To Rome with Love

Schauplatz ist die Stadt Rom. Dort studiert Jack (Jesse Eisenberg) Architektur und lebt mit seiner Freundin Sally (Greta Gerwig) in einer gemütlichen Wohnung. Als Sallys Freundin Monica (Ellen Page) zu Besuch aus den USA kommt, wird das Liebesleben des jungen Mannes kräftig durcheinander gewirbelt. Auch Opernregisseur Jerry (Woody Allen) ist gerade mit seiner Frau Phyllis (Judy Davis) zu Besuch in der Stadt, um den Freund ihrer Tochter kennen zu lernen. Leopoldo (Roberto Benigni) führt ein beschauliches Familienleben, doch dann wird er ohne Vorwarnung überraschend zum Star. Das Pärchen Antonio (Alessandro Tiberi) und Milly (Alessandra Mastronardi) werden kurzzeitig getrennt und erleben in der Stadt, jeder für sich, kleine Liebesabenteuer. Und dann sind da noch Stararchitekt John (Alec Baldwin) und die Prostituierte Anna (Penélope Cruz), die in diesem Liebesgewirr nicht ganz unwesentliche Rollen spielen.

Irgendwie handeln alle Woody Allen Filme immer nur von der einen Sache: der Liebe. Aber man kann sich einfach nicht an den Filmen satt sehen. Wobei der eine Film mal besser als der andere gelingt, was zweifelsohne auch völlig in Ordnung ist. Bei „To Rome with Love“ handelt es sich um einen der Besseren! Von der Starbesetzung einmal ganz abgesehen (Allen spielt seit „Scoop“ mal wieder selbst mit), wird hier Rom dem Zuschauer auf die bekannt romantische Art präsentiert!

Der Film übermittelt, wie bereits in dem sehr schönen „Midnight in Paris“, eine gemütliche, romantische und freudige Atmosphäre, die es so fast nur in einem Allen-Film geben kann. Viele Dinge sind einfach aus dem Leben gegriffen und so wirkt der Film größtenteils sehr authentisch. Auch wenn es dieses Mal auch unrealistische Elemente gibt, die teilweise etwas übertrieben wirken, schafft der Film immer wieder die Kurve um nicht kitschig oder gar albern zu wirken. „To Rome with Love“ hat einen ganz eigenen Charme, der durch seine tollen Darsteller und dem pfiffigen Drehbuch von Allen selbst lebt. Auch dass er sich immer wieder selbst in seinen Filmen parodiert (z.B. seine Neurosen) machen den Film sehr sympathisch.

Sicherlich darf man von „To Rome with Love“ keinen komplexen ineinander verschachtelten Episodenfilm erwarten. Es ist einfach eine leichte, kurzweilige Unterhaltung, die man nicht ganz so ernst nehmen darf. Genau das Richtige um vom Wochenstress einmal 112 Minuten abzuschalten!

Barcelona („Vicky Cristina Barcelona“), London („Ich sehe den Mann deiner Träume“), Paris („Midnight in Paris“) und jetzt Rom! Da wäre doch eigentlich mal Berlin an der Reihe, oder?

 

To Rome With Love“ (USA 2012); 112 Min; D: Woody Allen; C: Woody Allen, Alec Baldwin, Roberto Benigni, Penélope Cruz, Judy Davis, Jesse Eisenberg, Greta Gerwig, Alessandra Mastronardi, Ellen Page; M: Goffredo Gibellini

 

5 Sterne von 7

Alexander George

Ted

Als kleiner Junge wünscht sich John Bennett (Mark Wahlberg) nichts sehnlicher, als dass sein Teddy lebendig werden sollte. Und – so die Off-Stimme im Film – „nichts ist so mächtig und kraftvoll wie der innigste Wunsch eines kleinen Jungen, außer“ – so die Off-Stimme weiter – „natürlich ein Apache-Hubschrauber (der U.S.-Armee), der über MG’s und Raketen verfügt“; der sei noch gewaltiger ….. Und so geht der Wunsch tatsächlich in Erfüllung. Ted (im Original mit der Stimme von Seth MacFarlane) wird berühmt, tingelt durch Talk-Shows und andere TV-Sendungen, bis schließlich das Interesse an ihm verlischt. Die Off-Stimme (im Original Partrick Stewart) wieder: „Ihm erging es wie Miley Cyrus und Justin Bieber: Irgendwann gehst du den Leuten einfach am Arsch vorbei!“

Für John wird die Freundschaft mit Ted erst kompliziert, als er Lori (Mila Kunis) trifft, seine Liebe fürs Leben. Am Tag vor ihrem 4. Kennenlern-Jahrestag, bittet John Ted um Rat: „Meinst du sie erwartet etwas Besonderes morgen?“ Antwort Ted: „Du meinst einen Arschfick? Ich glaube nicht.“

Ted ist älter geworden, konsumiert Drogen, trinkt Alkohol und lädt Nutten zum Film-Abend bei sich (und John!) zu Hause ein. Und irgendwie ist auch John im Herzen ein kleiner Junge geblieben. Ihm fehlt es an der nötigen Ernsthaftigkeit, im Beruf schlägt er sich als Mietwagen-Angestellter mehr schlecht als recht durch. Es wird klar, dass Ted ein schlechter Einfluss auf ihn ist. Doch sie haben sich damals ewige Freundschaft geschworen, und deshalb kommt es für beide überhaupt nicht infrage, getrennt leben zu müssen.

