Psycho

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Psycho

Im Jahr 1959 kam Alfred Hitchcocks „North by Northwest“ mit Cary Grant in der Hauptrolle in die Kinos. Der Abenteuerfilm war ein voller Erfolg an den Lichtspiel-Kassen. Die Produktionsfirma MGM war hoch zufrieden und schlug Hitchcock vor, baldigst einen ähnlichen Stoff wieder zu verfilmen.

Aber Hitchcock schwebte nun etwas ganz Anderes vor. Er wollte das Kino-Publikum schockieren. Die Zuschauer sollten während des Films aufschrecken, sogar Schreie ausstoßen. Hitchcock hatte das Buch „Psycho“ von Robert Bloch gelesen, und ihm gefiel was er las. Das war die Geschichte, die er filmisch umsetzen wollte. Doch MGM verweigerte sich. Ein Horror-Film kam für sie nicht in Frage.

So entschied Alfred Hitchcock, den Film selbst zu finanzieren. Am Ende der Dreharbeiten war er um rund 800.000 $ ärmer. Als Darsteller konnte er den Teenie-Schwarm Antony Perkins und die bezaubernde Janet Leigh gewinnen. Letztere war zu diesem Zeitpunkt bereits ein aufstrebender Star in den Vereinigten Staaten.

Damals ahnte niemand, welch einen Erfolg dieser Film haben würde. Er gilt heute als ein wahrer Klassiker der Cinematographie und gehört in die Top-50 der besten Filme aller Zeiten.

Der Film beginnt mit einer Stimme aus dem Off: „PHOENIX, ARIZONA. FRIDAY, DECEMBER THE ELEVENTH, TWO FORTY-THREE P.M.

Dann führt uns der Regisseur auf eine falsche Fährte: Marion hat die Möglichkeit 40.000 $ von ihrem Arbeitgeber zu stehlen. Und sie nutzt diese Gelegenheit und flieht. Auf ihrem Weg nach Kalifornien wird sie abends von einem Sturm überrascht. So entschließt sie sich in „Bates Motel“ zu übernachten. Natürlich nimmt der Zuschauer an, es ginge im Film um diesen Diebstahl und Marions Flucht vor der Polizei. Doch weit gefehlt …….

Die berühmteste Szene dieses Werks ist die Ermordung Marion Cranes unter der Dusche. Sie dauert exakt 45 Sekunden und Hitchcock filmte diese Szene eine Woche lang und schnitt sie aus 78 Kameraeinstellungen schließlich selbst zusammen. Die Nacktszenen wurden mit einem Double gedreht. So stirbt die Hauptdarstellerin bereits nach einem Drittel des Film, und Hitchcock verstieß damit gegen ein ehernes Gesetz Hollywoods. Das hatte es bisher noch nicht gegeben.

Antony Perkins gelang mit „Psycho“ der Durchbruch. Seine Darstellung des schüchternen, freundlichen, leicht stotternden Motel-Betreibers Norman Bates, der sich als treusorgender Sohn seiner Mutter herausstellt, lässt selbst heute noch dem Zuschauer eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Seine Figur beruht auf den Mörder Ed Gein, der mindestens 2 Frauen ermordete; allerdings fand man bei seiner Verhaftung Teile von mindestens 15 anderen Frauenleichen in seinem Haus, deren Ermordung man ihm aber nicht nachweisen konnte. Ed Gein (geb. 1906) war auch das Vorbild für die Figur des Buffalo Bill in „Das Schweigen der Lämmer“ von Jonathan Demme.

[Die Death-Metal-Gruppe ‘Deranged‘ (1974) benannte sich nach dem gleichnamigen Film, der die Geschichte Ed Geins thematisiert. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten an der Dokumentation war Gein noch am Leben; er starb erst 1984 im Alter von 78 Jahren im Central State Hospital, Wisconsin an Krebs.]

Zurück zu „Psycho“: Nach dem ersten Mord wird es noch weitere 70 Minuten dauern, bis die ganze schreckliche Wahrheit ans Licht kommt.

Zweifellos gelang es Hitchcock auf geniale Weise das Drehbuch (von Joseph Stefano, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Robert Bloch) filmisch umzusetzen. Selbstverständlich taucht der Meister auch hier, wie in allen seinen Filmen, in einer kurzen Szene auf.

Der Erfolg von „Psycho“ war riesig und die Faszination hält bis heute an, obwohl das Werk haufenweise Filmfehler aufweist. Die einschlägigen Websites sind voll davon. Trotzdem: „Psycho“ ist eines der besten Werke Hitchcocks und der erste Psychothriller der Film-Historie: er gab quasi einem gesamten Film-Genre den Namen.

Seinen Schauspielern und den Crew-Mitgliedern lies Hitchcock schriftlich verbieten, vor der Premiere das Ende des Films zu verraten. Es drohten hohe Konventionalstrafen. Und es funktionierte. „Psycho“ feierte vor 55 Jahren, am 16. Juni 1960 in New York die Erstaufführung. Das Publikum war geschockt und fasziniert zugleich. Doch unglaublich: bereits drei Jahre später setzte der Star-Regisseur noch eins oben drauf: 120 Minuten Horror und Hochspannung in „The Birds“.

Der Film spielte allein in den USA 32 Mio. $ ein. Er machte Alfred Hitchcock zu einem reichen Mann.

7 Sterne von 7 ★★★★★★★

(Nominiert für 4 Oscars.)

