The Equalizer

Im März 2002 erhielt Denzel Washington in Hollywood den Oscar für den besten männlichen Schauspieler in dem Film „Training Day“ unter der Regie von Antoine Fuqua. Für dieses Werk war auch Ethan Hawke (als bester Neben-darsteller) nominiert!

Anschließend drehte Fuqua Filme wie „King Arthur“ und „The Shooter“. Auf Grund der guten gemeinsamen Erfahrung waren sich Fuqua und Washington einig, man wollte demnächst wieder zusammenarbeiten. Als Nicolas Winding Refn aus Termingründen den Thriller „The Equalizer“ absagte, ergriff Fuqua die Chance.

Die Story beruht auf einer in den USA bekannten Fernsehserie. Ein ehemaliger Geheimdienst-Agent lebt ein ‚“normales“ Leben als Abteilungsleiter in einem Baumarkt und nachts verdingt er sich als „Ausgleicher“ = Rächer. Für die Schwachen und Geschundenen, gegen das organisierte Verbrechen und andere mafiöse Banden.

Vor Jahren arbeitete Robert McCall bei einer bekannten US-Behörde, die sich um die ausländische „Aufklärung“ für die USA kümmert. Das alles aber hat er hinter sich gelassen und verdient seine Brötchen als normaler Angestellter mit einem scheinbar banalem Leben.
Jeden Abend geht er in denselben Diner, isst und liest ein Buch. Seine ex-Frau hatte eine Liste mit den „100 Büchern, die man gelesen haben sollte“. Er ist jetzt bei Buch Nummer 91 – Ernest Hemingways „Der alte Mann und das Meer“. Und jeden Abend ein kleines Schwätzchen mit der blutjungen Nutte Teri. Eines Tages wird sie von ihrem russischen Zuhälter so schwer misshandelt, dass sie auf der Intensivstation landet.

Robert McCall entscheidet, dem Mädchen zu helfen …

Die Story ist vorhersehbar. Aber trotzdem ist es spannend, gut gemacht und gute Unterhaltung. Der Film hält was er verspricht. Einen anspruchsvollen Streifen darf man nicht erwarten. Aber wenn der Zuschauer Denzel Washington mag, packende und „schlagkräftige“ Geschichten schätzt und ein Faible hat für Männer, die Gerechtigkeit ausüben neben der polizeilichen Legalität, dann ist man hier auf alle Fälle richtig und hat über 2 Stunden verdammt viel Spaß.

Bezaubernd Chloe Grace Moretz als junge Prostituierte Teri. Washington gewohnt souverän. Und der gute Bill Pullman, der sich in den letzten Jahren rar gemacht hat, in einer Nebenrolle.

Gedreht wurde in Boston mit einem Budget von rund 55 Mio. $. Der Film kam Ende September 2014 in die Kinos, und hatte bereits im November knapp 200 Mio. $ in den USA eingespielt.

Den eleganten Schliff, die spannende Erzählweise verdankt der Film dem brillanten Regisseur. Exzellente Bilder vom Oscar-Gewinner Mauro Fiore („Avatar“). Und mit dem Editor John Refoua eine weitere Top-Verpflichtung (war ebenfalls bei „Avatar“ damit und übernimmt den Schnitt im Remake „The Magnificent Seven“, in dem auch Denzel Washington mitspielt).

Das Sequel hat Sony für 2017 bereits angekündigt. Dies wäre das erste Mal, dass Washington einen zweiten Teil dreht!

 

5 von 7 Sternen ★★★★★
Rick Deckard

 

Titel: „The Equalizer“
Herstellung: USA 2014
Länge: 132 Minuten
Regie: Antoine Fuqua
Darsteller: Denzel Washington, Chloe Grace Moretz, Bill Pullman, u.v.a.
Drehbuch: Richard Wenk
Musik: Harry Gregson-Williams
Kamera: Mauro Fiore
Schnitt: John Refoua

Maleficent

Endlich. Endlich wird sie erzählt, die wahre Geschichte über Dornröschen, über die dunkle Fee, warum sie als einzige nicht zur Taufe der Königstochter eingeladen wurde und wie es zu dem Fluch kam; und wer in Wahrheit den Kuss der wahren Liebe dem jungen Mädchen gab.

Der Autor Charles Perrault hat mit „La Belle au bois dormant“ eine wundervolle Geschichte geschrieben. Erschienen ist sie im Jahr 1696. Im deutschsprachigen Raum wurde sie von den Brüder Grimm unter dem Titel „Dornröschen“ bekannt. Perrault schuf auch die Märchen „Rotkäppchen“, „Der gestiefelte Kater“ und „Aschenputtel“.

Ein Team von Script-Autoren hat sich des bekannten Stoffs angenommen und daraus eine ganz neue Erzählung geschaffen. Ein wenig Märchen, ein wenig Fantasy. Niedliche Geschöpfe, schreckliche Monster, ein Drache. Am Beginn eine ganz unerwartete kurze Liebesaffäre, dann Verrat und Rache. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf …….

Angelina Jolie als die dunkle Fee Maleficent, Elle Fanning als Aurora (Dornröschen). Man merkt es den beiden an: sie hatten einfach richtig viel Spaß beim Dreh dieses kurzweiligen Films.

