Blue Valentine

Das Ehepaar Cindy (Michelle Williams) und Dean (Ryan Gosling) bilden zusammen mit ihrer kleinen Tochter Frankie (Faith Wladyka) eine kleine Familie mit Haus und Hund. Cindy arbeitet als Krankenschwester und hat gute Zukunftschancen in ihrem Beruf. Maler Dean arbeitet nur des Geldes wegen um damit die Familie zu versorgen. Schnell wird klar, dass die Beziehung der beiden schon länger nicht mehr gut läuft. Im Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit wird aufgezeigt wie sich im Verlaufe der Jahre die Liebe der beiden verändert hat.

Eigentlich gibt es in diesem Film keine Überraschungen, keine besondere Spannung, doch „Blue Valentine“ lässt einen auch nach mehreren Tagen nicht los. Der Film gräbt sich fest ins Gedächtnis ein und wirkt noch lange nach. Der Film bildet eins zu eins die Realität im Alltag einer in die Jahre gekommenen Beziehung ab. Schonungslos und realistisch werden Streitigkeiten, Versöhnungen oder kurze Augenblicke der Freude gezeigt. Die beiden Hauptdarsteller Ryan Gosling und Michelle Williams sind überragend in ihren Rollen. Ryan Gosling wurde bekannt durch seinen Auftritte in „The Believer – Inside a Skinhead“ oder auch „Mord nach Plan“ neben Sandra Bullock und dem ebenfalls großartigen Michael Pitt. Gosling wurde für seine Rolle in „Blue Valentine“ für den Golden Globe (2011) nominiert, ging jedoch leider leer aus. Seine Performance im Film ist wundervoll. Vor allem seine einfühlsame aber auch seine etwas ausgeflippte Seite stellt er perfekt dar. Der etwas in die Jahre gekommene Dean ist im Film sehr gut geschminkt worden. Michelle Williams (bekannt aus „Brokeback Mountain“ und „Shutter Island“) wurde ebenfalls für den Golden Globe sowie für den Oscar als beste Hauptdarstellerin (2011) nominiert. Williams war von 2004-2007 mit Heath Ledger liiert. Nach dessen Tod Anfang 2008 wurden einige Projekte (darunter „Blue Valentine“) für 1 ½ Jahre auf Eis gelegt. Um so unglaublicher, dass Sie in solch einem Film einen so seelisch-tiefen Einblick von Cindy darstellen kann. Ihre teilweise kühle Ablehnung gegen Dean ist erschreckend ehrlich.

Nach „Brother Tied“ aus dem Jahr 1998 ist „Blue Valentine“ erst der zweite Kinospielfilm von Regisseur Derek Cianfrance. Er versteht sein Handwerk auf ganzer Linie. Die Montage/der Schnitt des Films ist herausragend. Ein Blick, ein Schnitt und der Zusammenhang wird erst eine ganze Weile später verstanden: Genial! Die Parallelmontage von Gegenwart und Zukunft ist perfekt aufeinander abgestimmt worden. „Blue Valentine“ beginnt zu erzählen und das Puzzle, das Abbild der Beziehung fügt sich langsam Stück für Stück zusammen. Man braucht Zeit um alles zu verstehen und am Ende des Filmes begreift man dann. Es gibt eine herzergreifende romantische Szene zu Beginn der Beziehung, aber auch furchtbare Streitigkeiten zwischen dem Paar werden gezeigt. Die Selbst-Reflektion auf sein eigenes Leben ist gerade das, was den Film so stark macht. Jeder kennt genau diese Situationen wie sie im Film dargestellt werden. Man redet aneinander vorbei, liebt sich doch, dann wieder nicht, kehrt in alte Muster zurück, weint, ist dann wieder kurz glücklich.

