Gattaca

In naher Zukunft werden fast alle Kinder nach Wunsch der Eltern gentechnisch „einwandfrei“ in Bezug auf Hautfarbe, Größe, Denkvermögen und so weiter „zusammengebaut“. Es gibt jedoch auch noch die so genannten „Gotteskinder“, die auf ganz natürliche Weise geboren werden. Vincent (Ethan Hawke) ist einer von ihnen. Den „Gotteskindern“ fällt der soziale Aufstieg in dieser Gesellschaft jedoch besonders schwer. Vincent träumt davon bei „Gattaca“ arbeiten zu dürfen um in den Weltraum zu fliegen. Mit Hilfe von Jerome (Jude Law) beginnt er das schwierige Unterfangen sein Ziel zu erreichen.

„Gattaca“ besticht vor allem durch sein hoch brisantes Thema der Gentechnologie und mit der Frage des korrekten Umgangs damit. Es ist nicht auszuschließen, dass es in naher Zukunft tatsächlich so ablaufen könnte, wie es im Film gezeigt wird. Auch nach fast 15 Jahren hat der Film von seiner Aktualität und Brisanz nichts verloren.

Die Inszenierung von Regisseur Andrew Niccol („Lord of War“), aus dessen Feder auch das Drehbuch stammt, ist sehr gelungen. Für die in orangefarbenen, ruhigen Bilder zeichnet der polnische Kameramann Sławomir Idziak verantwortlich. Dieser war auch schon bei „Drei Farben: Blau“, „Black Hawk Down“, „King Arthur“ oder „Harry Potter und der Orden des Phönix“ an der Linse tätig. Durch die besondere Bildästhetik (Herr Idziak hat offensichtlich mit Farbfiltern gearbeitet) kreiert der Film seine ganz eigene dicht gestrickte Atmosphäre. Auch das Szenenbild ist exzellent gestaltet worden. Durch die kalt-grauen Gebäude und die oftmals weiträumigen und leeren Außensettings, sowie die ständige totale Ordnung in allen Innenräumen wirkt „Gattaca“ so realistisch. Der Film schafft es mit seiner ruhigen Erzählweise und durch seine hervorragenden Darsteller eine erschreckende Zukunftsvision zu visualisieren. Vor allem Jude Law überzeugt in seiner Rolle als Jerome von der ersten bis zur letzten Minute. Sein trockener Humor bringt den Zuschauer zum lächeln. Vielleicht ist es eine seiner besten Rollen bis jetzt. Neben Ethan Hawke ist noch Uma Thurman mit von der Partie, die sehr hübsch anzusehen ist.

„Gattaca“ ist kein typischer Science-Fiction-Film. Besonders seine geradlinige unspektakuläre Erzählweise grenzt ihn vom üblichen Genre ab. Die Monotonie des Lebensalltages in der Welt von „Gattaca“, wird durch die Arbeit in der Zentrale schön dargestellt. Die Mitarbeiter wirken alle strukturiert, gehorsam und gefühlskalt. Durch einige wenige Szenen wird dies dem Zuschauer deutlich gemacht. So stand bestimmt „Gattaca“ maßgeblich für Filme à la „Equilibrium“ Pate, was zumindest die Darstellung der zukünftigen gesellschaftlichen Verhältnisse anbelangt.

 

Der Filmsicht – Tipp: Gattaca ist als Deluxe Edition auf Blu-Ray erhältlich mit sehr guter Bild- und Tonqualität!

 

„Gattaca“; USA (1997); 101 min; D: Andrew Niccol; C: Ethan Hawke, Uma Thurman, Jude Law; M: Michael Nyman

 

6 von 7 Sternen

Alexander George

Public Enemies

USA 1933: Der professionelle Bankräuber John Dillinger (Johnny Depp) ist dem Bureau Of Investigation (später wird daraus das FBI) schon länger ein Dorn im Auge. Schließlich erklärt der Leiter J. Edgar Hoover (Billy Crudup) Dillinger zum Staatsfeind Nr. 1. Nach einem weiteren Ausbruch setzt Hoover auf seinen Agenten Melvin Purvis (Christian Bale), der Dillinger und seine Gang endlich hinter Gitter bringen soll. Es wird ein harter Kampf für die Polizei, in der neue Methoden entwickelt werden um die Gangster endlich zu schnappen.