Bis John Lori einen Heiratsantrag macht. Da setzt sie John die „Pistole auf die Brust“: wenn sie heiraten, muss Ted vorher aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen! Nun fangen die Schwierigkeiten erst richtig an. Gleichzeitig muss sich Lori den ständigen Annäherungsversuchen ihres Chefs erwehren. Und ein zwielichtiger Vater mit seinem übergewichtigen einfältigen Sohn versucht noch, Ted „zu kaufen“!!

Seth MacFarlane ist der Erfinder und Produzent der erfolgreichen US-TV-Serie „Family Guy“. Mit „Ted“ legt er seinen ersten Kino-Film vor. Und er ist ihm gelungen. Die Geschichte ist durchgängig flüssig und packend erzählt. Der unvorbereitete Zuschauer erwartet nach der Anfangssequenz den niedlichen Teddy, eine Art YogiBear vielleicht, aber er entpuppt sich schlimmer als Alf oder Garfield. Trotzdem hat er die Lacher immer auf seiner Seite, und das zieht sich kontinuierlich durch diesen unterhaltsamen Streifen. Wundervoll die Szene, in der Ted als Supermarkt-Kassierer arbeitet und seine Kollegin Tami-Lynn (Jessica Barth) anbaggert. Ganz am Ende merkt er selbst, dass er wohl etwas übertrieben hat (aber hier wird nicht verraten, was er gemacht … hat, falls dies doch von Menschen unter 18 Jahren gelesen wird). Nach einem gemeinsamen Abendessen (mit John und Lori, das dann reichlich schief geht) erzählt Tami-Lynn Ted, dass sie ein Kind habe. Darauf Ted: „Du hast ein Kind? Und, lebt es noch?“ Sicherlich bezogen auf ihr Benehmen im Restaurant kurz zuvor.

Sehr unterhaltsame 106 Minuten beschert uns dieser Film. Einige charmante Gastauftritte, einschließlich der wundervollen Norah Jones, die auch zum gelungenen Soundtrack zwei Titel beiträgt. Mit ihr hatte Ted einmal eine kurze aber heftige Affäre (ist das eigentlich Sodomie?)!

In den USA war der Film ab 18 Jahren zugänglich, hierzulande ab 16 Jahren, und das ist auch okay so. Allerdings wird der Film nie zotig; ob allerdings die eine Szene mit Fäkal-„Humor“ in den Streifen musste, wage ich zu bezweifeln.

Die Produktionskosten beliefen sich auf 50 mio US-$. Bereits am ersten Wochenende spielte der Film 54 mio $ ein! Vom D-Start am 2. Aug. 2012 bis jetzt sahen mehr als 3 mio Zuschauer den Film hierzulande – so viele können nicht irren. Weltweites Einspielergebnis bis Ende August lag bei 215 mio $ – mit anderen Worten: Seth MacFarlane hat „ins Schwarze“ getroffen.

 

5 von 7 Sternen; und ein Fleißbienchen für Mark Wahlberg für das Aufsagen von Mädchennamen!

 

Rick Deckard

 

„Ted“; (USA 2012); R: Seth MacFarlane; D: Mark Wahlberg, Mila Kunis, Seth MacFarlane (Stimme von Ted), Joel McHale, Giovanni Ribisi, u.v.a. M: Walter Murphy; K: Michael Barrett; S: Jeff Freeman; C: Sheila Jaffe.

 

Prometheus

Überall auf der Welt finden Forscher u. Wissenschaftler prähistorische Zeichnungen aus den verschiedensten Kulturen, die offenbar immer dasselbe Sternenbild darstellen. Im Jahr 2093 stellt die junge Wissenschaftlerin Elizabeth Shaw (Noomi Rapace – die Schwedin, die Lisbeth Salander in den Original-Verfilmungen spielte) ein Team zusammen, das mit dem Raumschiff „Prometheus“ zu diesen Sternen bzw. einem Planeten dort reisen wird. Die nicht unerheblichen Kosten des Unternehmens trägt Weyland Industries, auf dem Schiff repräsentiert von Meredith Vickers (Charlize Theron). Elizabeth und ihr Freund und Kollege Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) sind überzeugt, einer Einladung der Lebewesen zu folgen, die einst das Leben auf die Erde brachten. Mehr noch: sie glaubt an das Gute dieser „Götter“, die einst uns Menschen erschufen. Doch die Expedition verläuft ganz anders als geplant.

30 Jahre nach „Blade Runner“ und 33 Jahre (!) nach „Alien“ inszenierte Ridley Scott erneut einen Science Fiction Film mit großem Aufwand. Hier wird die Geschichte vor „Alien“ erzählt. Im Laufe des Films werden, neben der eigentlichen Story, immer wieder andere Geschehen angerissen und verlieren sich, ohne erklärt zu sein. Raum für den Zuschauer sich seiner Fantasie hinzugeben.

Scott präsentiert uns eine faszinierende neue Welt. Und da offenbar nicht alles nur am Computer generiert wurde, wie zum Beispiel die Höhle (in der Menschen ohne Atemgerät auskommen, da die vorhandene Luft der irdischen ähnelt!) , kommt dieser Planet sehr realistisch über die Leinwand. Mit Noomi Rapace hat Scott und das Casting eine interessante starke Frau ausgewählt. Die Rolle des Androiden David, dargestellt von dem hervorragenden Michael Fassbender, ist ein weiteres Highlight. Dagegen bleiben die anderen Protagonisten eher blass, einschließlich Charlize Theron, die aus ihrer Rolle hätte mehr machen können. Die Besetzung eines 100jährigen Greises mit Guy Pearce wird wohl ein Rätsel bleiben.