Die Mitarbeiter der Special Effects-Abteilung sowie Make-up und Kostüme haben ganze Arbeit geleistet. Süß und hübsch ist die Welt, in der die Feen zuhause sind – ein kleines Paradies. Das nur gestört wird von den Machtansprüchen des benachbarten Königreichs.
Da kann man durchaus Parallelen ziehen zu heutigen Konflikten. Wie schrieb schon Friedrich Schiller: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ (‚Wilhelm Tell‘).

Robert Stromberg, der für sehr viele Filme die „Visual Effects“ beigesteuert hat, liefert hier seine erste Regie-Arbeit ab. Durchaus gelungen. Stromberg gewann die Oscars für „Art Direction“ in 2010 (‚Avatar‘) und in 2011 (‚Alice in Wonderland‘). Die Action-Szenen von „Maleficent“ gegen Ende des Films hätten etwas weniger brutal und bombastisch ausfallen dürfen. War dies ein Tribut der Produzenten an das junge zahlende Kino-Volk?

Alle ab 12 Jahren, die Sagen, Märchen und Fantasy mögen, sind bei diesem Film genau richtig. Gute Unterhaltung, exzellente Ausstattung, faszinierende Tricks; und mit der wundervollen Musik von James Newton Howard.
Die Kamera führte der erfahrene Australier Dean Semler (er gewann 1991 für „Dances with Wolves“ den Oscar für „Best Cinematography“). Ein wahrer Glücksfall für Stromberg und für dieses kleine Epos.

(Aurora im Kindesalter von 5 Jahren wird gespielt von Vivienne Jolie-Pitt, eine der Töchter von Angelina Jolie und Brad Pitt.)

4,5 Sterne von 7 ★★★★ ½ ★
(Oscar-Nominierung für ‚Best Achievement in Costume Design‘.)

Rick Deckard

 

Titel: „Maleficent“
Herstellung: USA 2014
Länge: 97 Minuten
Regie: Robert Stromberg
Darsteller: Angelina Jolie, Elle Fanning, Imelda Staunton, Juno Temple, Sam Riley
Drehbuch: Linda Woolverton (nach dem Märchen von Charles Perrault)
Musik: James Newton Howard
Kamera: Dean Semler
Schnitt: Chris Lebenzon und Richard Pearson

The Hateful Eight

Wir befinden uns in einer Postkutsche in Wyoming auf dem Weg in die Stadt Red Rock. Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russell) hat eine Gefangene namens Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) an Bord. Hinzu kommen Marquis Warren (Samuel L. Jackson) sowie Chris Mannix (Walton Goggins), die auf dem Weg mitgenommen werden. Da ein schwerer Schneesturm wütet, müssen die Reisenden ungewollt in einer Hütte Rast machen. Dort treffen Sie auf zwielichtige Gestalten und eine merkwürdige Stimmung…

Eines muss man Quentin Tarantino lassen, er bleibt seinem Stil auch in seinem 8. Werk treu. In „The Hateful Eight“ haben wir wieder die typischen langen Dialogszenen, die Unterteilung des Films in Kapitel, die Erzählerstimme (im Original von Tarantino persönlich eingesprochen) und natürlich die Gewaltexzesse. Lohnt sich aber das Anschauen des Films? Jein!

Zuerst zum Positiven: Tarantino entschied sich „The Hateful Eight“ auf klassischem Filmmaterial zu drehen und zwar nicht in irgendeinem Format sondern in Ultra Panavision 70! Außerdem wurden sehr alte anamorphe Objektive eingesetzt. Diese beiden Mittel zaubern ein ultraweites Bildformat auf die Leinwand. Der Effekt ist, dass man extrem viel Raum in einem Bild hat. Leider ist dieses Format nur in wenigen Kinos zu sehen (die meisten Kinos sind auf digital umgestiegen). Die Musik wurde dieses Mal fast vollständig neu komponiert, eine Sache die untypisch für Tarantino ist, da er sonst auf bereits vorhandene Musikstücke zurückgreift. Die Musik stammt von Komponisten-Legende Ennio Morricone und trägt zu der Stimmung des Films sehr gut bei. Die Bilder sind sehr schön eingefangen worden durch Tarantinos Stamm-Kameramann Robert Richardson, der auch oft mit Martin Scorsese zusammengearbeitet hat („Shutter Island“, „Aviator“). Die Besetzung ist hervorragend: Jennifer Jason Leigh, Kurt Russell, Samuel L. Jackson, Tim Roth, Bruce Dern, Michael Madsen, Zoe Bell und (Überraschung, aber kein Spoiler da er schon im Vorspann genannt wird) Channing Tatum!