Michael Mann ein Regisseur mit keiner so großen Filmografie, wie man vielleicht denken könnte. Bekannt geworden ist er durch Filme wie „Der letzte Mohikaner“, „Heat“, „Insider“, „Ali“ oder „Miami Vice“. Besonders „Heat“ ist unbestritten eines seiner Meisterwerke! Mann erzählt in „Public Enemies“ die Geschichte des Gangster-Helden John Dillinger, die auf wahren Begebenheiten beruht. Dabei verwendet er, wie auch schon bei seinem Film „Collateral“, durchgehend die moderne HD-Technik. Die Entwicklung einer neuen Ästhetik des Looks ist dem Regisseur sehr gelungen. Diese ist notwendig geworden, da durch die allmähliche Ablösung vom Drehen auf echtem Filmmaterial auch der klassische „Film-Look“ (die Filmkörnung) verloren geht. Trotzdem gibt es einige Brüche im Film. Leider passen einige Bilder so rein gar nicht in das bildliche Konzept von Regisseur Mann und Kameramann Dante Spinotti („Heat“, „L.A. Confidential“, „Wonderboys“). Wackelige teils dokumentarisch-wirkende Bilder harmonieren nicht mit den sonst ruhigen und klaren Aufnahmen. So wird der Zuschauer immer wieder durch die bildliche Ebene aus der Geschichte herausgerissen bzw. aus der Zeit um 1933. Der Film wirkt plötzlich zu modern um in dieser Zeit spielen zu können und somit auch teilweise unglaubwürdig.

Sehr schön ist jedoch die wundervolle Lichtsetzung im Film gelungen sowie die aufwändige uns sehr realistische Ausstattung und Kostüm. Auch die Darsteller-Riege mit Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard und Stephen Graham kann sich sehen lassen. Sehr schade ist nur, dass in der deutschen Version die Synchronstimme von Bale eine andere ist als die gewohnte. Somit ist es nur sehr schwer sich daran zu gewöhnen.

Schade ist auch, dass der Film nie so richtig Fahrt aufnimmt. Es fehlt einfach ein Spannungsbogen und die nötige Tiefe in der Geschichte. Es ist eine Aneinanderreihung von Ereignissen mit keinem durchgehenden Erzählstrang, der einen fesselt. Schauspielerisch ist es zwar von allen Beteiligten hervorragend gespielt, aber auch dort findet kein tieferes Eindringen in die jeweiligen Charaktere statt.

Immer wieder gibt es in Michael Manns „Public Enemies“ grandios-inszenierte Szenen wie Verfolgungsjagden und der Gefängnisausbruch. Dort merkt man, dass der Regisseur sein Handwerk versteht. Jedoch bleibt der Film letztendlich blass und kalt. Vielleicht ist es auch der hohe Anspruch den man an Mann stellt, der hier diesmal einfach nicht erfüllt werden kann.

 

„Public Enemies“; USA (2009); 140 min; D: Michael Mann; C: Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard; M: Elliot Goldenthal

 

 

2 von 7 Sternen

Alexander George

Leon Battista Alberti, die alten Griechen und ein Zimmer in Rom

von Julian von Sallingen

 

Eine Nacht in Rom. Zwei junge Frauen, Alba und Natasha, entschließen sich diese Nacht zusammen zu verbringen. »Room in Rome«, aus dem Jahr 2010, ist ein Erotikfilm — ästhetisch photographiert, sinnlich, schön, und nie mehr als das. Elena Anaya (Alba) und Natasha Yarovenko (Natasha) überzeugen mit ihrem ausdrucksstarkem Schauspiel.

Zwischen dem Sex reden Alba und Natasha — und auch wenn das chauvinistisch klingt — genau das ist das Problem des Films. Das Drehbuch ist leider recht schwach — jedenfalls was die Dialoge betrifft. Die am Anfang gegenseitig erzählten Lügengeschichten sind sofort als solche zu erkennen, und sollen auch erkannt werden. Nach den nächsten Runden im Liebesspiel beginnen beide den wahren Kern ihres Wesen sich zu zeigen. Ihre Gespräche werden ernster und wahrer. Jedoch, dem Film hilft es nicht. Zwar haben beide Frauen jenseits ihrer Lügengeschichten ein dramatisches Leben. Dies aber wirkt — in dieser Szenerie, in dieser Nacht und vor dem Hintergrund der omnipräsenten Erotik — eher bemüht und teils auch unglaubwürdig.