Besonders die Anfangssequenz des Films ist großartig, die Idee ist wirklich beeindruckend. Und zweifelsohne ist der gesamte Streifen rein technisch sehr gut umgesetzt worden, so dass wir schnell vom Geschehen gefesselt sind und mit den Protagonisten mitfiebern. Ridley Scott hatte sich großes für sein Prequel vorgenommen, herausgekommen ist jedoch ein guter, aber nicht überragender SF-Film. Zu viele Fragen bleiben offen. Haben die Autoren Jon Spaihts und Damon Lindelof selbst die Übersicht verloren, oder werden die offenen Enden im Sequel zum Prequel (?) aufgenommen und aufgelöst? Wollte Ridley Scott den interessierten Zuschauer zum Nachdenken und Grübeln animieren?

Fraglos, der Film ist technisch hervorragend umgesetzt, die 3D-Projektion wird in vielen Filmen immer besser und kommt hier gut zur Geltung, wertet den Film optisch deutlich auf. Scott schafft es eine düstere Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer in ihren Bann zieht.

Und die Szene mit „Kaiserschnitt“ ist wirklich nichts für schwache Nerven.

Zum Ende hin hätte man auf etwas weniger Action und mehr die ruhige düstere Atmosphäre setzen sollen. Das hätte dem Film etwas mehr Stil gegeben. Man vergleiche zum Beispiel den Showdown in „Blade Runner“, der vergleichsweise ruhig und trotzdem spannend herüber kommt. Die Entscheidungen einiger der verbliebenen Charaktere wirken zum Ende hin arg überhastet und geradezu hektisch.

So ganz konnte sich Ridley Scott nicht entscheiden zwischen Actionfilm und einer coolen Story. Bleiben wir gespannt auf den „Prometheus, Teil II“.

 

5,5 Sterne von 7

Rick Deckard

„Prometheus“ (USA 2012); 124 Min; D: Ridley Scott; C: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron, Idris Elba, Guy Pearce, Logan Marshall-Green; M: Marc Streitenfeld

The Dark Knight Rises

Nach 8 Jahren ist es still um Batman (Christian Bale) geworden. Nachdem er die Schuld für den Tod von Harvey Dent (Aaron Eckhart) auf sich nahm, zog sich der Held (und somit auch sein wahres Ich namens Bruce Wayne) gänzlich aus der Öffentlichkeit zurück. Die Wahrheit wurde zum Schutze von Gotham City nie ans Tageslicht gebracht. Doch als der ultraböse Bane (Tom Hardy) auftaucht mit dem Ziel Gotham in Schutt und Asche zu legen, bereitet Batman zögerlich seine Rückkehr vor.

 

Zugegeben nach dem fulminanten „The Dark Knight“ lastete großer Erwartungsdruck auf Christopher Nolan. Auch hier agiert er wieder als Drehbuchautor zusammen mit seinem Bruder, als Produzent und natürlich als Regisseur. Die Rechnung für sein großes Finale (es wird der letzte Batman-Film von Nolan und Bale sein) geht fast gänzlich auf. Lobenswert ist, dass Nolan es wieder einmal geschafft hat einen intelligenten Blockbuster zu kreieren. Er setzt eben nicht nur auf aneinandergereihte Actionszenen, sondern konzentriert sich auch sehr auf die Story. Nolan nimmt sich viel Zeit die Geschichte und Hintergründe rund um Bane und Batman zu erzählen. Auch wird im Film sehr schön der Kreis zum ersten Teil geschlossen.

Neben Christian Bale spielen wie gewohnt eine ganze Reihe von Topstars mit: Gary Oldman, Morgan Freeman und Michael Caine (in ihren Rollen der Vorgängerfilme) sowie neu dabei Anne Hathaway als Catwoman und Joseph Gordon-Levitt als John Blake. Vor allem Hathaway und Gordon-Levitt (bekannt aus „(500) Days of Summer“, „Inception“ und „50/50“) verleihen den Film eine gewisse Frische und Lebhaftigkeit. Sehr unterhaltsam ist der kurze Auftritt von Cillian Murphy als Jonathan Crane/Scarecrow, der auch schon in den Vorgängerfilmen eine Rolle spielte. Nolan versteht es bei einem so großen Projekt fast alles richtig zu machen und den Überblick zu behalten.

„The Dark Knight Rises“ hat viel zu bieten: tolle Darsteller, interessante Story mit unerwarteten Wendungen und spektakuläre Actionszenen. Vor allem die Anfangssequenz ist atemberaubend und furchteinflößend inszeniert worden. Trotz allem kann der Film nicht ganz an seinen Vorgänger anknüpfen. Es fehlt dann vielleicht doch die Präsenz eines Heath Ledgers. Die Motivation vom Bösewicht Bane ist bis zum Schluss nicht gänzlich nachvollziehbar. Seine Figur bleibt trotz seiner Boshaftigkeit etwas blass und ist nicht so facettenreich wie die eines Jokers. „The Dark Knight“ hatte noch den Vorteil des Überraschungserfolges und der vielleicht etwas klügeren Story. Die dichte Atmosphäre aus dem Vorgänger kann hier nicht ganz mithalten. Das ist jedoch Kritik auf sehr hohem Niveau und vielleicht ist es auch ungerecht, den Vorgänger ständig als Messlatte zu benutzen. Denn trotz allem bleibt „The Dark Knight Rises“ ein sehr anspruchsvoller Blockbuster, der einen würdigen Abschluss der Trilogie bietet. Gute 2 ½ Stunden glänzende Popcorn-Unterhaltung sind garantiert. Eins soll noch zum Schluss gesagt werden: Batman ist und bleibt die interessanteste und spannendste Figur unter den Superhelden!