Der Film hat eine schöne Grundstimmung, es ist wirklich ein typischer Western, wie er im Buche steht. Er lässt sich Zeit für Figurenentwicklung und man spürt regelrecht die Kälte (Schnee) und Wärme (Kamin) im Film. Auch mit guten Wendungen kann „The Hateful Eight“ aufwarten. Leider täuscht das alles nicht über die Längen im Film hinweg. Die vielen positiven Filmkritiken sind rätselhaft. Das hauptsächliche Kammerspiel ist sehr, sehr langatmig. Man schaut auf die Uhr und denkt sich „oh noch eine Stunde“. Natürlich muss das Ganze wieder in einer Gewaltorgie enden. Aber wirkt dieses wiederkehrende Muster nicht irgendwann belanglos? Tarantino kopiert sich nur noch selbst und beweist keinen Mut mal etwas Anderes in seinen Filmen auszuprobieren. Wer Tarantino mag und nichts Überraschendes erwartet, wird nicht enttäuscht werden. Alle anderen die etwas mehr Anspruch haben und der Gewaltexzesse überdrüssig sind, werden wohl keine weiteren Filme dieses Regisseurs anschauen wollen. Vielleicht überrascht Tarantino uns ja doch noch einmal. Mal schauen was die Zukunft bringt.

2,5 von 7 Sternen

Alexander George

Titel: „The Hateful Eight“
Herstellung: USA 2015
Länge: 168 min
FSK: 16
Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Jennifer Jason Leigh, Kurt Russell, Samuel L. Jackson, Tim Roth, Bruce Dern, Michael Madsen, Zoe Bell, Channing Tatum
Drehbuch: Quentin Tarantino
Musik: Ennio Morricone
Kamera: Robert Richardson
Schnitt: Fred Raskin

The Big Short

BIGSHORT_01_Plakate_Hauptplakat_A4RGBNiemand konnte im Jahr 2005 ahnen, dass zwei Jahre später eine riesige Immobilien-Blase an den Aktienmärkten geradezu explodieren und damit den Beginn der Weltwirtschaftskrise einläuten würde.

Als Folge dieses Ereignisses verloren Millionen von Amerikanern ihre Häuser, 6 Millionen Menschen büßten ihre Jobs ein, und letztlich brachen die großen Börsen zusammen, angefangen an der New Yorker Wall Street. Weltweit verloren Bürger ihre Ersparnisse, ihre Renten-Rücklagen und ihre Zuhause.

Niemand ahnte etwas?  Doch, zumindest einige clevere Amerikaner, die selbst Banker und Investment-Anleger waren, sahen diese Welle auf die Finanzmärkte zukommen. Selbstverständlich glaubte ihnen niemand, schon gar nicht die mächtigen Banken und Investment-Häuser.

So zum Beispiel der geniale Finanzexperte Burry (Christian Bale, Oscar-verdächtig!), der schließlich einen simplen und zugleich genialen Plan umsetzte: er spekulierte auf den Zusammenbruch des Immobilien-Marktes und wurde später dadurch ein schwerreicher Mann.

THE BIG SHORT

Ähnlich klug handelten dann noch der Deutsche Bank-Manager Jared Vennett (Ryan Gosling), gemeinsam mit Mark Baum (Steve Carell) und dessen Mitarbeitern. Und – last not least – der ehemalige Top-Investmentbanker Ben Rickert (Brad Pitt) gemeinsam mit zwei jungen aufstrebenden Self-made Investmentfonds-Inhabern. Sie alle sahen das Desaster kommen und beschlossen davon eiskalt zu profitieren und das bestehende Immobilien-Geschäft ad absurdum zu führen.

Der Film lässt mehrere Handlungsstränge nebeneinander laufen, ohne dass dies im Geringsten störend wirkt. Im Gegenteil, man versteht die Handlungen der Protagonisten sehr gut. Ryan Gosling spricht gelegentlich den Zuschauer direkt an, um komplizierte Vorgänge zu erläutern. Zusätzlich werden – wie in einer Dokumentation – prominente Stars wie Selena Gomez und Margot Robbie eingeblendet, die dem Zuschauer verzwickte Bank- und Börsenprozesse populär-wissenschaftlich darlegen.

Man gewinnt im Laufe des Films den Eindruck, keine Geschichte zu erleben, sondern einer Dokumentation zu folgen. Und obwohl wir alle wissen, wie diese Geschehnisse endeten, bleibt es überaus spannend und dabei sehr unterhaltend. Natürlich dank des über alle Maßen namhaften Casts, komplettiert von Marisa Tomei als besorgte Ehefrau von Mark Baum.

Der Film, eine Lehrstunde über Kapitalismus, besticht durch pointierte Dialoge und wartet mit einer Aneinanderreihung von wunderbaren Szenen auf. Zum Beispiel Steve Carell bei der Rating Agentur und in der Oben-Ohne-Bar. Köstlich.

Dazwischen gibt es heitere Momente, zum Lachen und zum Schmunzeln, und gelegentlich nickt man zustimmend mit dem Kopf. Wenn es um die Art und Weise geht, wie Banken ihre Geschäfte abwickeln und letztlich nur den Normal-Bürger und -Steuerzahler „über den Tisch ziehen“.

Eine knallharte Studie, die jeder, der dem Kapitalismus und dem heutigen Bankensystem kritisch gegenübersteht, sich in Ruhe ansehen sollte.

THE BIG SHORT

Eine der schönsten Szenen des Films: als Bury diesen neuen Fonds bei Goldman Sachs abschließt und gleichzeitig verlangt, die Bank solle eine Versicherung abschließen, die bestätigt, dass er auf jeden Fall seinen Gewinn  am Ende der Krise erhält, sollte er Recht behalten; nur für den Fall, dass Goldman Sachs in Insolvenz ginge. Die Mitarbeiter der Bank können sich vor Lachen überhaupt nicht beruhigen. Doch Bury meint es ernst und besteht darauf. Und so kam es dann: ihm wurden insgesamt 1,2 Milliarden US-Dollar überwiesen.