Alba und Natasha sind die meiste Zeit des Films nackt zu sehen. Das kann nicht fehlen in einem Film dieser Art? Doch, denn auf die Dauer bekommt man beim Zusehen eine gewisse Routine und kann den Wunsch nicht unterdrücken, dass der Film auch früher hätte zu Ende sein können. Und es liegt die Vermutung nahe, dass dies nicht von Regisseur Julio Medem beabsichtigt ist, dass man sich an die Nacktheit gewöhnt. Es ist ganz klar, dass es in diesem Film um Erotik, um Sex geht und alles andere eine philosophische Tiefe erzeugen soll. Aber 104 Minuten Nacktheit und Sex plus obskuren Gesprächen birgen eine gewisse Redundanz in sich. Eine Langweile ist noch knapp zu unterdrücken, jedoch segelt der Film stellenweise hart am Rand dazu.

Sehr aufgesetzt wirken die dialogischen Einwürfe zu Leon Battista Alberti, der in einem Gemälde im Hotelzimmer zu sehen ist. Ihm gegenüber hängt ein Bild das eine Szene aus der Zeit der alten Griechen darstellt. Natasha erklärt Alba, dass diese Bilder miteinander kommunizieren. Wir erfahren, dass Leon Battista Alberti Natashas Lieblingshumanist ist und sie zitiert ihn: »Man kann den Bogen nicht spannen, wenn man kein Ziel hat ihn darauf zu richten«.
Den Bogen spannen tut Amor und bald wird er ihn auch abfeuern. Amor trifft, er trifft Alba. Daraus entsteht die, für mich, wirklich einzig peinliche, auch sehr unnötige, Szene des Films. Alba steckt, nicht nur metaphorisch, der Pfeil im Herz.
Als Natasha Leon Battista Alberti zitiert, fragt Alba, was das Zitat bedeutet. Natasha antwortet: »Die Idee dahinter ist, dass der Künstler immer ganz genau wissen muss, worauf er hinaus will.« Und ich hätte mir gewünscht, dass Julio Medem dies gewusst hätte.

Dem allem zum Trotz: »Room in Rome« — basierend auf dem chilenischen Film »En la cama« (engl.: »In Bed«) von Matías Bize aus dem Jahr 2005 — ist ein sehr schön anzusehender Film, mit intensiven und leidenschaftlichen Bildern, mit überzeugenden und sehr schönen Darstellerinnen und mit guter Musik. (Immer wieder erklingt der Song »Loving Strangers« von Russian Red.) Allein, es mangelt dem Film an Tiefe, die er zwar haben möchte, die ihm aber verweht bleibt.

 

Bewertung: 5 von 7 Sternen

 

»Room in Rome — Eine Nacht in Rom« (Original Title: »Habitación en Roma«, International Title: »Room in Rome«); Spanien (2010); 104 Min.; D: Julio Medem; C: Elena Anaya, Natasha Yarovenko, Enrico Lo Verso, Najwa Nimri

 

Die DVD ist im Handel erhältlich.

The Social Network

Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) ist Student an der Harvard-Universität; er ist ein Computer-Freak, speziell was das Internet angeht, er bloggt regelmäßig und hackt sich in die Uni-Software ein. Man könnte sagen er ist geradezu besessen von den Möglichkeiten des Internets. In 2004 (er ist jetzt 19 Jahre alt) hat Mark eine Idee (oder hatten andere etwa diesen „Einfall“??!): er startet das Programm „The Facebook“, deren Nutzer zu Beginn ausschließlich seine Kommilitonen an der Harvard sind. Später kommen dann weitere US-Hochschulen dazu, bis das Network weltweit ausgebaut wird. Leider reklamieren ehemalige Partner von Zuckerberg, er hätte ihre Idee gestohlen (sie werden alle später in einem Gerichtsvergleich „großzügig“ abgefunden). Auch sein Freund und Mitbegründer Eduardo Saverin (Andrew Garfield) verklagt ihn auf Schadensersatz, da man ihn auf trickreiche Weise und mit Hilfe von Sean Parker, dem Napster-Erfinder (Justin Timberlake in einer kurzen aber prägnanten Rolle), aus Facebook hinaus manövriert hat.