Derek Cianfrance hat einen exzellenten Indie-Film geschaffen. Er drehte für die Rückblenden auf einer 16mm Kamera und für die Gegenwarts-Szenen benutzte er die digitale 4K Kamera der Firma RED. So wird gleich der gute Look für den Film erzeugt. Körnige, wackelige Bilder für die glücklichen Momente in der Vergangenheit und klare, ruhige Bilder für die Gegenwart. Auch wenn einige Handkamera-Aufnahmen doch etwas zu dokumentarisch und verwackelt wirken, bleibt Kameramann Andrij Parekh stets ganz nah an den Darstellern dran, teilweise mit extremen Close-Ups. Die Musik von Grizzly Bear begleitet den Film sehr gut, ist jedoch stellenweise leider etwas zu sparsam eingesetzt worden.

Verwunderung herrscht jedoch über die Freigabe der FSK in Deutschland, der Film ist nämlich ab 12 Jahren freigegeben worden. Weder das Beziehungsdrama selbst, noch die wenigen Sexszenen sind für 12-jährige geeignet. Man beachte, dass man in Begleitung eines Erwachsenen sogar schon ab 6 Jahren ins Kino hineinkommen könnte!

Blue Valentine“ ist ein eindringliches Drama, das vor allem durch die großartige Inszenierung und die beiden hervorragenden Darstellern getragen wird. Trotz der melancholischen Geschichte möchte man sich in diesen Film verlieren, er saugt einen hinein und lässt einen nicht so schnell wieder los (sofern man sich in die Situation der Darsteller hineinversetzen kann). Ein Hoch auf den Independentfilm! Allein der Trailer ist überhaupt nicht Mainstream-tauglich. Er verrät nicht, wie so oft, die gesamte Handlung des Films, sondern fängt nur die Stimmung ein und zeigt ein paar ausgewählte Bilder. „Blue Valentine“ macht einen nachdenklich. Man denkt über sich, über die Liebe und das Leben nach. Es verwundert nicht, dass im Kinosaal fast alle bis zum Schluss sitzen bleiben und dass bei einigen die Taschentuchpackung etwas leerer als zuvor ist.

Blue Valentine“; USA (2010); 112 min; D: Derek Cianfrance; C: Michelle Williams, Ryan Gosling ; M: Grizzly Bear

 

6 von 7 Sternen

Alexander George

The Departed

Die Polizei kämpft seit Jahren vergebens gegen die irische Mafia in Boston, Massachusetts. Frank Costello (Jack Nicholson), der Mafia Boss, schleust frühzeitig Colin Sullivan (Matt Damon) in die Massachusetts State Police ein. Somit kann er sich aus bester Quelle Informationen beschaffen, um nicht von der Polizei gefaßt und von einem Gericht verurteilt zu werden. Gleichzeitig hat es die Polizei geschafft einen V-Mann in Costellos Reihen zu infiltrieren. Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) wird von Captain Queenan (Martin Sheen) ganz nah in Costellos Verbrecherbande gebracht. Es entwickelt sich ein Katz und Maus-Spiel wobei jeder von den beiden Spitzeln versucht, dass ihre Identitäten nicht ans Tageslicht kommen.

Regie: Martin Scorsese, Kamera: Michael Ballhaus, Schnitt: Thelma Schoonmaker, Musik: Howard Shore, Produzent: u. a. Brad Pitt; Darsteller: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Vera Farmiga und Alec Baldwin. Kann solch eine Starbesetzung überhaupt einen schlechten Film ergeben? Natürlich nicht. Allein der Name Scorsese ist eine Garantie für einen äußerst guten, höchst professionellen und unterhaltenden Film. „The Departed“ glänzt vor allem mit seiner Top-Besetzung, da auch alle ihren Job Top machen! Allen voran die glanzvolle Leistung von Leonardo DiCaprio und Jack Nicholson müssen hier genannt werden. Aber auch alle anderen Haupt- und Nebendarsteller laufen zu Höchstform auf. Bei der teilweisen komplexen Story darf man keine Minute unaufmerksam sein. Ansonsten verliert man schnell den Faden. Dies beschert dem Film die Überschrift: „Anspruchsvoller Blockbuster“ allemal. Scorsese hat aber neben einer tollen Story und den brillanten Darstellern auch noch eine hervorragende Kameraarbeit von Michael Ballhaus und einen vorzüglichen Schnitt anzubieten. Die Bildgestaltung lässt nichts zu wünschen übrig, einfach großartig. Musikalisch wird der Film von Howard Shores spannenden Klängen begleitet und bietet dazu noch eine Menge toller Tracks von den Rolling Stones oder John Lennon an. Anzumerken ist noch, dass „The Departed“ ein Remake des Hongkong-Thrillers „Infernal Affairs“ aus dem Jahr 2002 ist.