Rick Deckard

Titel: „Psycho“

Herstellung: USA 1960

Länge: 109 Minuten

Regie: Alfred Hitchcock

Darsteller: Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles, John Gavin

Drehbuch: Joseph Stefano (nach dem Roman von Robert Bloch)

Musik: Bernard Herrmann

Kamera: John L. Russell

Schnitt: George Tomasini

Der Richter

Es gibt wundervolle unterhaltende und spannende Gerichtsdramen im Film. Die interessanten spielen sich sämtlich in amerikanischen Gerichten ab. Wer kennt diese Dialoge nicht: „Beantworten Sie die Frage des Staatsanwalts“, „Einspruch Euer Ehren“, „Abgelehnt“, „Euer Ehren, darf ich kurz zum Richtertisch vortreten?“, „Die Frage ist nicht relevant“ etc. Herrlich.
Die vielleicht berühmtesten sind „Die 12 Geschworenen“ („12 Angry Men“) (1957) mit Henry Fonda unter der Regie von Sidney Lumet und „Anatomy of a Murder“ (1959) mit James Stewart als dem jungen Verteidiger, mit Lee Remick, und George C. Scott als Staatsanwalt, unter der Regie von Otto Preminger.

Jetzt könnte ein weiteres Werk dazukommen.

Richter Joseph Palmer (Robert Duvall) ist ein ein erfahrener Mann. Hart und unmissverständlich, aber immer gerecht, fällt er seine Urteile. Als seine Frau stirbt, sind nicht nur die beiden Söhne, die in derselben Kleinstadt in Indiana leben, gefragt, sondern auch der ungeliebte Sohn wird von der bevorstehenden Bestattung unterrichtet. Hank Palmer (Robert Downey Jr.) ist Staranwalt in Chicago, besitzt ein tolles Haus, ist verheiratet mit einer hübschen Frau, hat mit ihr eine süße kleine Tochter, ist Besitzers eines Ferraris, der in der Garage zu Hause auf ihn wartet. Durch einen Streit vor vielen Jahren hatten er und sein Vater keinerlei Kontakt mehr zueinander. Und auch die gemeinsamen Tage vor, während und nach der Beisetzung der geliebten Mutter sind von gegenseitiger Ignoranz und kleineren Streitigkeiten geprägt.

Auf seiner Rückreise, kurz vor dem Abflug nach Chicago erhält Hank die Nachricht: sein Vater wurde soeben verhaftet – unter Mordverdacht! Er kehrt zurück in sein Elternhaus und bietet seinem Vater die Verteidigung an. Nach vielem hin und her willigt dieser endlich ein.

Wird die Wahrheit ans Licht kommen? Kann ein Richter, der 42 Jahre für Recht und Gerechtigkeit eintrat, ein eiskalter Mörder sein?

Robert Duvall erhielt zu Recht eine Oscar-Nominierung für diese Rolle. Denn das Drama zwischen diesen beiden dickköpfigen Männern findet im Gerichtssaal und zuhause statt.
Da hören sich 141 Minuten vielleicht langatmig an; aber keineswegs. Die Geschichte wird spannend erzählt, die Dialoge sind geschliffen und bringen den Zuschauer Schritt für Schritt auf die Fährte des Verbrechens und auch auf die Hintergründe des Zerwürfnisses zwischen Vater und Sohn. Ein Gerichts- und ein Familiendrama aller erster Güte.

Und Spannung bis zum Showdown – zwischen Staatsanwalt Dwight Dickham (Billy Bob Thornton – glänzend, aalglatt und subtil gespielt), dem Angeklagten Joseph und seinem Verteidiger und Sohn Hank.

Erwähnenswert auch die Leistung von Vera Farmiga als Ex-Freundin, Vincent D’Onofrio als der ältere Bruder von Hank, der noch eine ganz besondere Vergangenheit mit Hank hat und Jeremy Strong, der jüngste Bruder, dessen intellektuellen Fähigkeiten eingeschränkt sind. Aber von allen in der Familie liebevoll umhegt wird.
Ein Kurzauftritt von Denis Ô’Hare („Michael Clayton“, „Milk“, „Dallas Buyers Club“).

Eine sehr gute Leistung des jungen Regisseurs David Dobkin, der bisher eher mit durchgeknallten Komödien auffiel.
Unverkennbar die stimmungsvolle Musik von Thomas Newman; mit hohem Wiederkennungswert. Unverwechselbar.

Nicht unerwähnt sollte der erfahrene polnische Kameramann Janusz Kaminski bleiben! Wundervolle Bilder, die er uns dort präsentiert. (Oscar-Gewinn für „Schindlers Liste“.)

Ein runder, unterhaltender, spannender Film, den man weiterempfehlen kann, nein muss.