Der Regisseur Adam McKay, der bisher eher durch Komödien glänzte und auch keine lange Erfahrung vorweisen kann, hat es geschafft, einen sehr trockenen Stoff in einen hochinteressanten Film zu verwandeln. Grundlage ist das sehr erfolgreiche Sachbuch von Michael Lewis gleichen Titels.

Mit Barry Ackroyd wurde ein kompetenter Kameramann verpflichtet: „The Hurt Locker“, „Flug 93“, „Captain Phillips“ und „The Wind that Shakes the Barley“, um nur einige zu nennen.

Der Film erhielt fünf Oscar-Nominierungen, u. a. als „Best Motion Picture of the Year“, für Christian Bale (Best Actor in a Supporting Role) und für den Schnitt von Hank Corwin (u.a. „Natural Born Killers“). The Producers Guild of America kürte den Streifen zum „Best Film of 2015“. Weitere Preise folgten bereits.

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Der zweite große Film zur Weltwirtschaftskrise beginnend 2007 nach „Margin Call“ (2011).  Eine treffende Dokumentation als Farce.

Und zum Ende hin leistet sich Regisseur McKay noch einen netten Gag, der aber natürlich nicht verraten wird.

Zum Schluss ein Zitat von Bernie Sanders, Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei der USA:  „Who are we kidding? The business model of Wall Street is fraud.”

 

5 1/2 von 7 Sternen  ★★★★★

Rick Deckard

 

Titel: „The Big Short“
Herstellung: USA 2015
Länge: 2h 10min
FSK: 6
Regie: Adam McKay
Darsteller: Christian Bale, Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt, Marisa Tomei, u.v.a.
Drehbuch: Charles Randolph and Adam McKay, basierend auf dem Buch von Michael Lewis
Musik: Nicholas Britell
Kamera: Barry Ackroyd
Schnitt: Hank Corwin

 

The Revenant

Leonardo DiCaprio

Um es gleich vorweg zu nehmen: „The Revenant“ ist ein filmisches Meisterwerk. Es ist eine große Leistung vom Ausnahme-Regisseur Alejandro González Iñárritu ein so imposantes, bildgewaltiges Werk (mit eigentlich simpler Story, deswegen erzählen wir hier auch nichts weiter dazu) so künstlerisch aufzubereiten und dann auch noch einen so hochkarätigen Schauspieler wie Leonardo DiCaprio für die Hauptrolle zu besetzen. DiCaprio hat ja nun schon sehr oft bewiesen hat, dass er in die oberste Riege der Topdarsteller Hollywoods gehört. Diesmal also vielleicht endlich der verdiente Oscar für seine Darstellung? Im Film spricht er kaum, dafür sieht man ihn physisch und psychisch leiden und zwar extrem! Wie körperlich anstrengend die Dreharbeiten gewesen sein müssen, ist auf jeden Fall sichtbar. Aber auch Domhnall Gleeson, der einen größeren Bekanntheitsgrad durch „Alles eine Frage der Zeit“, „Ex-Machina“ und „Star Wars – Das Erwachen der Macht“ erreichte ist ein großartiger Schauspieler. Nicht zu vergessen: Tom Hardy, ein sehr vielseitiger Schauspieler, den man oft gar nicht wiedererkennt in seinen Filmen.

Man hörte bereits von den schwierigen Dreharbeiten: die Darsteller mussten bei eisigen Temperaturen drehen, aufgrund von ausbleibendem Schnee musste der Drehort öfter gewechselt werden. Man wollte erst in den USA filmen, dann ging man nach Kanada und weiter nach  Chile & Argentinien. Dadurch verlängerte sich die Drehzeit von 6 auf 9 Monate. Iñárritu soll seinen Darstellern sehr viel abverlangt haben. Es gab viel Kritik innerhalb des Filmteams, einige verließen gar das Set. Er drehte übrigens in chronologischer Reihenfolge.

Landscape„The Revenant“ ist ein packendes und perfekt inszeniertes Survival-Drama, technisch auf höchstem Niveau! Leonardo DiCaprio spielt brillant, er bringt in dieser wortkargen Rolle trotzdem so viele Emotionen durch seine Mimik herüber, die jeder Zuschauer spüren kann. Die Kamerafahrten sind Oscar-reif. An mancher Stelle fragt man sich wie das Team das wohl gemacht hat. Der mexikanische Kameramann Emmanuel Lubezki wurde schon 2014 & 2015 mit dem Oscar geehrt für seine grandiosen Leistungen bei „Gravity“ und Iñárritus vorletztem Film „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“. Aber auch bei  „Children of Men“ und einigen Terrence Malick Filmen („The Tree of Life“, „To the Wonder“ und „Knight of Cups“) beeindruckte er die Fachpresse mit seiner Arbeit.