Dies alles erzählt der Film, eine Art Doku-Drama, in schneller Bilder-Abfolge, fast so zügig wie Zuckerberg redet oder denkt oder auf die Tastatur seines (Apple-)Notebooks haut. „History in the Making“ sagt der Engländer treffend: wir sind (scheinbar live) dabei wie Geschichte geschrieben wird, eine revolutionäre Idee ist geboren. Gegenwart und Rückblenden wechseln sich in rastloser Schnittfolge ab. Atmosphärisch dicht, gute Kamera und stimmige Musik: der Regisseur David Fincher hat einen exzellenten Film komponiert. Die Charaktere wirken glaubwürdig, insbesondere Eisenberg spielt Zuckerberg zwischen Genie und Naivität sehr beeindruckend.

Das Script glänzt durch geschliffene, wohl durchdachte Dialoge; jeder Satz scheint wichtig zu sein für die Geschichte, nichts Unnützes wird gesagt.

Am Ende der Vergleichsverhandlung sagt die Assistentin seines Rechtsanwalts zu Zuckerberg: „Mark, Sie sind kein Arschloch. Aber Sie versuchen dauernd eines zu sein. Gute Nacht.“ Die korrekte Charakterisierung des Facebook-Gründers.

Die Kamera führte kein Geringerer als Jeff Cronenweth, der schon bei „Fight Club“ für die Bilder verantwortlich war. Auch bei den Filmen „Sieben“ (additional photography) und „The Game“ (second unit) war er im Team.

Den hervorragenden Schnitt verantworteten Kirk Baxter (u. a. „Zodiac“ und „Benjamin Button“) und Angus Wall (u. a. die vorgenannten Filme und „Panic Room“).

Bemerkenswert die Tatsache, dass Kevin Spacey als Executive Producer diesen Film begleitete.

Am Ende des Films kommen die üblichen „Thanks to …“, auch an Steven Soderbergh, wofür auch immer.

Heute verzeichnet Facebook 800 Millionen Nutzer, von denen 50% täglich die Seite aufmachen! Mark Zuckerberg ist der jüngste Milliardär der Welt.

Fazit: unbedingt ansehen und genießen. Die Story ist atemberaubend. Am Ende des Films möchte man eigentlich, es möge noch weitergehen, so kurzweilig und interessant wurde diese Erfolgsstory umgesetzt.

 

 

„The Social Network“; USA (2010); 120 min: D: David Fincher; C: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Rooney Mara, Bryan Barter; M: Trent Reznor und Atticus Ross

 

6 von 7 Sternen – Rick Deckard

Import/Export

Krankenschwester Olga (Ekateryna Rak) verdient in einem Krankenhaus in der Ukraine zu wenig um ihr Kind versorgen zu können. Kurzzeitig versucht Sie sich mit Webcam-Sex-Chats ein wenig dazuzuverdienen. Doch schon nach kurzer Zeit beschließt Sie nach Österreich zu fahren um dort als Haushälterin und Putzfrau zu arbeiten. Pauli (Paul Hofmann) hat gerade seine Ausbildung abgeschlossen. Er arbeitet als Wachmann in Österreich wird aber relativ schnell wieder entlassen. Da er viele Geldsorgen hat, nimmt ihn sein Stiefvater (Michael Thomas) mit auf eine Geschäftsreise nach Osteuropa.

„Import/Export“ lief zu den 60. Filmfestspielen in Cannes im Wettbewerb. Ulrich Seidls österreichischer Film zeigt knallhart die Abgründe eines jeden Menschen. Olga und Pauli werden mehrmals Opfer von Beschimpfungen, Gehässigkeiten und körperlichen Übergriffen. Olga, eigentlich ein herzensguter Mensch, muss sich von Männern im Webcam-Chat sexuell erniedrigen lassen. Egal wo sie ist versucht Sie das beste aus ihrer Situation zu machen und möchte oftmals einfach nur helfen. Doch immer wieder stößt Sie auf Neid. Somit wird Sie chronisch unterschätzt in Ihren Fähigkeiten. Auch Pauli ist in einer desillusionierten Familie zu Hause. Sein Stiefvater zeigt sich schnell als Betrüger seiner Ehefrau und Perverser. Natürlich keine guten Voraussetzungen für einen guten Arbeitsstart für den jungen Mann.