 

„The Dark Knight Rises“; USA, UK (2012); 164 Min.; D: Christopher Nolan; C: Christian Bale, Gary Oldman, Morgan Freeman, Michael Caine, Anne Hathaway, Joseph Gordon-Levitt, Cillian Murphy; M: Hans Zimmer

 

5 von 7 Sternen

Alexander George

Haywire

Mallory Kane (Gina Carano) arbeitet für ein privates Unternehmen, das wiederum von der US-Regierung in Auftrag gegebene Jobs ausführt. In Barcelona erledigt sie routinemäßig einen Auftrag mit Bravour. Als sie zurückkehrt steht schon die nächste „Geschäftsreise“ an. Doch dieses mal läuft nicht alles so reibungslos ab wie es geplant war. Sie wird hintergangen und befindet sich plötzlich auf der Flucht.

Steven Soderbergh ist wieder zurück! Seit seinem Comeback mit „Contagion“ spielt er wieder ganz oben in der Liga der großen und erfolgreichen Regisseure unserer Zeit. Doch ob er nun mit dem Filmemachen weiter macht ist strittig. Zuerst gab der Regisseur im letzten Jahr bekannt, dass er aufhören wolle Filme zu machen. Wir berichteten im April darüber! Dann dementierte er in einem Interview gegenüber CINEMA Anfang des Jahres den angeblichen Rücktritt wieder: „Als ich das sagte war ich etwas betrunken“. In einem neuen Interview mit der B.Z. heißt es nun wiederum: „Nun, in diesem Jahr drehe ich noch zwei weitere Filme, und dann habe ich erst mal nichts mehr. Was nicht heißt, dass ich mich auf die faule Haut legen werde, aber Filme drehe ich für eine Weile nicht mehr.“ Wie dem auch sei, ob PR-Gag oder nicht; wir hoffen auf weitere tolle Filme von ihm und es sind auch noch mindestens 3 in Planung: „Magic Mike“ eine Männer-Strip-Komödie, „Behind the Candelabra“ mit Matt Damon und Michael Douglas und „The Bitter Pill“ mit dem neuen Star aus der amerikanischen Verfilmung „Verblendung“ Rooney Mara sowie Catherine Zeta-Jones und Jude Law. Also bleibt abzuwarten ob er seine wiederholten „Drohungen“ dem Filmbusiness den Rücken zu kehren wahr machen wird.

Soderbergh besetzt für seinen neuen Action-Film die unbekannte Gina Carano, die früher Mixed-Martial-Arts-Kämpferin in TV-Shows war. Schauspielerfahrung hat sie nur wenig und doch zeigt sich die Entscheidung Soderberghs als Genie-Streich. Das neue Gesicht verleiht den Film eine Frische und willkommene Abwechslung für die große Kinoleinwand. In „Haywire“ übt sie alle Stunts selbst aus und die Kampfszenen sind sehr beeindruckend und von tollem Realismus geprägt. Darin liegt auch die Stärke des Films. Soderbergh verzichtet gänzlich auf übertriebene Baller-Szenen, sondern setzt auf klassische Eins-zu-Eins-Kämpfe, die noch mit Fäusten und Tritten geführt werden. Neben der tollen Hauptdarstellerin glänzen ein ganzes Ensemble von großartigen Darstellern: Michael Fassbender, Ewan McGregor, Michael Douglas, Antonio Banderas und Bill Paxton! Alle sind jedoch nur in Nebenrollen besetzt, machen ihren Job aber ganz hervorragend.

Hervorzuheben ist, dass Soderbergh sich redlich Mühe gegeben hat mal wieder etwa neues zu schaffen, ja er hat quasi das Genre des Action-Film neu erfunden. Denn die scheinbar banale Story ist komplex aufgelöst und nicht gleich gänzlich zu verstehen. Es ist ein Film, der zwar viele Action-Szenen bietet, aber eigentlich eher ruhig und harmonisch in Erinnerung bleibt. Die cool-jazzige Musik von David Holmes assoziiert alte Kriminalfilme aus den Siebzigern und verleiht dem Film ein ganz gewisses, wohliges Flair. Auch die körnige Bildgestaltung, die teilweise schon ein Markenzeichen der Filme von Soderbergh ist, trägt zu dieser speziellen Grundstimmung bei. Dies ist jedoch eines der wenigen Kritikpunkte, die im Gesamtkonzept des Films stören. Die manchmal leichten Unschärfen und die sehr grobkörnigen Bilder und die leichten Überbelichtungen sind zwar gewollt, doch manchmal wäre dort weniger mehr gewesen. Sprich etwas klarere und schärfere Bilder hätten der ganzen Bildästhetik gut getan. Die Kameraeinstellungen und Fahrten sind hingegen wohl durchdacht und sehr schön inszeniert.