Die Effekte sind unglaublich, natürlich allen voran die Szene mit dem Angriff des Bären ist zu erwähnen, die packend und genial gemacht ist. Die wunderschöne, melancholische Musik unterstreicht perfekt die malerischen Bilder. Es wurde nur natürliches Licht verwendet, wie es zum Beispiel schon Stanley Kubrick bei „Barry Lyndon“ tat. Dieses Verfahren spiegelt sich auch in den Bildern wieder. Es sind unzählige atemberaubende Landschaftsaufnahmen mit dabei. Hervorzuheben ist auch der Schnitt von Oscarpreisträger Stephen Mirrione (für „Traffic“). Er klammert Traumsequenzen nahtlos in die Story des Films ein.

Domhnall Gleeson

Es gibt aber auch Kritik an dem Film. Die Story ist wirklich mehr als simpel gestrickt. Eigentlich ist es ein einfacher Überlebens/Rache-Film ohne Tiefgang. Auch ist er sehr vorhersehbar. „The Revenant“ ist außerdem überaus brutal, da könnte man selbst über eine Freigabe ab 18 Jahren nachdenken. Sicherlich trägt das zur Realistik der Story bei. Die Epoche zu Beginn des 19. Jahrhunderts war auch sicherlich genauso hart und brutal wie sie dargestellt wird. Aber stellenweise steht die Brutalität zu sehr im Fokus des Geschehens. Für Zartbesaitete ist dieser Film sowieso nicht zu empfehlen. Nach unserer Recherche durchlitt DiCaprio ja allerhand für die Rolle. Er hat sogar als Vegetarier Fleisch für den Film gegessen (natürlich freiwillig) und sich in echte Tier-Kadaver gelegt. Auf Tierschützer-Seite wird man sich fragen müssen inwieweit „No Animal Was Harmed in Making of this Movie“ (das taucht in den Credits jedoch nicht auf) eingehalten wurde? Laut Medienberichten mussten sich die Darsteller mit dem Häuten von Bibern als Vorbereitung auf Ihre Rollen beschäftigen. Neben den vielen Szenen in denen Tiere sterben, gibt es auch einige Szenen in den nicht gerade pfleglich mit Pferden umgegangen wird (Reitszenen etc.). Filmkunst hin oder her, aber müssen auf Kosten der Tiere so viele Opfer gebracht werden? Nein das muss nun wirklich nicht sein.

Leonardo DiCaprio + Melaw Nakehk'o

Ohne Frage „The Revenant“ ist ein großes Werk von einem großen Regisseur, der schon mit „Babel“, „Biutifil“ oder „Birdman“ sein Talent unter Beweis stellen konnte. Der Film ist aus technischer und künstlerischer Sicht ein Meisterwerk. Das täuscht dann über die leider schwache Story hinweg.

Die Frage lautet wie weit darf man bei dem Dreh eines Filmes gehen? Menschen haben ja die freie Wahl ob Sie das Set verlassen möchten, Tiere jedoch nicht.

 

 

Titel: „The Revenant – Der Rückkehrer“ (org.: „The Revenant“)
Herstellung: USA 2015
Länge: 156 Minuten
FSK: 16
Regie: Alejandro González Iñárritu
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Domhnall Gleeson, Will Poulter, Forrest Goodluck
Drehbuch: Mark L. Smith, Alejandro González Iñárritu
Musik: Bryce Dessner, Alva Noto, Ryūichi Sakamoto
Kamera: Emmanuel Lubezki
Schnitt: Stephen Mirrione

 

4 ½ von 7 Sternen

Alexander George

Ex Machina

Caleb, IT-Spezialist und Angestellter des weltgrößten Internet-Unternehmens gewinnt in einem firmeninternen Wettbewerb den ersten Preis. Dafür darf er eine Woche lang beim super-reichen Inhaber der Firma, den er vorher noch nie gesehen hat, verbringen. Auf dem Weg dorthin im Helikopter fragt er den Piloten einmal, wann man denn wohl am Anwesen von Nathan (dem Boss) ankomme. Antwort: „wir überfliegen es schon seit 2 Stunden“.
Im Haus des Multi-Milliardärs angekommen, stellt Caleb fest, dass er wohl nicht ganz zufällig den Preis „gewonnen“ hat. Offensichtlich wollte Nathan den besten seiner Programmierer für einen Test hier haben. Denn er hat einen weiblichen Androiden namens Ava (A. Vikander) „gefertigt“. Und nun soll Ava auf ihre (künstliche) Intelligenz getestet werden. Diese Aufgabe soll Caleb übernehmen, und hat dafür 7 Tage Zeit. Im großen Anwesen scheint außer den beiden Männern und Ava nur noch die Haushälterin Kyoko zu leben; angeblich spricht und versteht sie kein Englisch! Doch als während des ersten Interviews der Strom ausfällt, warnt Ava Caleb vor seinem Boss Nathan.

So beginnt ein Verwirrspiel erster Güte. Sehr spannend inszeniert, subtil von den Protagonisten umgesetzt. Mit immer neuen Wendungen, Erkenntnissen und Offenbarungen. Wer betrügt hier wen? Und wer ist letztlich tatsächlich Android und wer ein realer Mensch?