Schwierig wird es negative Kritik an diesem Film zu üben. Er ist durchweg unterhaltend, spannend und vor allem darstellerisch bis in die Nebenrollen großartig besetzt. Vielleicht hätte man sich ein, zwei Szenen hinzu gewünscht und ein, zwei hätten gestrichen werden können, um den Fokus auf wichtigere Dinge zu legen. Aber das ist dann schon Kritik auf sehr hohem Niveau und vielleicht auch ungerechtfertigt. „The Departed“ ist ein sehr guter Thriller mit einer Film Noir – Note, teilweise erschreckend brutal, aber auch brutal ehrlich und dadurch authentisch. Sehr sehenswert!!


The Departed“; USA (2006); 149 min; D: Martin Scorsese; C: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Vera Farmiga und Alec Baldwin; M: Howard Shore

 

6 von 7 Sternen

Alexander George

Brügge sehen… und sterben?

Die beiden Auftragskiller Ray (Colin Farrell) und Ken (Brendan Gleeson) sollen in Brügge auf ihren nächsten Auftrag warten. Doch ihr Auftraggeber lässt sich diesmal ganz schön viel Zeit um Sie zu kontaktieren. Während Ken das mittelalterlich-gebliebene Brügge in vollen Zügen genießt, möchte Ray so schnell wie möglich wieder die Stadt verlassen. Als sich Boss Harry (Ralph Fiennes) dann endlich meldet, überschlagen sich die Ereignisse.

Mit seinem ersten Langspielfilm kreierte Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh einen Film zwischen Komödie und Drama. Die beiden Genres stehen im harten Kontrast gegenüber, ur-komisch trifft auf bitterböse, wie man es selten in einem Film gesehen hat. Sehr schön ist dabei die wundervolle Stadt Brügge anzuschauen, die gut in Szene gesetzt wird. Die beiden Hauptdarsteller Colin Farrell und Brendan Gleeson machen ihre Sache sehr gut. Der Film schafft jedoch nicht auf ganzer Linie zu überzeugen. Die Idee lustige Momente so dicht mit traurigen zu verweben oder auch mit merkwürdigen Situation zu paaren, mag einerseits ein sehr guter Einfall sein, wirkt doch andererseits in ihrer Umsetzung etwas zu gegensätzlich um daran wirklich durchgehend Gefallen finden zu können. Einige Figuren wirken etwas zu konstruiert in der Geschichte und lassen den Film in seiner doch sonst überzeugenden Art etwas unrealistisch wirken. Überraschend sind einige wenige kurze Szenen, die sehr brutal sind. Lobenswert ist vor allem die schöne Lichtsetzung in den Straßen von Brügge.

Brügge sehen… und sterben?“ sorgt für nette Unterhaltung, wartet mit einigen Überraschungen auf und bietet gutes Schauspiel an. Sehenswert ist der Film, aber auf jeden Fall nach dem Prinzip: einmal reicht.