„Import/Export“ ist ein sehr kalter und sehr bedrückender Film. Man ist jedoch von vielen Szenen einfach nur angewidert und empört. Sicherlich sollen hier Szenen eines Alltages gezeigt werden, die sich so überall abspielen könnten. Doch der Film gibt keine Motivation oder lässt mal ein Fünkchen Hoffnung durchschimmern. Einzig zu Olga baut man eine emotionale Bindung auf. Man fühlt mit ihr und hofft auf eine Besserung ihrer Situation. Auch hat der Film viel zu viele Längen, die ihn nur schwer ertragen lassen. Trotz des eigentlichen spannenden Themas hätte man die gesamte Story auch in 1 ½ Stunden erzählen können. Die Überlänge macht den Film träge und geradezu Langweilig. Überraschend sind die teilweise pornografischen Szenen, die den Film authentisch und sehr real wirken lassen. Auch die beiden Hauptdarsteller spielen überzeugend. Für kurzweilige Freude sorgt der Gastauftritt des wunderbar herrlichen österreichischen Kabarettisten Dirk Stermann, der Tipps für das richtige Bewerbungsgespräch zum Besten gibt.

Ulrich Seidl versucht mit „Import/Export“ den Alltag von Menschen aus einer sozial-schwachen Umgebung zu zeigen. Doch der gewisse Pepp und die Dynamik des Filmes fehlen gänzlich. Auch wenn Kamera und Schnitt gut sind. Auf Musik wird leider verzichtet. Kürze hätte den Film gut getan, so wie ein etwas verändertes Drehbuch mit dem Schwerpunkt auf die beiden Hauptcharaktere. Immer wieder möchte der Film auch die Geschichte von Nebenprotagonisten erzählen und verkalkuliert sich dabei zusehends. Potenzial hat das Material, doch eine gelungene Umsetzung sieht anders aus.

 

„Import/Export“; Österreich (2007); 135 min; D: Ulrich Seidl; C: Ekateryna Rak, Paul Hofmann, Michael Thomas; M: (keine)

 

 

1 von 7 Sternen

Alexander George

Schmetterling und Taucherglocke

Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) (43 Jahre alt, Chefredakteur der Elle) erwacht in einem Krankenhaus und erfährt kurz danach, dass er einen Schlaganfall erlitten hat. Dazu wird auch noch zu allem Übel das seltene „Locked-in-Syndrome“ bei ihm diagnostiziert. Er kann nur noch mit Hilfe seines linkes Augenlides kommunizieren. Neben seinen Therapien versucht Jean-Dominique im Krankenhaus ein Buch verfassen zu lassen.

Regisseur Julian Schnabel hat schon mit „Before Night Falls“ (mit Javier Bardem) bewiesen, dass ihm autobiografische Verfilmungen mehr als liegen. Sein bis dahin erst 3. Film ist eine Glanzleistung des europäisch-/amerikanischen Kinos. „Schmetterling und Taucherglocke“ (beruht also auf einer wahren Begebenheit) beginnt mit einer minutenlangen subjektiven Kamera aus der Sicht von Jean-Dominique. Immer wieder wird diese Sichtweise im Verlaufe des Films genutzt und man kann sich quasi in den Körper von ihm hin-einfühlen. Dabei gelingt eine realistische Darstellung eines Locked-in-Syndrome-Patienten perfekt. Sogar seine teilweise verschwommene Sicht wird imitiert. Hauptdarsteller Mathieu Amalric (bekannt aus unzähligen amerikanischen und französischen Filmen) ist zudem eine großartige Besetzung. Auch alle anderen Darsteller sind bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt worden. Die Verwebungen zwischen dem Geschehen vor und nach dem Schlaganfall sowie einigen Traumsequenzen sind sehr gelungen. Sie harmonieren perfekt miteinander. Der Film besteht aus einem krassen Gegensatz von traurigen und freudigen Szenen, doch das Zusammenspiel klappt. Auch der Soundtrack hat schöne Songs zu bieten wie mit Stücken von U2, Tom Waits und dem wundervollen Song „Pale Blue Eyes“ von The Velvet Underground.