Insgesamt bietet „Haywire“ jedoch nicht nur eine äußerst kurzweilige Unterhaltung, sondern lässt einen auch richtig hinein versinken in die Geschichte und deren Bilder. Neben der Regie führte Soderbergh auch selbst die Kamera (unter dem Pseudonym Peter Andrews, das er immer wieder verwendet) und auch der Schnitt stammt aus seiner Feder (hier ist es Mary Ann Bernard hinter der er sich versteckt). Gedreht wurde das ganze wieder auf der digitalen Filmkamera RED, die auch schon seit einiger Zeit zu seinem Stamm-Equipment gehört.

Tolle Schauspieler, unterhaltsame Action-Szenen und ein wundervoll gestaltetes Bild- und Tonkonzept machen „Haywire“ zu einem tollem Kinovergnügen für Jung und Alt.

 

„Haywire“; USA (2011); 93 Min.; D: Steven Soderbergh; C: Gina Carano, Michael Fassbender, Ewan McGregor, Michael Douglas, Antonio Banderas, Bill Paxton M: David Holmes

 

6 von 7 Sternen

Alexander George

Drive

Der Fahrer (Ryan Gosling) lebt quasi nur für Autos. Tagsüber ist er Stuntfahrer für Filme und KFZ-Mechaniker in einer Werkstatt, nachts fährt er als Fluchtwagenfahrer bei Überfällen. Dabei kümmert sich sein Manager Shannon (Bryan Cranston) um die Aufträge. Als er seine Nachbarin Irene (Carey Mulligan) kennenlernt gibt es eine Kehrtwende in seinem Leben.

Nicolas Winding Refn der die Regie für „Drive“ übernahm, ist dänischer Herkunft und bisher noch ein recht unbekannter Regisseur. Er erhielt 2011 in Cannes für diesen Film die Goldene Palme für seine Regiearbeit. Refns Film ist (um es gleich zu sagen) hervorragend inszeniert. Der Vorspann des Filmes mit der Musiknummer „Nightcall“ von Kavinsky & Lovefoxxx ist genial. Der exzellente Soundtrack durchzieht den ganzen Film. Vor allem die atmosphärische Musik die Cliff Martinez komponierte passt perfekt zu den warm-fotografierten Bildern. Martinez ist unter anderem Hauskomponist von vielen Soderbergh Filmen wie „Traffic“, „Solaris“ und zuletzt “Contagion“.

Refn erzählt die Geschichte von „Drive“ mit aller Ruhe. Auch wenn die Brutalität sich im Verlaufe der Zeit steigert, behält der Film seine ruhige fast gelassene Erzählweise bis zum Schluss hin durch. Einzig und allein die Spannung nimmt stetig zu. Im übrigen ist es ganz richtig den Film erst ab 18 Jahren freizugeben, da er teilweise sehr brutale Stellen hat, die jedoch immer einen „Sinn“ für die Geschichte des Filmes ergeben.

Die spezielle düstere Bildästhetik, die sich auch an die 80er Jahre anlehnt und die durchdachten Einstellungen machen den Film zu einem großartigen Kinoerlebnis. Wie schon im Film „Driver“ aus dem Jahr 1978 ist auch in „Drive“ der Hauptdarsteller genauso wortkarg und die Ruhe in Person. Ryan Gosling spielt grandios überzeugend, der Film lebt von seiner ausdrucksstarken schauspielerischen Leistung. Bryan Cranston der seinen Manager Shannon spielt, ist vor allem bekannt durch die Serien „Malcom mittendrin“ und „Breaking Bad“. Er kann auch im Kino brillieren. Die Geschichte von „Drive“ ist untypischer als man es erst von der Synopse erwarten mag. Das macht ihn so überraschend. Ein Film der eigentlich auch ein schlechter B-Movie hätte sein können wird hier zu einem exzellenten Film im Neo-Noir-Stil. Wundervolles Independent-Kino. Hut ab!

 

„Drive“; USA (2011); 100 min; D: Nicolas Winding Refn; C: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Ron Perlman; M: Cliff Martinez

 

 

6 von 7 Sternen

Alexander George

The Ides of March

Gouverneur und Präsidentschaftskandidat Mike Morris (George Clooney) befindet sich im Vorwahlkampf der Demokraten. Sein Wahlkampf-Manager ist der ausgebuffte und erfahrene Paul Zara (Philip Seymour Hoffman), und der Pressesprecher Stephen Meyers (Ryan Gosling). Letzterer ist jung, ambitioniert, engagiert und karrierebewusst. Mit dem aussichtsreichen Morris hofft er, auf dem Weg nach ganz oben zu sein, auf dem Weg ins Weiße Haus. Ist er zu Beginn noch gutgläubig und unerfahren, der es für einen Erfolg hält, wenn er die Praktikantin Molly (Evan Rachel Wood) flachlegt. Doch dann beginnt der Wahlkampf Fahrt aufzunehmen und die Luft wird dünner, der Kampf gegen die Konkurrenten aus der eigenen Partei härter. Plötzlich beginnt Stephen zu begreifen, in welchem schmutzigen Geschäft er sich befindet. Doch zu spät – er ist dem cleveren Tom Duffy (Paul Giamatti) schon auf den (dreckigen) Leim gegangen. Der Höhenflug endet für Stephen noch bevor er richtig abgehoben hat. Doch plötzlich erhält er Rückendeckung aus einer unerwarteten Richtung. Kann sich das Blatt für ihn noch einmal wenden?