5,5 von 7 Sternen

Rick Deckard

Titel: „Der Richter“ (org.: „The Judge“)
Herstellung: USA 2014
Länge: 141 Minuten
Regie: David Dobkin
Darsteller: Robert Downey Jr., Robert Duvall, Vera Farmiga, Billy Bob Thornton, Vincent D’Onofrio, Jeremy Strong, Denis O’Hare
Drehbuch: Nick Schenk, Bill Dubuque
Musik: Thomas Newman
Kamera: Janusz Kaminski
Schnitt: Mark Livolsi

Alles eine Frage der Zeit

Tim Lake (Domhnall Gleeson) ist ein junger Mann, der mit seinen Eltern und seiner Schwester Kit Kat in Cornwall lebt. An seinem 21. Geburtstag eröffnet ihm sein Vater das Familiengeheimnis: die männlichen Mitglieder der Familie besitzen die Fähigkeit in der Zeit zurückzureisen. Aber, so Tims Vater, er möge das nicht dazu nutzen vermögend oder berühmt zu werden; das würde nur in einem Desaster enden. Und auch über den Butterfly-Effect sprechen die beiden. So nutzt Tim diese Fähigkeit zumindest um sein Liebesleben aufzubessern.
Aber alles ändert sich, als er in einem „Dinner-in-the-Dark“-Restaurant in London Mary trifft. Und die Dinge werden nicht einfacher ……

Auch wenn hier natürlich nicht alles logisch, erklärbar und nachvollziehbar ist: Richard Curtis, der auch bei „Love Actually“ Regie führte, schuf eine bezaubernde Komödie. Berührend, reizvoll; zum Schmunzeln und mit ernsten Momenten.

Tims Vater wird elegant und sympathisch gespielt von Bill Nighy.

Der Tim Lake-Darsteller Domhnall Gleeson machte als Teenager bereits mit „Never let me go“ und den „Harry Potter“-Filmen auf sich aufmerksam. In „Anna Karenina“ heiratet er die bezaubernde Kitty, gespielt von Alicia Vikander; beide konnten wir kürzlich erneut gemeinsam erleben in hervorragenden „Ex Machina“. Demnächst sehen wir Domhnall auf der Leinwand in „Star Wars VII“!
Der Vater des Iren ist der Schauspieler Brendan Gleeson.

Komplettiert wird diese Produktion durch die hinreißende Rachel McAdams als Mary. Kürzlich war sie zu sehen in „A Most Wanted Man“ neben Philip Seymour Hoffman und in dem neuen Wim Wenders-Werk „Everything Will be Fine“ mit James Franco. Sie spielt eine der Hauptrollen in der 2. Staffel der HBO-Serie „True Detective“ mit Colin Farrell und Vince Vaughn.

Neben der sehr hübsch erzählten Geschichte, den tollen Schauspielern und der englischen Kulisse fällt der exzellente Soundtrack auf. Dazu beigesteuert haben u. a. Ben Folds, Groove Armada, The Cure, Ron Sexsmith und The Killers.

Production-Designer war John Paul Kelly, der nach „About Time“ bei „The Theory of Everything“ arbeitete. Gedreht wurde übrigens in Cornwall und an vielen Ecken Londons, u. a. auch in der Abbey Road!

Gemütlicher Abend zu zweit?: diesen Film schauen. Für alle Leute die „Love Actually“ und „Notting Hill“ mochten.
Zitat aus IMDb: „A witty, intelligent, charming, sweet film with surprising depth and heart“.

Noch eine Randnotiz: Außerhalb Englands und den USA war „About Time“ in Südkorea ein Riesenerfolg: mehr als 3 mio. Zuschauen sahen den Film dort im Kino. Der Streifen spielte 23 mio. $ ein und war damit eine der erfolgreichsten Komödien Koreas.

5 von 7 Sternen ★★★★★

Rick Deckard

Titel: „Alles eine Frage der Zeit“ (org.: „About Time“)
Herstellung: USA 2013
Länge: 123 Minuten
Regie: Richard Curtis
Darsteller: Domhnall Gleeson, Rachel McAdams, Bill Nighy, u.v.a. (IMDb listet 120 Sprechrollen auf!)
(In seinem letzten Film: der 2013 gestorbene Richard Griffiths, bekannt aus der „Harry- Potter-Reihe)
Drehbuch: Richard Curtis
Musik: Nick Laird-Clowes
Kamera: John Guleserian
Schnitt: Mark Day

Inherent Vice

L.A. in den frühen 1970 Jahren. Privatdetektiv Larry „Doc“ Sportello (Joaquin Phoenix) wird von seiner Ex-Freundin Shasta (Katherine Waterston) gebeten zu untersuchen ob ein Komplott gegen ihren neuen Liebhaber und Milliardär Mickey Wolfmann (Eric Roberts) geplant ist. Schon kurz nach ersten Ermittlungen verschwindet Wolfmann. Schnell gerät Doc in einen Strudel von undurchschaubaren Ereignissen, wobei Polizei-Freund/Feind Christian „Bigfoot“ Bjornsen (Josh Brolin) ihm die Ermittlungen nicht gerade einfacher macht…

„Inherent Vice“ (dt. „Natürliche Mängel“) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Pynchon (die Zeitschrift der „Stern“ sagt: „…des größten amerikanischen Autors der Gegenwart…“). Regisseur Paul Thomas Anderson, bekannt unter anderem für „Magnolia“, „There Will Be Blood“ oder „The Master“, hat auch das Drehbuch zu dem Film verfasst und dafür eine Nominierung bei den Oscars 2015 in der Kategorie „Bestes Adaptiertes Drehbuch“ erhalten. Zu Recht, denn um einen Pynchon Roman zu verfilmen gehört schon allerhand. Anderson gelingt es das fast 500-Seitige Werk in 2 ½ Stunden geschmeidig auf die Leinwand zu transferieren. Bei der Komplexität der Geschichte und der Figuren wahrlich kein leichtes Unterfangen. Trotz seiner vielen großartigen Schauspieler, allen voran Joaquin Phoenix (die Rolle scheint ihm quasi auf den Leib geschrieben) sowie Josh Brolin, Owen Wilson, Reese Witherspoon, Benicio del Toro, Jena Malone und Eric Roberts, bleibt der Film in der Kategorie Arthouse-Film (zum Glück!!). „Inherent Vice“ ist so gut inszeniert worden, dass es tatsächlich so wirkt als sei er in den 1970 Jahren gedreht worden. Die tolle Musik und das Kostümdesign (ebenfalls oscarnominiert) verleihen dem Film die nötige Authentizität. Anderson verwendet immer wieder ein interessantes Stilmittel, indem eine beginnende Totale sich langsam zu einer Nahaufnahme annähert. Die Dreharbeiten waren angeblich sehr chaotisch (laut Aussage von Jena Malone und Josh Brolin). Das passt jedoch nur zu gut zu dem Film und seiner durchgedrehten Story.