Nun es gibt vielleicht eine Schwachstelle im Film. Der Grund für den Schlaganfall, vom ehemaligen sehr beschäftigten Jean-Dominique, wird nur in Ansätzen gezeigt. Auf seinen stressigen Alltag wird nur sehr wenig eingegangen. Vielleicht war es aber auch die Absicht von Julian Schnabel, gerade darauf nicht so zu beharren und einfach die Folgen dessen aufzuzeigen. Im ganzen kann man sagen ist „Schmetterling und Taucherglocke“ ein aufwühlender, intensiver Film der vor allem durch seine Darsteller und seine sehr innovative Machart besticht. Hoffentlich gibt es in Zukunft noch mehr von autobiografischen Verfilmungen von Herrn Schnabel.

 

 

„Schmetterling und Taucherglocke“; Frankreich, USA (2007); 112 min; D: Julian Schnabel; C: Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Marie-Josée Croze, Anne Consigny, Max von Sydow; M: Paul Cantelon

 

5 von 7 Sternen

Alexander George

Into The Wild

Christopher McCandless (Emile Hirsch) kommt aus einer wohlhabenden Familie. Am Beginn des Films hat er gerade erfolgreich sein Studium beendet. Doch Geld, Besitz und Karriere-orientierter Erfolg interessieren ihn schon seit langem nicht. So beschließt er im Sommer 1990 eine Reise durch die U.S.A zu unternehmen mit dem Ziel Alaska zu erreichen. Während seiner Reise stößt er auf unterschiedliche Menschen und hat viele interessante Erlebnisse.

„Into the Wild“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jon Krakauer. Die Geschichte beruht wiederum auf wahren Begebenheiten! Regisseur Sean Penn inszenierte den Film 2007. Der Film verbindet sehr schön verschiedene Zeitebenen und Passagen aus dem Leben von McCandless. Dabei ist besonders die tolle Montage-Technik hervorzuheben. So kommen Splitscreens zum Einsatz und es werden Videoclip-ästhetische Bilder verwendet. Auch die Idee ab und an die Darsteller in die Kamera schauen zu lassen passt trotz des ernsten Themas und wirkt durchdacht. Sehr gelungen sind die wundervollen Naturaufnahmen mit tollen Panoramen, die durch die erstklassige Kameraarbeit ermöglicht wurden. Besonders die Abschlussball-Szene ist als einer der schönsten Szenen zu benennen: mit brillanter Zeitlupe und faszinierenden Bildern.

Die Story von „Into the Wild“ ist sehr melancholisch und diese Melancholie zieht sich durch den gesamten Film hindurch. Emile Hirsch spielt seine Rolle zwar recht gut, aber es fehlt einfach das gewisse Feingefühl um einen Bezug zu ihm aufzubauen. Er bleibt doch trotz fast 2 ½ Stunden seiner Präsenz etwas blass in seiner Rolle und wirkt auch etwas unsympathisch. Die Eltern von McCandless, gespielt von Marcia Gay Harden und William Hurt, sind hervorragend besetzt. Auch Vince Vaughn sorgt mit seiner Darstellung des Wayne Westerberg für kurzweilige komödiantische Unterhaltung. „Twilight“-Star Kristen Stewart hat ebenfalls einen Auftritt sowie Jena Malone (bekannt z.B. aus „Donnie Darko“). Die Musik stammt aus der Feder des Frontsängers von Pearl Jam: Eddie Vedder. Sie ist sehr stimmungsvoll und passend.

„Into the Wild“ ist ein guter Film mit sehr starken Bildern und einer gelungen Gesamtkomposition. Penn inszeniert mit ruhigen Bildern, lässt sich für die Geschichte und die Entwicklung der Charaktere die nötige Zeit. Der Film macht einen traurig und nachdenklich. Man denkt über unsere gesellschaftlichen Verhältnisse und dessen vorgegeben Strukturen nach, die jeder befolgen „sollte“. „Into the Wild“ ist die Geschichte eines Aussteigers, der sich nicht mit dem System als solches zufrieden geben möchte. Schade nur, dass die emotionale Bindung zum Hauptdarsteller aus der Sicht des Zuschauers fehlt. Das ist der einzige große Minuspunkt des Films.