Shootingstar Ryan Gosling wird von Film zu Film besser. Dem interessierten Cineasten fiel er im Streifen „Mord nach Plan“ (2002, org. Titel „Murder by Num8ers“) neben Sandra Bullock erstmals auf. Es folgten „State of Mind“ (2003, u. a. Mit Don Cheadle und Kevin Spacey), „Stay“ (2005, mit Ewan McGregor und Naomi Watts) und letztens „Blue Valentine“ (2010 mit Michelle Williams). Und – last not least – „Crazy, Stupid, Love“. In „Ides of March“ besticht er als Aufsteiger, der vom optimistischen Newcomer auf der politischen Bühne zum zynischen Erpresser wird. Eine ausgezeichnete Vorstellung des 31-jährigen Kanadiers. Man darf auf seinen nächsten Film „Drive“ gespannt sein.

(„Drive“ gewann bei den Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme für Beste Regie!)

Neben dem Sonnyboy Gosling konnte George Clooney Top-Schauspieler wie Paul Giamatti, Philip Seymour Hoffman und Marisa Tomei gewinnen. Er selbst spielt den ehrlichen, braven, guten Kandidaten. Außerdem schrieb er mit am Drehbuch und führte die Regie!

Der Film ist eine Adaption des Theaterstücks „Farragut North“ von Beau Willimon, das sehr erfolgreich auf amerikanischen Bühnen 2008 und 2009 aufgeführt wurde.

„The Ides of March“ ist der Beste Polit-Thriller der letzten Jahre. Auffallend die ruhige Kamera-Führung durch Phedon Papamichael, der schon die Filme „Identity“, „Das Streben nach Glück“, „Walk the Line“ and „Sideways“ fotografierte. Die Kamera verharrt auf den Gesichtern der Akteure, fängt ihre Regungen und ihre Mimik ein. Wir sehen die Personen, die abends in Nachrichten auftauchen und uns die Welt erklären wollen. Wunderbar!

Die Musik von Alexandre Desplat rundet das sehr gute Werk gelungen ab.

Unbedingt empfehlenswert!

 

5 ½ Sterne von 7
Rick Deckard

 

„The Ides of March“; USA (2011); 97 min; D: Ryan Gosling, George Clooney, Philip Seymour Hoffman, Paul Giamatti, Marisa Tomei, Evan Rachel Wood; M: Alexandre Desplat

Der Gott des Gemetzels

Eine Gruppe von Kindern beim Spiel im Park, dann kommt es zu einer Rangelei. Ein Junge schlägt einem anderen ein paar Zähne aus. So kommen die beiden Elternteile zusammen um den Vorfall aus der Welt zu schaffen. Penelope (Jodie Foster) und Michael (John C. Reilly) (die Eltern des „Opfers“) haben die Eltern Nancy (Kate Winslet) und Alan (Christoph Waltz) dazu in ihre Wohnung in New York eingeladen. Aus einem friedlichen Zusammenkommen entwickeln sich jedoch im Verlaufe des Nachmittages immer mehr Streitigkeiten und Auseinandersetzungen.

Roman Polanskis neustes Werk „Der Gott des Gemetzels“ basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Yasmina Reza, die auch an der Drehbuch-Adaption beteiligt war. Das Theaterstück lief sehr erfolgreich auf deutschen, französischen und amerikanischen Bühnen. Das Kammerspiel, das sich quasi nur in der Wohnung abspielt, zeichnet sich besonders durch den extrem gut besetzen Cast aus. Alle vier Rollen wurden glänzend besetzt: da haben wir Jodie Foster, die wunderbar überheblich spielt und unbedingt als „Gutmensch“ dastehen möchte, John C. Reilly der es jedem Recht machen möchte; die wundervolle Kate Winslet, die die gelangweilte und genervte Ehefrau spielt und den sehr charmanten und witzigen Christoph Waltz, der wirklich andauernd am telefonieren ist. Das Zusammenspiel dieser sehr unterschiedlichen Charaktere macht Freude zuzuschauen. Vor allem die gegenseitigen Anschuldigen die gemacht werden, die anschließenden Versöhnungen sowie das Zusammenraufen zu immer wieder unterschiedlichen Macht-Konstellationen innerhalb der Gruppe machen diesen Film zu einem sehr kurzweiligem Vergnügen. Der Film bietet sehr viel guten schwarzen Humor. Dabei ist „Der Gott des Gemetzels“ eine gute Studie der verschiedenen Charaktere, die durch die vielen Gespräche der Eltern richtig entfaltet werden können. Wie schnell dabei das Hauptproblem bzw. der Grund des Zusammentreffens aus den Augen verloren wird ist das zentrale Thema des Films. Die Wandlungsfähigkeit innerhalb der jeweiligen Rollen ist dabei ein besonderes Vergnügen für den Zuschauer.

Polanski hat den Film sehr dicht und spannend sowie unterhaltend inszeniert. Musik gibt es nur zu Beginn und zum Schluss, was völlig ausreicht. Gedreht wurde in Paris. Bei den Filmfestspielen in Venedig gewann der Film 2011 den Kleinen Goldenen Löwen. Die 3 Komponenten: Drehbuch, Regie und Darsteller ergeben eine solide Rezeptur, die zwar nicht für große Überraschungen sorgt aber für einen sehr kurzweiligen Kinoabend.