„Inherent Vice“ zeigt Hippies, viel Drogenkonsum und hat sehr, sehr witzige Momente. Trotzdem kann man ihn weder mit „The Big Lebowski“ noch mit „Fear and Loathing in Las Vegas“ vergleichen. Er wirkt ganz anders auf den Zuschauer, gelassener. Regisseur Anderson versteht sein Handwerk und legt keinen Wert auf Hollywood-Glamour. Dafür dreht er unglaublich gute, solide Filme, die man mehrmals schauen muss um alles verstehen und erkennen zu können. Zwar hat „Inherent Vice“ stellenweise seine Längen, diese sind jedoch sicherlich gewollt um die komplexe Geschichte etwas Ruhe zu verleihen. Ein toller Film, nicht nur für die Cineasten unter uns.

 

6 von 7 Sternen ★★★★★★

Alexander George

 

Titel: „Inherent Vice“
Herstellung: USA 2014
Länge: 149 Minuten
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Joaquin Phoenix, Josh Brolin, Owen Wilson, Reese Witherspoon, Benicio del Toro, Jena Malone, Eric Roberts
Drehbuch: Paul Thomas Anderson
Musik: Jonny Greenwood
Kamera: Robert Elswit
Schnitt: Leslie Jones

ParaNorman

Der elfjährige Norman lebt, zusammen mit seiner Familie, in einer kleinen Stadt in Massachusetts. Norman besitzt die Fähigkeit, tote Menschen zu sehen und mit ihnen zu sprechen. Zum Beispiel mit seiner verstorbenen Großmutter und mit vielen anderen ehemaligen Bewohnern des Ortes. Leider glaubt ihm das niemand, auch nicht seine Eltern und seine Schwester; von seinen Schulkameraden wird er wegen seiner „Verrücktheit“ gar gehänselt. Nur der dicke Neil glaubt Norman und ist geradezu fasziniert von dieser Fähigkeit.

Schließlich warnt der Onkel von Normans Mutter ihn vor einem Fluch, der über der Stadt läge. Und plötzlich ist der verschmähte und verlachte Junge der Einzige, der die Bewohner retten kann.

Bei dieser sehr hübschen Geschichte fällt einem natürlich sofort „The Sixth Sense“ ein. Die Erlebnisse von Norman, seinem Freund Neil und der Familie sowie allen Bewohnern der kleinen Stadt Blithe Hollow (frei übersetzt etwa: Fröhliche Höhle) ist der immerwährende Kampf zwischen Gut und Böse. Und vom Glauben an Vertrauen und Freundschaft. Mit sehr liebevollen Figuren, die diesen Animationsfilm (Stop-Motion-Technik) sehenswert machen.

Hier einige herrliche Zitate aus dem Film:

Meinst du die fressen mein Gehirn?“ – „Keine Angst, da besteht bei dir keine Gefahr.“

Ich liebe ihn wie einen Bruder.“ – „Er ist dein Bruder.“

Ich habe das ganze Buch durchgelesen! Es hatte 26 Seiten.“

Sie zu ihm, schmachtend: „Wollen wir mal zusammen ins Kino gehen?“ Er: „Oh ja, da nehme ich meinen Freund mit; der mag Mädchen-Filme.“

Der Film steckt voller Komik und bietet einen tollen Wortwitz. Dank an den Script-Schreiber Chris Butler, der auch die Regie führte. Er arbeitete u. a. bereits am Animationsfilm „Coraline“ mit. Und Achtung: den Film unbedingt bis zum Schluss ansehen!

Die Sprecher in der Original-Version sind z. B. Anna Kendrick, Casey Affleck und John Goodman, sowie der junge Kodi Smit-McPhee, der in „The Road“ den Sohn von Viggo Mortensen sehr beeindruckend spielte. (Anm.: Die Kinder-TV-Serie „Maja, die Biene“ ist vielen von uns noch gut in Erinnerung. Gerade entsteht in Bulgarien für das Kinopublikum ein animierter Film mit diesen Charakteren, in dem Smit-McPhee den Freund Willy sprechen wird!)

Einer der schönsten, berührendsten und lustigsten Animationsfilme der letzten Jahre. Sehr empfehlenswert. Und 2013 geehrt mit einer Oscar-Nominierung.

 

5 ½ Sterne von 7 ★★★★★ ½★

Rick Deckard

 

Titel: „ParaNorman“

Herstellung: USA 2012

Länge: 92 Minuten

Regie: Chris Butler, Sam Fell

Sprecher: Anna Kendrick, Casey Affleck, Kodi Smit-McPhee, John Goodman, u.v.a.