Der Regisseur Alex Garland ist eigentlich Autor. Mit seinem Roman „The Beach“, in 2000 unter der Regie von Danny Boyle verfilmt mit Leonardo diCaprio, hatte er seien großen Durchbruch. Seit einigen Jahren verfasst Garland auch erfolgreich Drehbücher. So zum Beispiel für „Never let me go“ nach dem Roman von Kazuo Ishiguro mit Keira Knightley, Carey Mulligan und Andrew Garfield. Ex Machina ist nun seine erste Regie-Arbeit und gleich ein Volltreffer. Mit einem geradezu bescheidenen Budget von 11 Mio. $. Gedreht wurde in Norwegen und in den Pinewood-Studios London.

In diesem fesselnden Science-Fiction Thriller treffen die drei Hauptdarsteller zu einem Trio-Infernale aufeinander: die bezaubernde, aber auch unergründliche Alicia Vikander als Ava, Domhnall Gleeson als genialer IT-Spezialist Caleb und der mysteriöse, zwielichtige Nathan (Oscar Isaac, kaum wieder zu erkennen). Glückwunsch für diese Leistung.

Und – soviel sei verraten – die Geschichte wartet mit einem überraschenden Ende auf!

Ansehen – ohne Wenn und Aber!

6 von 7 Sternen ★★★★★★

Rick Deckard

Titel: „Ex Machina“
Herstellung: USA 2015
Länge: 108 Minuten
Regie: Alex Garland
Darsteller: Domhnall Gleeson, Alicia Vikander, Oscar Isaac, Sonoya Mizuno
Drehbuch: Alex Garland
Musik: Geoff Barrow und Ben Salisbury
Kamera: Rob Hardy
Schnitt: Mark Day

Only Lovers Left Alive

Adam (Tom Hiddleston) lebt einsam und zurückgezogen in der (passend dazu) verlassenen Stadt Detroit. Er ist ein genialer Musiker und Vampir und lebt schon seit Jahrhunderten auf der Erde. Adam hat jedoch die Welt immer mehr satt und als er wieder einmal in eine größere Depression rutscht, beschließt seine Vampir-Freundin Eve (Tilda Swinton) ihr Zuhause Marokko zeitweilig zu verlassen. Sie unternimmt die Reise zu ihm nach Detroit um schlimmeres zu verhindern…

„Only Lovers Left Alive“ wurde durch keinen geringeren als Independent-Meister Jim Jarmusch inszeniert. Dieser schrieb (wie in fast all seinen Werken) das dazugehörige Drehbuch zu dem Film. Auch an der Musik war er mit seiner Band „Sqürl“ beteiligt. Dieser ungewöhnliche Vampirfilm zieht einen schnell in seinen entschleunigten Bann hinein. Ruhige, melancholische Nachtbilder mit wundervollen Kameraeinstellungen und toller Lichtsetzung, dazu ein hypnotisch-melancholischer Soundtrack und zwei starken Darstellern (Hiddleston und Swinton) erschaffen einen beachtlichen Kunststreifen. Die Dialoge sind intelligent und hintergründig. Vor allem die totgesagte und menschenleere Stadt Detroit wird wunderschön in Szene gesetzt (immer in Dunkelheit), dass man glatt Sehnsucht verspürt dort selbst einmal hinzureisen. Der trockene, sarkastische Humor der Charaktere Adam und Eve (nicht umsonst diese Namenswahl) wird großartig mittels Tom Hiddleston und Tilda Swinton rübergebracht. Besonders der Auftritt der libanesischen Sängerin Yasmine Hamdan (die sich selbst spielt) wurde elegant in Szene gesetzt und sollte erwähnt werden.

Wer einen typischen Vampirfilm mit Aufregung und Spannung sucht oder gar an die „Twilight“-Saga denkt, ist hier nicht an der richtigen Adresse. Es ist ein stiller Liebesfilm im Stile eines „Night On Earth“. „Only Lovers Left Alive“ setzt sich mit dem Thema Einsamkeit in einer subtilen Weise auseinander. Symbolisch dafür steht Detroit. Mit den stillen und doch kraftvollen Bildern huldigt Jarmusch dieser Stadt. Anspruchsvolle Unterhaltung, die einen etwas melancholisch zurücklässt.

 

5 von 7 Sternen          ★★★★★

Alexander George

Titel: „Only Lovers Left Alive“
Herstellung: USA 2013
Länge: 122 Minuten
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, John Hurt, Jeffrey Wright
Drehbuch: Jim Jarmusch
Musik: Jozef van Wissem, Sqürl
Kamera: Yorick Le Saux
Schnitt: Affonso Gonçalves

Arthur Newman

Wallace Avery (Colin Firth) hat es satt – eigentlich alles: seine nervende Ex-Frau, seinen desinteressierten 13-jährigen Sohn, seine nörgelnde Freundin, und seinen Job als Golf-Pro. So entscheidet Wallace seinen Tod vorzutäuschen und unter dem Name Arthur Newman ein neues Leben zu beginnen. Alles funktioniert reibungslos. Auf dem Weg zu einem weit entfernten Golf-Club, dessen Chef Wallace vor einem Jahr einen Job als Golf-Lehrer angeboten hatte, trifft er eine junge Frau; Charlotte, die Mike genannt werden möchte. Auch sie ist auf der „Flucht“ – aber wovor? Oder vor wem?

So beginnt dieser Road-Movie. Aus Sympathie wird mehr, sie lieben, lachen und reden – und brechen in anderer Leute Häuser ein! Und kämpfen dabei die ganze Zeit mit ihrer eigenen Vergangenheit, die sie nicht loslässt.

