Familienangelegenheiten zu regeln.
Aber nicht nur das. Bereits sehr früh wird klar: Elizabeth wird nicht aufwachen und wegen ihrer Patientenverfügung werden innerhalb der nächsten Tage die lebensverlängernden Maßnahmen eingestellt.

Liest man das, so kommt einem sofort das Bild eines sehr auf die Tränendüse drückenden Filmes, der schwerfällig und anstrengend ist. Aber weit gefehlt! The Descendants ist alles andere als schwerfällig. Trotz all der dramatischen Ereignisse des Films hat er einen unglaublich „plätschernden“ Fluss, der den Zuschauer an die Leinwand bannt. Das liegt mit unter an dem wunderschönen Hawaii als Setting, welches einfach nur omnipräsent sein kann. Regisseur Alexander Payne hat einen unglaublichen Spagat geschafft, den man sonst kaum für möglich gehalten hätte. Man kann sich kaum entscheiden, ob man einfach nur von den schönen Landschaften Hawaiis träumen möchte oder doch an das Krankenbett mit seinen Gedanken gefesselt bleibt.

Trotz der melodramatischen Geschichte würde ich den Film eher als eine Tragikomödie bezeichnen, was erst einmal unpassend wirkt, hält man sich die Thematik vor Augen. Allerdings wird in der Erzählweise mit einem unglaublichen Feingefühl gearbeitet und so greifen diese widersprüchlichen Elemente ausgezeichnet ineinander. Gerade erst durch die komischen Elemente, wirkt die ganze Tragik so realitätsnah, denn an manchen Stellen möchte man zwar lachen, doch bleibt einem das Lachen im Hals stecken, da man durch die Reaktionen der Protagonisten ständig an das unaufhaltsame erinnert wird..

Dass dies so gut funktioniert verdankt man dem bereits erwähnten märchenhaft schönen Settings Hawaiis, welches durch eine typisch hawaiianische Musikuntermalung noch einmal verstärkt wird, und der ausgezeichneten schauspielerischen Arbeit der gesamten Cast. Jede noch so kleine Nebenrolle ist ausgezeichnet besetzt und besonders George Clooney ist an vielen Stellen derjenige, der einfach nur mit einem so vielsagenden Blick mit minimalistischen Mitteln den Zuschauer wieder zu dem eigentlichen Kern der Geschichte zurück führt. Auch sehr gut hat mir die Performance der bislang nicht all zu bekannten Shailene Woodley gefallen, die als fast volljährige Tochter Matt Kings trotz ihres jungen Alters eine unglaubliche Tiefe in ihrer Rolle aufblitzen lässt.

Ähnlich wie bei seinem wohl berühmtesten Werk „About Schmidt“ unterhält Payne den Zuschauer mit einer tiefen Trauer, ernsten Emotionen und einer wundervollen Schauspielarbeit die ihr Augenmerk nicht auf große Worte, sondern kleine Blicke mit großen Emotionen im Hintergrund richtet.

Beispielhaft für diese Arbeit ist ein Zitat Paynes, welches er in einem Interview gegenüber der Zeit äußerte: „Filme bewegen Menschen. Sie dienen als Spiegel unserer Gesellschaft und bringen uns zum Lachen. Chaplin brauchte dafür noch nicht einmal Worte.“

Im Geschriebenen kann man Leider nicht auf Worte verzichten, aber in dem Sinne fasse ich nur noch kurz zusammen: The Descendants ist ein wirklich guter, melancholischer, feinfühliger und nachdenklicher Film, den man sich ansehen sollte.