Drehbuch: Chris Butler

Musik: Jon Brion

Kamera: Tristan Oliver

Schnitt: Christopher Murrie

Gewann als „Best Animated Film“ bei den ‚Chicago Film Critics Association Awards‘ 2012, u. a.

Les Misérables (Die Elenden)

Mit der Lebensgeschichte des Jean Valjean, der mit jungen Jahren ein Brot stahl und dafür 19 Jahre im Gefängnis einsaß, der dann ein reicher und herzensguter Mann wurde und das kleine Mädchen (Cosette) einer verstorbenen jungen Frau bei sich aufnahm und sie wie seine eigene Tochter großzog, und der der lebenslangen Verfolgung und Bedrohung durch den Inspektor Javert ausgesetzt war, schrieb Victor Hugo im Jahre 1862 einen Roman der Weltliteratur. Diese Geschichte rührt jeden an, ist spannend, faszinierend und zuletzt auch traurig. Sie spielt im Frankreich des 19. Jahrhunderts mit dem Pariser Juniaufstand (1832) als Höhepunkt.

Der Stoff wurde sehr oft verfilmt, das erste Mal 1907! Die bekanntesten Versionen sind der Film mit Jean Gabin (1958) sowie die TV-Miniserie mit Gérard Depardieu (2000).

Im September 1980 wurde das Buch erstmals als Musical aufgeführt (Premiere in Paris) und sollte als eines der beliebtesten und erfolgreichsten Musicals in die Geschichte eingehen. 32 Jahre später verfilmte der Regisseur Tom Hooper mit den Schauspielern Hugh Jackman, Russell Crowe und Anne Hathaway in den Hauptrollen eben diese Vorlage. Das Besondere: im Gegensatz zu vorherigen Musical-Adaptionen mussten hier die Akteure während der Filmaufnahmen live singen! Ein Playback-Verfahren gab es nicht.

Entstanden ist die vielleicht beste Musical-Verfilmung je. Entzückend Anne Hathaway als Fantine, wofür sie vollkommen zu Recht einen Oscar als beste Nebendarstellerin erhielt. Gleichzeitig spielt Hugh Jackman höchst beeindruckend; mit kräftiger Stimme singt er seine Parts und weiß auch sonst zu überzeugen. Last, not least, Russell Crowe als Javert in einer seiner besten Rollen der letzten Jahre.

Ebenso bemerkenswert spielen Amanda Seyfried (Cosette), Sacha Baron Cohen (Thénardier), Helena Bonham Carter (Madame Thénardier), Eddie Redmayne (Marius) und (!) zauberhaft Samantha Barks (Éponine).

Entstanden ist ein tolles Stück Musik-Theater. Nicht zuletzt wegen einer gekonnten Kameraführung (Danny Cohen, zuletzt mit „The King’s Speech“ erfolgreich), einem hervorragenden Filmschnitt, gutem Sound (Oscar-prämiert) und tollen Kostümen und einem sagenhaften Make-up (ebenfalls ein Oscar-Preis!).

158 Minuten Hollywood-Traumfabrik, die den Zuschauer zu fesseln wissen, denn die Geschichte nimmt jeden vollkommen gefangen. Große Gefühle, herrliche Bilder aus Paris und nicht zuletzt die Musik des Komponisten Claude-Michel Schönberg.

Unbedingt sehenswert! Ein Meisterwerk der Musical-Verfilmungen und vollkommen zu Recht mit acht Oscar-Nominierungen belohnt.

6 von 7 Sternen ★★★★★★

Rick Deckard

 

Titel: „Les Misérables“

Herstellung: USA 2012

Länge: 158 Minuten

Regie: Tom Hooper

Darsteller: Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway, Amanda Seyfried, Sacha Baron Cohen, Helena Bonham Carter, Eddie Regmayne, Samantha Barks u.v.a. (über 200 Schauspieler für Sprech- und/oder Singrollen!)

Drehbuch: William Nicholson, Alain Boublil, Claude-Michel Schönberg und Herbert Kretzmer; nach einem Roman von Victor Hugo

Musik: Claude-Michel Schönberg

Kamera: Danny Cohen

Schnitt: Chris Dickens und Melanie Oliver

Somewhere

Der junge Hollywood Star Johnny Marco (Stephen Dorff) ist des Star-Lebens schon überdrüssig. Er vertreibt sich seine Freizeit mit vielen Frauen, seinem Ferrari und Alkohol. Als plötzlich seine Tochter Cleo (Elle Fanning) unerwartet für ein paar Tage zu ihm zu Besuch kommt, entdeckt er eine ganz andere Seite seines Lebens…

„Somewhere“ erinnert von der Machart stark an Sofia Coppolas ersten großen Erfolg „Lost in Translation“. Die langen Einstellungen und die stille Melancholie wirken noch sehr lange nach. Der Film spiegelt die Themen Einsamkeit und Langeweile durch den Haupt-Protagonisten auf eine großartige Weise wieder. Das Zusammenspiel der Schauspieler Stephen Dorff und Elle Fanning (die jüngere Schwester von Dakota Fanning) ist sehr eindrucksvoll. Hinzu kommt der schöne Soundtrack mit Liedern von Phoenix, Bryan Ferry, T.Rex und vielen mehr. Er kommt zwar nicht ganz an den Soundtrack von „Lost in Translation“ ran, aber fast! Die Musik ist hervorragend auf die Bilder abgestimmt, einer der großen Stärken dieser beeindruckenden Regisseurin.