Kein Thriller, keine Komödie, eher ein Melodram. Die Geschichte zweier Menschen, die aus ihrem bisherigen Leben ausbrechen und ein neues beginnen wollen. Koste es was es wolle. (Untertitel: ‚Ein tolles Leben – Hast du keins, nimm dir eins‘.)

Der Regisseur Dante Ariola hat es in seiner überhaupt ersten Inszenierung geschafft, eine Story zu erzählen, die traurig, fröhlich und berührend zugleich ist. Ohne je schwülstig zu werden. Schöne Bilder (Kamera: Eduard Grau aus Barcelona, der auch bei „A Single Man“ mit C. Firth die Kamera führte) und eine wundervoll passende Musik von Nick Urata, der schon zum Beispiel für den Soundtrack „Crazy, Stupid, Love“ verantwortlich war.

Colin Firth spielt – wie fast immer – hervorragend. Man nimmt ihm seinen Charakter überzeugt ab. Leicht zerknirscht schauend, voller Zweifel und doch auch mit der Hoffnung, alles richtig zu machen. Bezaubernd neben ihm Emily Blunt als Mike. Sie fiel schon positiv auf in Steifen wie „Charlie Wilsons War“ und „Salmon Fishing in the Yemen“.

Colin Firths Filmsohn Kevin wird überzeugend gespielt von Lucas Hedges („Moonrise Kingdom“ und „The Grand Budapest Hotel“). Zurzeit steht er für „Manchester-by-the-Sea“ vor der Kamera, gemeinsam mit Michelle Williams und Casey Affleck! Und sehr niedlich ist Wallace Averys Freundin Mina, verkörpert von Anne Heche.

Ein Film über Familie, Freundschaft und Sehnsüchte. Eine bezaubernde Erzählung mit einem glänzenden Hauptdarsteller. Und mit einer Geschichte, von der wohl auch im realen Leben der eine oder andere träumt …..

Sehenswert. Sich fallen lassen und genießen.

5 von 7 Sternen ★★★★★

Rick Deckard

Titel: „Arthur Newman“ (dt.: „Ein tolles Leben“)
Herstellung: USA 2012
Länge: 101 Minuten
Regie: Dante Ariola
Darsteller: Colin Firth, Emily Blunt, Lucas Hedges, Anne Heche, u.v.a.
Drehbuch: Becky Johnston
Musik: Nick Urata
Kamera: Eduard Grau
Schnitt: Olivier Bugge Coutté

Brief einer Unbekannten

Lisa (gespielt von der bezaubernden Joan Fontaine) lebt als junges Mädchen mit ihrer verwitweten Mutter in Wien. Eines Tages zieht der junge Pianist Stefan Brand (Louis Jourdan) in die Wohnung über ihnen. Auf den ersten Blick verliebt sich die junge Lisa in Brand, und wird ihr Leben lang diesem Mann verfallen sein.  Brand jedoch, in seiner ganzen, zwar höflichen und freundlichen, doch auch blasierten und selbstsüchtigen Art hat dies jedoch nie begriffen. Obwohl er mehrmals im Leben Lisa trifft und sogar mit ihr, wenn auch nur für kurze Zeit, zusammen ist.

All dies erfährt Stefan Brand durch einen Brief am Vorabend eines Duells, das er am nächsten Morgen führen muss. Eigentlich wollte er sich heimlich aus dem Staub machen, doch der Inhalt des Schreibens fesselt ihn so sehr, dass er darüber die Zeit und die Folgen daraus vergisst, bis der Morgen graut ……

1922 erschien Stefan Zweigs Novelle „Brief einer Unbekannten“ (das Entstehungsdatum ist nicht bekannt). Zweig (dessen bekanntestes Werk die „Schachnovelle“ ist), geboren 1881 in Wien, emigrierte vor den Nazis 1934 erst nach London, dann nach New York, und lebte seit 1940 mit seiner zweiten Frau Charlotte in Brasilien. Dort beging er 1942 Suizid, zusammen mit Charlotte.  Mehr über Stefan Zweig und seine Zeit ist seinem Buch „Die Welt von Gestern“ zu entnehmen. Der dem Film zugrunde liegende Roman ist ein Kleinod der Weltliteratur.

Der Film aus dem Jahre 1948 unter der Regie des Deutschen Max Ophüls (1902 – 1957) besticht durch seine Werktreue, die ruhige und unaufgeregte Erzählweise, ohne jegliche Effekthascherei, und die hervorragenden Schauspieler.  Gedreht wurde ausnahmslos in den Universal Studios in Kalifornien, unter der Mitwirkung von einer großen Anzahl von Schauspielern.

Das Werk steckt voller Emotionen, ist jedoch nie pathetisch. Man fühlt mit Lisa, kann aber auch Stefan Brand nicht wirklich böse sein. Sie sind wie sie sind. Eine große Geschichte, ein besonderer Film.

Unbedingt sehenswert. Ein Muss für Cineasten und für hoffnungslose Romantiker.