 

„Into the Wild“; USA (2007); 148 min; D: Sean Penn; C: Emile Hirsch, Marcia Gay Harden, William Hurt, Jena Malone, Kristen Stewart, Vince Vaughn; M: Eddie Vedder

 

4 von 7 Sternen

Alexander George

 

 

Tödliche Versprechen – Eastern Promises

Anna Chitrowa (Naomi Watts) arbeitet in einem Londoner Krankenhaus als Hebamme. Während einer Geburt stirbt eine junge Mutter und hinterlässt ihr Kind. Anna findet bei der Verstorbenen ein Tagebuch, das sie zu einer russischen Mafia-Familie führt. Dort trifft Sie auf den Fahrer Nikolai Luschin (Viggo Mortensen). Schnell begibt sich Anna in Gefahr. Wobei Nikolai der einzige zu sein scheint, der versucht ihr zu helfen.

„Tödliche Versprechen – Eastern Promises“ beinhaltet eine sehr interessante Story, die beim ersten mal Schauen durchaus nicht gleich gänzlich verstanden wird. Die Geschichte gibt einiges her und Regisseur David Cronenberg schöpft das Potenzial der Story auch gänzlich aus. Der interessante Cronenberg, bekannt durch Filme wie „Die Fliege“, “Videodrome“ und „eXistenZ“ arbeitete schon mit Hauptdarsteller Viggo Mortensen bei seinem Film „A History of Violence“ zusammen. Die darstellerische Leistung von Viggo Mortensen ist oscarreif. Schade, denn der Film erhielt bei den Golden Globes 2008 lediglich in drei Kategorien Nominierungen: als bester Film, für die beste Filmmusik und Viggo Mortensen als bester Hauptdarsteller. Auch Naomi Watts und Armin Mueller-Stahl spielen gewohnt gut. Doch Vincent Cassel sticht neben Mortensen besonders hervor. Die gute Darstellung des schmierigen und leicht verrückten Kirills ist brillant.

Weiterhin besticht der Film durch seine ruhige und bedachte Erzählweise. Nicht die Action oder „Ballerei“ sondern die Story und die Entwicklung der Charaktere stehen im Vordergrund. Dazu die gute Arbeit des Stamm-Kameramanns von Cronenberg Peter Suschitzky sowie Komponist Howard Shore. Wenn es aber dann zur Sache geht, dann richtig: Die Kampfszene im Badehaus sorgt für Herzklopfen und Luft anhalten. Sie besticht durch Realismus und Brutalität.

Alles in allem ist „Tödliche Versprechen – Eastern Promises“ ein sehr guter Film, der auch noch zu überraschen weiß. Leider fehlt dem Film jedoch das Gewisse etwas. Was genau kann man gar nicht sagen. Es bleibt nichts so richtig haften und in langer Erinnerung, sonder der Film gerät schnell in Vergessenheit. Vielleicht ist jedoch das auch die gewollte und löbliche Machart von Cronenberg, die daran Schuld ist. Alles in allem lohnt sich das Anschauen jedoch in jedem Falle!

 

„Tödliche Versprechen – Eastern Promises“; UK/CND (2007); 100 min; D: David Cronenberg; C: Viggo Mortensen, Naomi Watts, Armin Mueller-Stahl; Vincent Cassel, Sinéad Cusack, Jerzy Skolimowski; M: Howard Shore

 

 

5 von 7 Sternen

Alexander George

The Departed

Die Polizei kämpft seit Jahren vergebens gegen die irische Mafia in Boston, Massachusetts. Frank Costello (Jack Nicholson), der Mafia Boss, schleust frühzeitig Colin Sullivan (Matt Damon) in die Massachusetts State Police ein. Somit kann er sich aus bester Quelle Informationen beschaffen, um nicht von der Polizei gefaßt und von einem Gericht verurteilt zu werden. Gleichzeitig hat es die Polizei geschafft einen V-Mann in Costellos Reihen zu infiltrieren. Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) wird von Captain Queenan (Martin Sheen) ganz nah in Costellos Verbrecherbande gebracht. Es entwickelt sich ein Katz und Maus-Spiel wobei jeder von den beiden Spitzeln versucht, dass ihre Identitäten nicht ans Tageslicht kommen.