Auch wenn „Somewhere“ nicht so tiefgründig ist wie manch anderes Werk von Frau Coppola, er erzählt doch wunderbar die Geschichte eines gelangweilten Stars in schönen Bildern und mit toller Musik. Durch die spezielle Machart entwickelt er eine Sogwirkung in das Geschehen hinein. Ein sehenswerter Film, den aber wohl eher die Cineasten als den normalen Mainstream-Zuschauer ansprechen wird. Auf den Filmfestspielen von Venedig 2010 erhielt „Somewhere“ übrigens den Goldenen Löwen.

P.S. Es kommt ein cooler Kurzauftritt eines Schauspielers in dem Film vor (Cameo). Wer das ist, möchten wir an dieser Stelle aber nicht verraten!

4 von 7 Sternen

Alexander George

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Titel: „Somewhere“

Herstellung: USA 2010

Länge: 98 Minuten

Regie: Sofia Coppola

Darsteller: Stephen Dorff, Elle Fanning, Chris Pontius, Laura Chiatti, Lala Sloatman,

Ellie Kemper, Michelle Monaghan

Drehbuch: Sofia Coppola

Musik: Phoenix

Kamera: Harris Savides

Schnitt: Sarah Flack

Elysium

Werte Leserin und Leser, wissen Sie wie lange sich 109 Minuten anfühlen? Ich meine nicht die knapp 2 Stunden, die Sie in einer Abflug-Lounge auf das Boarding Ihres verspäteten Fluges warten. Sondern ich meine genau die 109 Minuten im Kino-Sessel, die Sie zusammen mit Matt Damon erleben, und mit ihm durch die Hölle gehen, in einem rasanten, actionreichen SF-Thriller der etwas anderen Art.

Max (M. Damon) wächst als Waisenkind bei katholischen Nonnen auf. Dort trifft er auch auf Frey ([als Erwachsene]: Alice Braga), die er jedoch wieder aus den Augen verliert. Trotz der liebevollen Erziehung wird Max schnell kriminell und landet schließlich im Gefängnis.

Unsere Achterbahnfahrt mit Max beginnt dann in 2154. Los Angeles ist alt, dreckig, stinkt und versinkt im Chaos. Durchaus vergleichbar mit dem LA des „Blade Runners“ (dessen Geschichte in 2019 spielt!). Max ist auf Bewährung raus aus dem Knast und hat einen Job in einer Fabrik für Roboter gefunden. Aber er ist, sagen wir mal, ‚unangepasst‘ und legt sich auch schon mal grundlos mit zwei Polizei-Robotern an der Bushaltestelle an. So landet er bei seinem „Bewährungshelfer“ (ebenfalls ein Androide), begegnet diesem mit einer gehörigen Portion Respekt und Sarkasmus, und dieser brummt ihm dann prompt eine 6monatige Verlängerung der Bewährung auf. Zu den schweren Jungs aus alten Zeiten pflegt Max immer noch Kontakt. Man kann ja nie wissen……

Hoch über der kaputten, alten Erde schwebt Elysium. Eine Weltraumstation, in der Friede und Sicherheit, Wohlstand und Wohlergehen herrschen. Hier wohnen nur die Schönen und Reichen. Krankheiten, sollte man tatsächlich einmal krank werden, was hier höchst unwahrscheinlich ist, werden schnell zu Hause in einem beeindruckenden Apparat behoben. Egal welche. Versuche von „Erden-Bewohnern“ illegal einzureisen (Flugzeit LA nach Elysium beträgt 20 Minuten) werden strikt unterbunden: herannahende Fluggeräte werden einfach abgeschossen.

Als Max bei einem Arbeitsunfall verstrahlt wird und nur noch 5 Tage zu leben hat, beschließt er auf Biegen und Brechen nach Elysium zu fliegen! Seine einzige Chance zu überleben. Aber dies ist leichter gesagt als getan, und so schmiedet er, mit Hilfe seines alten Gangster-Boss‘ Spider (Wagner Moura) und seinem Freund Julio (Diego Luna) einen verwegenen Plan.

Ein Vorhaben ganz anderer Natur verfolgt auf Elysium gerade die Verteidigungs-Ministerin Delacourt (Jodie Foster). Sie ist kalt, zynisch und machtgierig.

Und so nehmen die Dinge ihren sehr rasanten Verlauf.

Neill Blomkamp hat einen beeindruckenden spannenden, ja einen klugen SF-Film inszeniert. Dass die Tricktechnik uns heute alle nur noch in Staunen versetzt ist hinlänglich bekannt. Aber das schäbige, versiffte LA im 22. Jahrhundert so einzufangen ist einfach großartig. Zum Teil drehte er diese Szenen auf einer gigantischen Müllhalde in Mexico. Dagegen erinnert die heile Welt von Elysium verblüffend an Celebration in Florida.

Der junge Regisseur hält uns, den Amerikanern und Kanadiern, den Europäern und Australiern, gekonnt den Spiegel vor. Schotten wir uns nicht genau so von der Dritten Welt jeute schon ab? Von den Menschen in Latein-Amerika, Afrika und Süd-Asien? Die 3144 km lange Grenze zwischen den USA und Mexiko wird seitens der Amerikaner streng bewacht, und zwar Tag und Nacht. Eindringlinge werden aufgegriffen und zurückgeschickt. Ein „Schutz-Zaun“ von einer Länge von (bisher) unglaublichen 1125 km wurde gebaut. Und verhalten wir uns in Europa gegenüber den Asylsuchenden nicht ganz ähnlich? Neill Blomkamp hat ein feines Gespür für brennende Themen unserer Zeit. Das hatte er schon mit seinem Überraschungserfolg „District 9“ in 2009 unter Beweis gestellt.