Brügge sehen… und sterben?/In Bruges “; UK (2008); 107 min; D: Martin McDonagh; C: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Ralph Fiennes M: Carter Burwell

 

 

3 von 7 Sternen

Alexander George

Palindrome

Die dreizehnjährige Aviva (von 8 verschiedenen Darstellerinnen gespielt) wünscht sich schon als kleines Mädchen ein Baby. Noch im Kindesalter setzt Sie ihren Wunsch in die Realität um und wird schwanger. Als ihre Mutter Joyce (Ellen Barkin) davon erfährt, beschließt Aviva eigenständig die Abtreibung des Kindes. Kurz nach der erfolgreichen Abtreibung, jedoch mit schwerwiegenden Folgen, reißt Sie von zu Hause aus. Unterwegs trifft Sie auf fanatische Christen, Mörder und Pädophile.

Nun – wie sich schon aus der groben Beschreibung des Inhalts feststellen lässt, greift der Regisseur und Autor des Films Todd Solondz gleich mehrere Tabu-Themen auf. Genau darin besteht auch das Problem des ganzen Films und in dessen Umsetzung dieser schwierigen Themen. Wie ein minderjähriges Mädchen mit einem älteren Mann schläft und dieses auch noch (zwar nicht im Detail) auf der Leinwand gezeigt wird, grenzt schon an Darstellung von Kinderpornografie. Es ist eine Unverschämtheit solche Bilder überhaupt zeigen zu dürfen, allein schon zum Schutz der Kinder. Sicherlich ist es immer schwierig mit Themen wie Pädophilie richtig umzugehen. Aber wenn man es nicht professionell und politisch korrekt darstellen kann, dann sollte man es gefälligst sein lassen. Die Idee die Darstellerin Aviva gleich von 8 verschiedenen Schauspielerinnen verkörpern zu lassen mag auf den ersten Blick innovativ erscheinen, ist jedoch an dieser Stelle völlig unnötig und auch nicht logisch konsequent vollzogen worden. Zumal alle Mädchen eher in ihrer vollen „Hässlichkeit“ gezeigt werden, was einer demütigenden Darstellung derer gleicht. Für ein paar wenige Lacher sorgt die spätere Pflegefamilie in welcher Aviva landet. Diese fanatischen Christen und deren Leben werden doch sehr überzogen und satirisch dargestellt. Einige Darsteller machen ihre Arbeit ganz gut. Aber das Verhalten der Eltern, allen voran das der Mutter (Ellen Barkin), wirkt abstoßend und trifft auf Unverständnis. Sicherlich gibt es solche Eltern, aber möchte man so etwas in dieser Form in einem Film sehen? Die Antwort lautet eindeutig: Nein!

Zur Machart des Films ist zu sagen, dass er solide ist, aber durch keine großen Auffälligkeiten als besonders gut empfunden werden kann: weder im Schnitt noch bei der Kamera oder auf der Tonebene.

Todd Solondz wollte sicherlich einen provokanten Film machen, doch er erreicht nur Ablehnung und Ekel des Zuschauers. Ein Wunder, dass man überhaupt diese 100 Minuten ohne seelischen Schaden überstehen kann. Ich für meinen Teil habe den Film nur zu Ende geschaut um eine Rezension verfassen zu können. Ansonsten rate ich jedem von „Palindrome“ ab, falls man seine wertvolle Lebenszeit nicht verschwenden möchte. Eines hat der Regisseur jedoch geschafft: er heizt damit zu Diskussionen an. Aber nicht über die Tabuthemen, sondern wie man solche Themen so schlecht in einem Film verpacken kann und dann auch noch öffentlich aufführen. Eine Unverschämtheit!

 

Palindrome“; USA (2005); 100 min; D: Todd Solondz; C: Jennifer Jason Leigh, Ellen Barkin, Matthew Faber, Stephen Adly-Guirgis, Debra Monk, Emani Sledge, Valerie Shusterov, Hannah Freiman, Rachel Corr, Will Denton, Sharon Wilkins, Shayna Levine; M: Nathan Larson

 

0 von 7 Sternen

Alexander George