Another Earth

Rhoda (Brit Marling) ist jung, fröhlich, unbesorgt und intelligent. Gerade hat sie erfahren, dass sie die Zulassung als Studentin am MIT erhält und feiert ausgelassen mit ihren Freunden. Es wird gelacht, getanzt und der Alkohol fließt. Dann setzt sich Rhoda für die Heimfahrt in ihr Auto – und verursacht ein schreckliches Unglück: durch Unachtsamkeit rammt sie den Wagen einer jungen Familie. Die schwangere Mutter und der kleine Sohn sind sofort tot, der Vater überlebt nur schwer verletzt und liegt für Wochen im Koma.

Da sie zum Zeitpunkt des Unfalls noch minderjährig war, war die Gerichtsverhandlung nicht öffentlich und ihr Name wurde auch nicht bekannt gegeben. Jetzt, 4 Jahre später, wird sie aus der Haft entlassen. Sie zieht wieder bei ihren Eltern ein und nimmt einen Job als Hausmeisterin an der lokalen Schule an.

Zufällig erfährt sie wo der Vater, dessen Leben sie zerstört hat, lebt und beschließt zu ihm zu gehen …

Während alles dies passiert erscheint am Himmel ein Planet. Es ist eine exakte Kopie unserer Erde. Dieselben Berge, Flüsse, Meere und – darüber hinaus – dieselben Städte, Dörfer, Brücken und Straßen. Bald können Wissenschaftler Kontakt aufnehmen und müssen zum großen Entsetzen feststellen, dass es auf „Erde 2“ auch genau dieselben Menschen gibt wie hier. Erde 2 ist eine exakte Kopie unserer Welt. Ein beunruhigender Gedanke.

Geduldig, mit fast quälender Ruhe und Langsamkeit, erzählt der Film von Schuld und der Sehnsucht nach Vergebung. Brit Marling in ihrem ersten großen Spielfilm überzeugt eindrucksvoll. Lange hat man nicht eine solche unendliche Traurigkeit in einem Gesicht gesehen; vielleicht zuletzt in „21 Grams“ bei Naomi Watts. Und als ‚Gegenspieler‘ von Rhoda der Komponist und Uni-Professor John Burroughs, gespielt von William Mapother, der bis zu diesem Streifen hauptsächlich in TV-Serien auftrat (z. B. als Ethan Rom in „Lost“; allerdings hatte er auch schon kleinere Rollen in Filmen wie „Magnolia“, „Mission Impossible“, „Minority Report“; alles Filme mit Tom Cruise!). Von dem furchtbaren Ereignis gezeichnet, ohne Perspektive, mut- und willenlos – so gleitet er irgendwie durchs Leben.

Und alles – Rhoda, William, und das Unglück – gab und gibt es auch auf „Erde 2“?! Was passiert wenn man sich dort selbst begegnete?

Mike Cahill schrieb, gemeinsam mit Brit Marling, das Drehbuch und führte Regie. Diese deprimierende Stimmung über die gesamte Länge des Films, mit Ausnahme der ersten Minuten, hinzubekommen ist schon einmal eine Leistung! Cahill überließ hier nichts dem Zufall: er stand an der Kamera und führte später den Schnitt durch.

Besonders die Kameraeinstellungen berühren, da sie uns die Gesichter ganz nah betrachten lassen. Mehr als einem manchmal lieb sein könnte beobachtet die Kamera jede Regung, jede Mimik. Unerbittlich sehen wir den Schmerz und die Melancholie jedes Einzelnen. Man möchte sich losreißen von diesem voyeuristischen Blicken, aber man kann nicht. Dazu kommen viele schnelle Schnitte.

Also: Regie, Kamera, Schnitt und Musik sind stimmig, aus einem Guss.

Und trotzdem, was vielleicht nahe läge, wird der Film nie kitschig oder sentimental. Es ist einfach eine traurige Stimmung, die das gesamte Werk durchwebt. Düster, traurig, verstörend. Nichts für schwache Gemüter. Kein Horrortrip, aber extrem depressiv. Und alles in betörenden Bildern, an denen man sich nicht satt sehen mag.

Es muss noch eine anrührende Neben-Geschichte vom Putzmann in der Schule erwähnt werden. Wundervoll.

Und zuletzt ein interessantes Ende.

Cahill produzierte den Film mit einem Budget von 200.000 $. Er drehte in seiner Heimat New Haven (Connecticut). Dort konnte er günstig sein früheres Heim nutzen. Freunde, Nachbarn und Bekannte überredete er zur Mitarbeit vor und hinter der Kamera. Der Hauptdarsteller W. Mapother erhielt lediglich 100 $ Gage täglich. Und deshalb fehlen Spezialeffekte fast komplett.

Durchaus sehenswert, wenn man nicht an Depressionen leidet.

4 ½ Sterne von 7 

Rick Deckard

 

Titel: „Another Earth“

Herstellung: USA 2011

Länge: Mike Cahill

Darsteller: Brit Marling, William Mapother, Jordan Baker

Drehbuch: Mike Cahill und Britt Marling

Musik: Fall on Your Sword

Kamera: Mike Cahill

Schnitt: Mike Cahill

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