Matt Damon kann spielen wen er will – irgendwie findet man ihn immer sympathisch. Und Jodie Foster brilliert als eiskalte bösartige Politikerin. Den aalglatten ausbeuterischen Konzernchef John Carlyle spielt William Fichtner. Und der Erzschurke Kruger wird verkörpert von Sharlto Copley, der bereits in „District 9“ mitwirkte.

Wie gesagt: spannende 109 Minuten, die wie im „Fluge“ (Achtung: Wortwitz!) vergehen.
Und um auf meinen Eingangssatz zurück zu kommen: hiermit unterstreiche ich meine Forderung, auf neuen modernen Flughäfen in den Abflugbereichen Kino-Säle vorzusehen, für den Fall, dass Ihr Flug einmal wieder verspätet ist, oder auch für Transit-Passagiere, die mehrere Stunden auf ihren Anschlussflug warten müssen. (Hallo Herr Gerkan, lesen Sie unsere Seite?).

 
5 rasante Sterne von 7 ★★★★★
Rick Deckard

Titel: „Elysium“
Herstellung: USA 2013
Länge: 109 Minuten
Regie: Neill Blomkamp
Darsteller: Matt Damon, Jodie Foster, Alice Braga, Sharlto Copley, Diego Luna, u.v.a.
Drehbuch: Neill Blomkamp
Musik: Ryan Amon
Kamera: Trent Opaloch
Schnitt: Julian Clarke u. Lee Smith

Another Earth

Rhoda (Brit Marling) ist jung, fröhlich, unbesorgt und intelligent. Gerade hat sie erfahren, dass sie die Zulassung als Studentin am MIT erhält und feiert ausgelassen mit ihren Freunden. Es wird gelacht, getanzt und der Alkohol fließt. Dann setzt sich Rhoda für die Heimfahrt in ihr Auto – und verursacht ein schreckliches Unglück: durch Unachtsamkeit rammt sie den Wagen einer jungen Familie. Die schwangere Mutter und der kleine Sohn sind sofort tot, der Vater überlebt nur schwer verletzt und liegt für Wochen im Koma.

Da sie zum Zeitpunkt des Unfalls noch minderjährig war, war die Gerichtsverhandlung nicht öffentlich und ihr Name wurde auch nicht bekannt gegeben. Jetzt, 4 Jahre später, wird sie aus der Haft entlassen. Sie zieht wieder bei ihren Eltern ein und nimmt einen Job als Hausmeisterin an der lokalen Schule an.

Zufällig erfährt sie wo der Vater, dessen Leben sie zerstört hat, lebt und beschließt zu ihm zu gehen …

Während alles dies passiert erscheint am Himmel ein Planet. Es ist eine exakte Kopie unserer Erde. Dieselben Berge, Flüsse, Meere und – darüber hinaus – dieselben Städte, Dörfer, Brücken und Straßen. Bald können Wissenschaftler Kontakt aufnehmen und müssen zum großen Entsetzen feststellen, dass es auf „Erde 2“ auch genau dieselben Menschen gibt wie hier. Erde 2 ist eine exakte Kopie unserer Welt. Ein beunruhigender Gedanke.

Geduldig, mit fast quälender Ruhe und Langsamkeit, erzählt der Film von Schuld und der Sehnsucht nach Vergebung. Brit Marling in ihrem ersten großen Spielfilm überzeugt eindrucksvoll. Lange hat man nicht eine solche unendliche Traurigkeit in einem Gesicht gesehen; vielleicht zuletzt in „21 Grams“ bei Naomi Watts. Und als ‚Gegenspieler‘ von Rhoda der Komponist und Uni-Professor John Burroughs, gespielt von William Mapother, der bis zu diesem Streifen hauptsächlich in TV-Serien auftrat (z. B. als Ethan Rom in „Lost“; allerdings hatte er auch schon kleinere Rollen in Filmen wie „Magnolia“, „Mission Impossible“, „Minority Report“; alles Filme mit Tom Cruise!). Von dem furchtbaren Ereignis gezeichnet, ohne Perspektive, mut- und willenlos – so gleitet er irgendwie durchs Leben.

Und alles – Rhoda, William, und das Unglück – gab und gibt es auch auf „Erde 2“?! Was passiert wenn man sich dort selbst begegnete?

Mike Cahill schrieb, gemeinsam mit Brit Marling, das Drehbuch und führte Regie. Diese deprimierende Stimmung über die gesamte Länge des Films, mit Ausnahme der ersten Minuten, hinzubekommen ist schon einmal eine Leistung! Cahill überließ hier nichts dem Zufall: er stand an der Kamera und führte später den Schnitt durch.

Besonders die Kameraeinstellungen berühren, da sie uns die Gesichter ganz nah betrachten lassen. Mehr als einem manchmal lieb sein könnte beobachtet die Kamera jede Regung, jede Mimik. Unerbittlich sehen wir den Schmerz und die Melancholie jedes Einzelnen. Man möchte sich losreißen von diesem voyeuristischen Blicken, aber man kann nicht. Dazu kommen viele schnelle Schnitte.

