Elysium

Werte Leserin und Leser, wissen Sie wie lange sich 109 Minuten anfühlen? Ich meine nicht die knapp 2 Stunden, die Sie in einer Abflug-Lounge auf das Boarding Ihres verspäteten Fluges warten. Sondern ich meine genau die 109 Minuten im Kino-Sessel, die Sie zusammen mit Matt Damon erleben, und mit ihm durch die Hölle gehen, in einem rasanten, actionreichen SF-Thriller der etwas anderen Art.

Max (M. Damon) wächst als Waisenkind bei katholischen Nonnen auf. Dort trifft er auch auf Frey ([als Erwachsene]: Alice Braga), die er jedoch wieder aus den Augen verliert. Trotz der liebevollen Erziehung wird Max schnell kriminell und landet schließlich im Gefängnis.

Unsere Achterbahnfahrt mit Max beginnt dann in 2154. Los Angeles ist alt, dreckig, stinkt und versinkt im Chaos. Durchaus vergleichbar mit dem LA des „Blade Runners“ (dessen Geschichte in 2019 spielt!). Max ist auf Bewährung raus aus dem Knast und hat einen Job in einer Fabrik für Roboter gefunden. Aber er ist, sagen wir mal, ‚unangepasst‘ und legt sich auch schon mal grundlos mit zwei Polizei-Robotern an der Bushaltestelle an. So landet er bei seinem „Bewährungshelfer“ (ebenfalls ein Androide), begegnet diesem mit einer gehörigen Portion Respekt und Sarkasmus, und dieser brummt ihm dann prompt eine 6monatige Verlängerung der Bewährung auf. Zu den schweren Jungs aus alten Zeiten pflegt Max immer noch Kontakt. Man kann ja nie wissen……

Hoch über der kaputten, alten Erde schwebt Elysium. Eine Weltraumstation, in der Friede und Sicherheit, Wohlstand und Wohlergehen herrschen. Hier wohnen nur die Schönen und Reichen. Krankheiten, sollte man tatsächlich einmal krank werden, was hier höchst unwahrscheinlich ist, werden schnell zu Hause in einem beeindruckenden Apparat behoben. Egal welche. Versuche von „Erden-Bewohnern“ illegal einzureisen (Flugzeit LA nach Elysium beträgt 20 Minuten) werden strikt unterbunden: herannahende Fluggeräte werden einfach abgeschossen.

Als Max bei einem Arbeitsunfall verstrahlt wird und nur noch 5 Tage zu leben hat, beschließt er auf Biegen und Brechen nach Elysium zu fliegen! Seine einzige Chance zu überleben. Aber dies ist leichter gesagt als getan, und so schmiedet er, mit Hilfe seines alten Gangster-Boss‘ Spider (Wagner Moura) und seinem Freund Julio (Diego Luna) einen verwegenen Plan.

Ein Vorhaben ganz anderer Natur verfolgt auf Elysium gerade die Verteidigungs-Ministerin Delacourt (Jodie Foster). Sie ist kalt, zynisch und machtgierig.

Und so nehmen die Dinge ihren sehr rasanten Verlauf.

Neill Blomkamp hat einen beeindruckenden spannenden, ja einen klugen SF-Film inszeniert. Dass die Tricktechnik uns heute alle nur noch in Staunen versetzt ist hinlänglich bekannt. Aber das schäbige, versiffte LA im 22. Jahrhundert so einzufangen ist einfach großartig. Zum Teil drehte er diese Szenen auf einer gigantischen Müllhalde in Mexico. Dagegen erinnert die heile Welt von Elysium verblüffend an Celebration in Florida.

Der junge Regisseur hält uns, den Amerikanern und Kanadiern, den Europäern und Australiern, gekonnt den Spiegel vor. Schotten wir uns nicht genau so von der Dritten Welt jeute schon ab? Von den Menschen in Latein-Amerika, Afrika und Süd-Asien? Die 3144 km lange Grenze zwischen den USA und Mexiko wird seitens der Amerikaner streng bewacht, und zwar Tag und Nacht. Eindringlinge werden aufgegriffen und zurückgeschickt. Ein „Schutz-Zaun“ von einer Länge von (bisher) unglaublichen 1125 km wurde gebaut. Und verhalten wir uns in Europa gegenüber den Asylsuchenden nicht ganz ähnlich? Neill Blomkamp hat ein feines Gespür für brennende Themen unserer Zeit. Das hatte er schon mit seinem Überraschungserfolg „District 9“ in 2009 unter Beweis gestellt.

Matt Damon kann spielen wen er will – irgendwie findet man ihn immer sympathisch. Und Jodie Foster brilliert als eiskalte bösartige Politikerin. Den aalglatten ausbeuterischen Konzernchef John Carlyle spielt William Fichtner. Und der Erzschurke Kruger wird verkörpert von Sharlto Copley, der bereits in „District 9“ mitwirkte.

Wie gesagt: spannende 109 Minuten, die wie im „Fluge“ (Achtung: Wortwitz!) vergehen.
Und um auf meinen Eingangssatz zurück zu kommen: hiermit unterstreiche ich meine Forderung, auf neuen modernen Flughäfen in den Abflugbereichen Kino-Säle vorzusehen, für den Fall, dass Ihr Flug einmal wieder verspätet ist, oder auch für Transit-Passagiere, die mehrere Stunden auf ihren Anschlussflug warten müssen. (Hallo Herr Gerkan, lesen Sie unsere Seite?).

 
5 rasante Sterne von 7 ★★★★★
Rick Deckard

Titel: „Elysium“
Herstellung: USA 2013
Länge: 109 Minuten
Regie: Neill Blomkamp
Darsteller: Matt Damon, Jodie Foster, Alice Braga, Sharlto Copley, Diego Luna, u.v.a.
Drehbuch: Neill Blomkamp
Musik: Ryan Amon
Kamera: Trent Opaloch
Schnitt: Julian Clarke u. Lee Smith