 

„Der Gott des Gemetzels“ („Carnage“); Frankreich/Deutschland/Polen (2011); 80 min; D: Roman Polanski; C: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly; M: Alexandre Desplat

 

 

5 von 7 Sternen

Alexander George

Margin Call

Wir schreiben das Jahr 2008; es ist der Nachmittag vor dem Beginn des Börsen-Crash und der letzten Weltwirtschaftskrise. Viele tausende Menschen auf der Welt werden ihren Job verlieren, und viele hunderttausende ihr Geld. An diesem Tag werden bei einer großen New Yorker Investmentbank (wohl Lehman Brothers, aber das darf der Film nicht sagen) einige Mitarbeiter entlassen. „Es war ein Blutbad“, meint Will Emerson, der stellvertretende Leiter der Handelsabteilung (nicht unsympathisch gespielt von Paul Bettany). Unglücklicherweise ist auch der Leiter Abteilung „Risk Management“ unter den gefeuerten; der arbeitet gerade an einem Projekt, das er „für sehr wichtig“ erachtet. Am Ende des Kündigungsgesprächs fragt er, ob er dies noch fertig stellen könne. Nein, lautet die klare Antwort, er solle seine persönlichen Dinge einpacken und würde dann, begleitet von der Security, sofort das Haus verlassen. „Dass wir Ihr eMail-Account und Ihr Handy sperren, hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun.“ Kurz bevor sich die Aufzugtüren mit einem entsetzten Eric Dale (hervorragend: Stanley Tucci) schließen, schafft er es dem Jung-Angestellten Peter Sullivan (Zachary Quinto; der diesen Film produzierte) einen USB-Stick mit den Worten „Aber sei vorsichtig damit!“ zuzustecken. Als Peter Sullivan die Zahlen auf der Datei analysiert, glaubt er seinen Augen nicht. Er bittet erst Will Emerson, und anschließend dessen Boss Sam Rogers (Kevin Spacey) sich die Unterlagen anzusehen. Sie alle kommen zu dem einzigen logischen Schluss: die Investmentbank ist seit zwei Wochen insolvent, aber niemand hat es bemerkt. Sam Rogers, der seit über 30 Jahren für das Unternehmen tätig ist, tut das was er tun muss – er informiert den Vorstand. Um kurz nach 2 Uhr nachts landet der Vorstandsvorsitzende John Tuld (Jeremy Irons) mit dem Helikopter auf dem Dach des Firmengebäudes. Und eines ist jetzt klar: die weltweite Finanzwelt wird in weniger als 12 Stunden eine andere sein. Denn die Verluste bei der Bank, dessen Name im gesamten Film nie erwähnt wird, belaufen sich auf rund 300 Milliarden US-Dollar. Um die Ausfälle zu begrenzen, wird Sam Rogers mit seinem Team beauftragt, morgen Vormittag alle „faulen Papiere“ schnellstens abzustoßen. John Tuld ist bewusst, dass er die Börsen damit in einen Tumult und in eine gigantische Talfahrt stürzen wird – aber es ist ihm egal. Er belehrt den jungen Sullivan, warum er der Vorsitzende dieser Firma wäre. Nicht, weil er alles besser könne, sondern weil er wisse, was morgen, nächste Woche und nächsten Monat an der Börse passieren wird. Und weiter: „Es gibt nur drei Wege zum Erfolg und zum großen Geld: 1. Sei der Erste. 2. Sei klüger als die Anderen. 3. Betrüge!“

Und so machen sich, nach einer Nacht mit Konferenzen und Besprechungen, Sam Rogers, Will Emerson („Ich habe kein Nicotin-Kaugummi mehr; das bedeutet ich werde in den nächste 10 Minuten jemanden umbringen.“) und ihr Team an die Arbeit. Sam (brilliant von Kevin Spacey gespielt) kennt die Konsequenzen seines Handelns. Aber ist loyal zu seinem Unternehmen und führt die ihm gegebenen Anweisungen aus.

Gleichzeitig befielt John Tuld die Suche nach dem „Entdecker“ ihrer Pleite. Der ist aber anscheinend gestern Abend gar nicht nach Hause gekommen; so seine Frau am Telefon!

Der Film von J.C. Chandor ist nicht perfekt. Aber er vermittelt dem Zuschauer einen Eindruck davon, was in der fraglichen Nacht bei Lehman Brothers passiert sein könnte. Und das tut er mit hervorragenden Dialogen (Ein Lob für das gute Drehbuch, das der Regisseur selbst verfasste ) Wir stellen fest, dass die Protagonisten letztlich alle nur von der Gier nach Geld gesteuert werden. Und das bis zum bitteren Ende! Da sagt dann John Tuld : „Es ist doch nur Geld …“.

Wichtig für jeden Mitarbeiter, der überlebt ist allein, wie viel Geld verdient der andere? Und wie viel mein Vorgesetzter? Und wie komme ich dahin? Zu Beginn fragt Peter Sullivan Will Emerson was er in 2007 von der Firma erhielt. Antwort: „2,5 Millionen $; davon gehen 50% an die Steuer.“ Was er damit gemacht habe. Will zählt auf: Haus, Auto, Versicherung, Restaurant, und so weiter. 50.000 $ für Kleidung.“ Peter und sein Kollege Seth Bregman haben mitgerechnet: „Sir, es fehlen noch 78.000 $.“ Will antwortet, fast geistesabwesend: „78.000 $ habe ich für Nutten ausgegeben.“ Seth pfeift leise durch die Zähne und fragt dann „Sir, 78.000 $ für Nutten? Sir, wie haben Sie das in einem Jahr gemacht??!“

106 spannende Minuten. Ein Kammerspiel, das fast ausnahmslos in den Büros der Bank abläuft. Gebannt lauscht man den Dialogen, und glaubt fast nicht, was man dort hört. Vielleicht hat der eine oder andere Zuschauer geahnt, dass es so bei den Banken zugeht. Aber man will es eigentlich nicht wahr haben.