Also: Regie, Kamera, Schnitt und Musik sind stimmig, aus einem Guss.

Und trotzdem, was vielleicht nahe läge, wird der Film nie kitschig oder sentimental. Es ist einfach eine traurige Stimmung, die das gesamte Werk durchwebt. Düster, traurig, verstörend. Nichts für schwache Gemüter. Kein Horrortrip, aber extrem depressiv. Und alles in betörenden Bildern, an denen man sich nicht satt sehen mag.

Es muss noch eine anrührende Neben-Geschichte vom Putzmann in der Schule erwähnt werden. Wundervoll.

Und zuletzt ein interessantes Ende.

Cahill produzierte den Film mit einem Budget von 200.000 $. Er drehte in seiner Heimat New Haven (Connecticut). Dort konnte er günstig sein früheres Heim nutzen. Freunde, Nachbarn und Bekannte überredete er zur Mitarbeit vor und hinter der Kamera. Der Hauptdarsteller W. Mapother erhielt lediglich 100 $ Gage täglich. Und deshalb fehlen Spezialeffekte fast komplett.

Durchaus sehenswert, wenn man nicht an Depressionen leidet.

4 ½ Sterne von 7 

Rick Deckard

 

Titel: „Another Earth“

Herstellung: USA 2011

Länge: Mike Cahill

Darsteller: Brit Marling, William Mapother, Jordan Baker

Drehbuch: Mike Cahill und Britt Marling

Musik: Fall on Your Sword

Kamera: Mike Cahill

Schnitt: Mike Cahill

Miss Pettigrew Lives for a Day

Miss Pettigrew (Frances McDormand), eine etwas in die Jahre gekommene, nicht sehr hübsche Dame, arbeitet Anfang der 30er Jahre als Haushälterin bei wohlhabenden Londoner Familien. Bei der Formulierung ihrer eigenen Meinung ist sie durchaus nicht immer zurückhaltend, was die eine oder andere Arbeitgeberin sehr befremdlich findet und Pettigrew daraufhin feuert. Und das geschieht oft. So auch heute. Sie hat nur das, was sie auf dem Leib trägt, muss in der öffentlichen Suppenküche essen und verfügt auch über keine Wohnung. So geht also diese bemitleidenswerte Person erneut zur Job-Agentur, die sich jedoch strikt weigert, ihr eine neue Anstellung zu vermitteln.

Indes, noch dort im Büro erfährt Pettigrew zufällig von einer Arbeitsmöglichkeit bei Miss Delysia (Amy Adams). Kurzentschlossen klingelt sie dort um 10 Uhr an der Haustür. Und Delysia öffnet. Beide wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die nächsten 24 Stunden sich alles, aber wirklich alles in ihrem Leben ändern wird. Und das wird uns auf höchst amüsante Weise dargeboten.

Zunächst einmal prallen zwei Welten aufeinander: Miss Pettigrew, vom Leben gezeichnet, verhärmt, enttäuscht und traurig. In einem alten unansehnlichen Kleid und ihrem einzigen Paar Schuhe. Dagegen das hoffnungsvolle Sängerin-Talent Delysia, lustig, fröhlich, sexy, quirlig und völlig desorganisiert. Aber sehr süß. Was auch die Londoner Männerwelt so sieht.

England selbst steht kurz vor dem Eintritt in den 2. Weltkrieg. Der Hintergrund ist also eher dramatisch. Das tut dieser Komödie aber keinen Abbruch. Im Gegenteil – man gewinnt den Eindruck, die High Society will vor dem kommenden Grauen noch einmal so richtig „die Sau rauslassen“. Und in diesen Strudel geraten unsere beiden liebenswerten Hauptakteure unweigerlich hinein.

Eine knuddelige, hübsche Amy Adams, vielleicht etwas zu hyperaktiv. Eine wundervolle Frances McDormand, die offensichtlich Spaß an dieser Rolle hatte. Und zwei Gentlemen „à la bonne heure“: Ciáran Hinds und Lee Pace.

Das Drehbuch lässt uns also an genau diesen 24 Stunden teilhaben. Beeindruckt wurde der Autor von den langen geschickten Kamerafahrten durch den erfahrenen John de Borman, der bereits für Werke wie „Serendipity“, „Hamlet“ (die Version von 2000 mit Ethan Hawke und Kyle MacLachlan) und (u.a.) „Shall We Dance?“ mit Richard Gere die Kamera bediente. Ein schicke, schmissige Musik. Und eine gelungene Inszenierung durch Bharat Nalluri.

Ein wenig „hässliches Entlein“, und etwas Unterweisung über die wahren Werte des Lebens.

Ein kleiner, spritziger Feel-good-Movie wie ein Glas Prosecco an einem Sommerabend auf dem Balkon.

4 Sterne von 7 ★★★★

Rick Deckard

„Bharat Nalluris pointierte Sittenkomödie gehört zu den übersehenen Kleinoden des Kinos der vergangenen Jahre.“  (Sascha Westphal, epd-Film 2/14)

 

Titel: „Miss Pettigrew Lives for a Day“

Herstellung: USA 2008

Länge: 92 Min.

Regie: Bharat Nalluri

Darsteller: Frances McDormand, Amy Adams, Ciáran Hinds, Lee Pace

Drehbuch: David Magee u. Simon Beaufoy nach dem Roman von Winifred Watson

Musik: Paul Englishby

Kamera: John de Borman

Schnitt: Barney Pilling

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