Regie: Martin Scorsese, Kamera: Michael Ballhaus, Schnitt: Thelma Schoonmaker, Musik: Howard Shore, Produzent: u. a. Brad Pitt; Darsteller: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Vera Farmiga und Alec Baldwin. Kann solch eine Starbesetzung überhaupt einen schlechten Film ergeben? Natürlich nicht. Allein der Name Scorsese ist eine Garantie für einen äußerst guten, höchst professionellen und unterhaltenden Film. „The Departed“ glänzt vor allem mit seiner Top-Besetzung, da auch alle ihren Job Top machen! Allen voran die glanzvolle Leistung von Leonardo DiCaprio und Jack Nicholson müssen hier genannt werden. Aber auch alle anderen Haupt- und Nebendarsteller laufen zu Höchstform auf. Bei der teilweisen komplexen Story darf man keine Minute unaufmerksam sein. Ansonsten verliert man schnell den Faden. Dies beschert dem Film die Überschrift: „Anspruchsvoller Blockbuster“ allemal. Scorsese hat aber neben einer tollen Story und den brillanten Darstellern auch noch eine hervorragende Kameraarbeit von Michael Ballhaus und einen vorzüglichen Schnitt anzubieten. Die Bildgestaltung lässt nichts zu wünschen übrig, einfach großartig. Musikalisch wird der Film von Howard Shores spannenden Klängen begleitet und bietet dazu noch eine Menge toller Tracks von den Rolling Stones oder John Lennon an. Anzumerken ist noch, dass „The Departed“ ein Remake des Hongkong-Thrillers „Infernal Affairs“ aus dem Jahr 2002 ist.

Schwierig wird es negative Kritik an diesem Film zu üben. Er ist durchweg unterhaltend, spannend und vor allem darstellerisch bis in die Nebenrollen großartig besetzt. Vielleicht hätte man sich ein, zwei Szenen hinzu gewünscht und ein, zwei hätten gestrichen werden können, um den Fokus auf wichtigere Dinge zu legen. Aber das ist dann schon Kritik auf sehr hohem Niveau und vielleicht auch ungerechtfertigt. „The Departed“ ist ein sehr guter Thriller mit einer Film Noir – Note, teilweise erschreckend brutal, aber auch brutal ehrlich und dadurch authentisch. Sehr sehenswert!!


The Departed“; USA (2006); 149 min; D: Martin Scorsese; C: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Vera Farmiga und Alec Baldwin; M: Howard Shore

 

6 von 7 Sternen

Alexander George

Brügge sehen… und sterben?

Die beiden Auftragskiller Ray (Colin Farrell) und Ken (Brendan Gleeson) sollen in Brügge auf ihren nächsten Auftrag warten. Doch ihr Auftraggeber lässt sich diesmal ganz schön viel Zeit um Sie zu kontaktieren. Während Ken das mittelalterlich-gebliebene Brügge in vollen Zügen genießt, möchte Ray so schnell wie möglich wieder die Stadt verlassen. Als sich Boss Harry (Ralph Fiennes) dann endlich meldet, überschlagen sich die Ereignisse.

Mit seinem ersten Langspielfilm kreierte Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh einen Film zwischen Komödie und Drama. Die beiden Genres stehen im harten Kontrast gegenüber, ur-komisch trifft auf bitterböse, wie man es selten in einem Film gesehen hat. Sehr schön ist dabei die wundervolle Stadt Brügge anzuschauen, die gut in Szene gesetzt wird. Die beiden Hauptdarsteller Colin Farrell und Brendan Gleeson machen ihre Sache sehr gut. Der Film schafft jedoch nicht auf ganzer Linie zu überzeugen. Die Idee lustige Momente so dicht mit traurigen zu verweben oder auch mit merkwürdigen Situation zu paaren, mag einerseits ein sehr guter Einfall sein, wirkt doch andererseits in ihrer Umsetzung etwas zu gegensätzlich um daran wirklich durchgehend Gefallen finden zu können. Einige Figuren wirken etwas zu konstruiert in der Geschichte und lassen den Film in seiner doch sonst überzeugenden Art etwas unrealistisch wirken. Überraschend sind einige wenige kurze Szenen, die sehr brutal sind. Lobenswert ist vor allem die schöne Lichtsetzung in den Straßen von Brügge.

Brügge sehen… und sterben?“ sorgt für nette Unterhaltung, wartet mit einigen Überraschungen auf und bietet gutes Schauspiel an. Sehenswert ist der Film, aber auf jeden Fall nach dem Prinzip: einmal reicht.


Brügge sehen… und sterben?/In Bruges “; UK (2008); 107 min; D: Martin McDonagh; C: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Ralph Fiennes M: Carter Burwell

 

 

3 von 7 Sternen

Alexander George

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