Lehmann Bros. hatte vor der Krise 28.000 Angestellte. Danach waren noch 315 Mitarbeiter dort. Einmal sagt ein Bank-Manager, als er über seine Kunden spricht: „The real people outside.“ Und man möchte fragen: und ihr da drinnen, was seid ihr?

Wer erfahren möchte wie spannend Wirtschaft sein kann, liegt hier genau richtig. Und auch derjenige, der eine hochklassige Schauspieler-Riege bewundern möchte, von denen jeder glaubwürdig wirkt; ihnen zuzuschauen macht wirklich Freude! Kevin Spacey sei hervorgehoben – gewohnt souverän meistert er seine Rolle. Und er ist vielleicht, neben Zachary Quinto, der einzige, dessen Film-Charakter gewisse menschliche Züge aufweist.

 

 

Der große Crash“ („Margin Call“); USA (2011); 107 Min.; D: J.C. Chandor; C: Kevin Spacey, Paul Bettany, Jeremy Irons, Zachary Quinto, Demi Moore, Stanley Tucci; M: Nathan Larson.

 

5 von 7 Sternen

Rick Deckard

 

Wer ist Hanna?

Hanna (Saoirse Ronan) lebt in einem einsamen schneebedeckten Land, irgendwo im Norden Kanadas oder Europas. Hier ist sie aufgewachsen, und alles was sie weiß, hat sie von ihrem Vater gelernt, oder von der Natur, die sie umgibt. Am Anfang des Films jagt sie mit Pfeil und Bogen einen Hirsch und trifft ihn tatsächlich; aber nicht tödlich – und gibt ihm dann mit einer Pistole den Gnadenschuss. Aber nicht nur Lesen und Schreiben, und Allgemeinbildung aus einer Enzyklopädie, sondern auch Nahkampf und Selbstverteidigung hat ihr Vater ihr beigebracht. Bald lernt man, dass die Einsamkeit nicht selbstgewählt ist, sondern die beiden sich vor der CIA verstecken. Als Hanna sich bereit fühlt, sie ist jetzt wohl 14 oder 15 Jahre alt, für die Welt, die sie selbst noch nie gesehen hat, drückt sie den entscheidenden Knopf eines Geräts, das nun – und damit ihr Versteck – von ihren Häschern geortet werden kann. Ihr Vater (Eric Bana) flieht und lässt Hanna zurück. Die wartet, bis die Navy Seals ihre Hütte im Wald umstellt haben und sie festnehmen und in ein geheimes Gefängnis bringen. Dort verwandelt sich das scheue, ängstliche Mädchen in eine tödliche Amazone, der die Flucht gelingt. Und nunmehr übernimmt die CIA-Agentin Marissa (Cate Blanchett) den Fall und verfolgt Hanna über 3 Kontinente, während Hanna selbst nicht nur flieht sondern gleichzeitig auch ihre Vergangenheit sucht: „Wer bin ich, und woher komme ich?“

Der „Tagesspiegel“ bezeichnete dieses Abenteuer als märchenhaften Thriller, was den Kern trifft. Der Teenager, glänzend von Saoirse Ronan gespielt, narrt die westlichen Geheimdienste, glänzt mit Intelligenz und Mut, und ist dann doch wieder das unreife Mädchen, die sich in ihrem Leben noch zurecht finden muss. Saoirse Ronan war während der Drehzeit 16 Jahre alt; in 2007 glänzte sie in dem Streifen „Abbitte“ (org: „Atonement“) und erhielt dafür prompt eine Oscar-Nominierung. Beide Filme wurden von dem Regisseur Joe Wright inszeniert.

Cate Blanchett ist eine vorzügliche Schauspielerin und es ist ein Genuss, sie hier einmal als die „Böse“ zu sehen.

Ein schöner Einfall ist das Zusammentreffen mit der normalsten englischen Mittelstandsfamilie, die man sich vorstellen kann: die in die Jahre gekommenen Eltern, die immer noch von den 60ern, FlowerPower und der Hippiezeit schwärmen. Und dazu die wunderbar prosaischen Kinder; die Tochter Sophie (Jessica Barden – ein Bravo!!!) ist der Running-Gag des Films – köstlich!

Der erfahrene Kameramann Alwin Kuchler (aus Düsseldorf) zeigt sein ganzes Können: Schöne Kamerafahrten, herrliche Landschaftsbilder, und die Action-Szenen – alles ist sehr gut eingefangen und wurde später auch vom Post-Production-Team exzellent geschnitten.

Ein wenig denkt man an die Geschichte von „Jason Bourne“, der auch vor seinen vermeintlich eigenen Leuten davon läuft und nie genau weiß, warum eigentlich.

Die Geschichte von Hanna ist nicht wahnsinnig originell und teilweise vorhersehbar. Aber sie ist in diesem Film einfach erstklassig umgesetzt worden! Und nicht zuletzt die Musik der Chemical Brothers verleiht dem kleinen Meisterwerk den letzten Schliff. Also – unbedingt ansehen!

 

„Wer ist Hanna? – Hanna“; USA/UK/D (2011); 111 min; D: Joe Wright; C: Saoirse Ronan, Cate Blanchett, Eric Bana, Olivia Williams; M: The Chemical Brothers

 

5 von 7 Sternen – Rick Deckard

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