 

„The Descendants“; USA (2011), 115 Min., R: Alexander Payne, C: George Clooney, Shailene Woodley, Amara Miller, Judy Greer; M: Craig Armstrong

 

Ian Lang

Prometheus

Überall auf der Welt finden Forscher u. Wissenschaftler prähistorische Zeichnungen aus den verschiedensten Kulturen, die offenbar immer dasselbe Sternenbild darstellen. Im Jahr 2093 stellt die junge Wissenschaftlerin Elizabeth Shaw (Noomi Rapace – die Schwedin, die Lisbeth Salander in den Original-Verfilmungen spielte) ein Team zusammen, das mit dem Raumschiff „Prometheus“ zu diesen Sternen bzw. einem Planeten dort reisen wird. Die nicht unerheblichen Kosten des Unternehmens trägt Weyland Industries, auf dem Schiff repräsentiert von Meredith Vickers (Charlize Theron). Elizabeth und ihr Freund und Kollege Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) sind überzeugt, einer Einladung der Lebewesen zu folgen, die einst das Leben auf die Erde brachten. Mehr noch: sie glaubt an das Gute dieser „Götter“, die einst uns Menschen erschufen. Doch die Expedition verläuft ganz anders als geplant.

30 Jahre nach „Blade Runner“ und 33 Jahre (!) nach „Alien“ inszenierte Ridley Scott erneut einen Science Fiction Film mit großem Aufwand. Hier wird die Geschichte vor „Alien“ erzählt. Im Laufe des Films werden, neben der eigentlichen Story, immer wieder andere Geschehen angerissen und verlieren sich, ohne erklärt zu sein. Raum für den Zuschauer sich seiner Fantasie hinzugeben.

Scott präsentiert uns eine faszinierende neue Welt. Und da offenbar nicht alles nur am Computer generiert wurde, wie zum Beispiel die Höhle (in der Menschen ohne Atemgerät auskommen, da die vorhandene Luft der irdischen ähnelt!) , kommt dieser Planet sehr realistisch über die Leinwand. Mit Noomi Rapace hat Scott und das Casting eine interessante starke Frau ausgewählt. Die Rolle des Androiden David, dargestellt von dem hervorragenden Michael Fassbender, ist ein weiteres Highlight. Dagegen bleiben die anderen Protagonisten eher blass, einschließlich Charlize Theron, die aus ihrer Rolle hätte mehr machen können. Die Besetzung eines 100jährigen Greises mit Guy Pearce wird wohl ein Rätsel bleiben.

Besonders die Anfangssequenz des Films ist großartig, die Idee ist wirklich beeindruckend. Und zweifelsohne ist der gesamte Streifen rein technisch sehr gut umgesetzt worden, so dass wir schnell vom Geschehen gefesselt sind und mit den Protagonisten mitfiebern. Ridley Scott hatte sich großes für sein Prequel vorgenommen, herausgekommen ist jedoch ein guter, aber nicht überragender SF-Film. Zu viele Fragen bleiben offen. Haben die Autoren Jon Spaihts und Damon Lindelof selbst die Übersicht verloren, oder werden die offenen Enden im Sequel zum Prequel (?) aufgenommen und aufgelöst? Wollte Ridley Scott den interessierten Zuschauer zum Nachdenken und Grübeln animieren?

Fraglos, der Film ist technisch hervorragend umgesetzt, die 3D-Projektion wird in vielen Filmen immer besser und kommt hier gut zur Geltung, wertet den Film optisch deutlich auf. Scott schafft es eine düstere Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer in ihren Bann zieht.

Und die Szene mit „Kaiserschnitt“ ist wirklich nichts für schwache Nerven.

Zum Ende hin hätte man auf etwas weniger Action und mehr die ruhige düstere Atmosphäre setzen sollen. Das hätte dem Film etwas mehr Stil gegeben. Man vergleiche zum Beispiel den Showdown in „Blade Runner“, der vergleichsweise ruhig und trotzdem spannend herüber kommt. Die Entscheidungen einiger der verbliebenen Charaktere wirken zum Ende hin arg überhastet und geradezu hektisch.

So ganz konnte sich Ridley Scott nicht entscheiden zwischen Actionfilm und einer coolen Story. Bleiben wir gespannt auf den „Prometheus, Teil II“.

 

5,5 Sterne von 7

Rick Deckard

„Prometheus“ (USA 2012); 124 Min; D: Ridley Scott; C: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron, Idris Elba, Guy Pearce, Logan Marshall-Green; M: Marc Streitenfeld