 

6 von 7 Sternen ★★★★★★

Rick Deckard

 

Titel: „Brief einer Unbekannten“   (org.:  „Letter from an Unknown Woman“)

Herstellung: USA 1948

Länge: 86 Minuten

Regie:  Max Ophüls

Darsteller:  Joan Fontaine, Louis Jourdan, Mady Christians, Howard Freeman

Drehbuch:  Howard Koch, mit Max Ophüls, nach einer Novelle von Stefan Zweig

Musik:  Daniele Amfitheatrof

Kamera:  Franz Planer  (als: Frank Planer)

Schnitt:  Ted J. Kent

(DVD erhältlich auf Zweitausendeins Edition und auf Arthouse Collection)

was ist es, das du wollest? inside llewyn davis

es muss nicht immer der zusammenhang etwas bedeuten, manchmal erschließt sich die bedeutung bei der betrachtung der details. dennoch, diese frage wurde gestellt: was soll dieser film?

die geschichte eines folksängers zu beginn der 1960er jahre im greenwich village zu new york? nein. nur eine woche aus dem leben eines folksängers zu beginn der 1960er jahre im greenwich village zu new york.

terri thal, die einst mit dave van ronk verheiratet war und diesen auch managte, dessen biographie teilweise pate gestanden hat für die fiktive figur llewyn davis, meint sogar, dass das greenwich village, das die coen-brüder haben auferstehen lassen, rein gar nichts mit dem wirklichen greenwich village in den tagen des folk revival zu tun hat. (quelle: http://www.villagevoice.com/music/dave-van-ronks-ex-wife-takes-us-inside-inside-llewyn-davis-6650942) die sängerin suzanne vega bezeichnet den film als „shitty movie“ weil die figur llewyn, die eben so ein stückchen an dave van ronk angelehnt sein soll, eher als arschloch präsentiert wird, dies nun sei dave van ronk gar nicht gewesen. (http://www.chicagoreader.com/bleader/archives/2014/01/17/the-folk-song-armys-attack-on-inside-llewyn-davis) nun, vega kannte dave van ronk und ihre aussage zu van ronks charakter stimmt mit dem common sense überein. er soll ein netter typ, ein „nice guy“, gewesen sein.

hier aber haben wir die falltür. alle fallen da rein, die glauben, dass der film in irgendeiner weise das leben im greenwich village der 1960er jahre repräsentiert oder präsentieren will. der film ist gespickt mit anspielungen, ja. einige davon sind witzig oder interessant, andere sind… merkwürdig. zum beispiel: al cody. diese figur scheint eine mischung aus mindestens zwei realen personen zu sein. einmal ramblin‘ jack elliott, mit 84 jahren einer der wenigen helden der ganz frühen greenwich village jahre, einer der noch mit woody guthrie musizierte, dafür spricht der cowboyhut. zum anderen mark spoelstra. dafür spricht, dass codys lp „five and twenty questions“ heißt. spoelstras drittes album, von 1965, heißt exakt wie das von cody. der film nun aber spielt im jahr 1961. dieses vermischen von figuren und zeiten ist manchmal nicht „ganz rund“, wirkt irgendwie gewollt, aufgesetzt. warum eigentlich, fragt man sich, könnte man sich fragen. doch vielleicht ist auch diese frage eine überflüssige, es ist eben so, es ist kunst und nicht die schlechteste.

die beatpoets finden auch erwähnung. hier ist so ein beatpoet in form eines „assistenten“. johnny five heißt er und brabbelt was von orlovsky – langjähriger lebensgefährte von allen ginsberg. orlovsky war selber dichter und johnny five, der sonst recht schweigsam ist, rezitiert irgendwann orlovskys gedicht „my bed is covered yellow“. cool macht er das, lässig. jedoch, um diese, und andere anspielungen zu verstehen, muss man etwas in der materie sein. vielleicht sollen die anspielungen aber gar nicht verstanden und eingeordnet werden…?

es scheint nicht darum zu gehen, ob irgendetwas historisch oder emotional korrekt wiedergeben ist. es scheint, die coen-brüder haben einen faible für die folkszene der 60er und sie geben sich mühe, das cineastisch dazustellen. detials in der kulisse, die auch von der veteranin thal teilweise in zweifel gezogen wird, sprechen für sich. auch die erwähnten anspielungen zeugen von einem wissen und einer liebe für diese zeit, die wahrlich alles in sich hatte: revolution, musik, liebe. doch nicht nur das. geradezu weltfremd mutet es an, wenn sich die coens belehren lassen müssen, dass damals alles, vielleicht nicht ausschließlich schön, aber, doch zumindest stets liebevoll war. natürlich wuchs mit der popularität von folk music auch der wunsch damit geld zu verdienen. menschen wie albert grossman, der im film auch in einer kleinen rolle zitiert wird, sind nicht zu den einflussreichen managern geworden weil sie die folkmusik über alles geliebt haben. sie hatten den richtigen instinkt für gute künstler aus denen sich was machen lässt. großman hat zwar bekanntlich dylan gemanagt, aber nicht nur. auch acts wie peter, paul & mary, bewusst ausgesuchte typen, die dem damaligen geschmack des folkkonzertbesuchers entsprachen, konnten ihre chance bekommen, weil sie zu einem produkt gemacht wurden. erfolg und geld, das war schnell der wichtigste antrieb und es waren große verlockungen. es gefiel vielen nicht, dass bob dylan seine chance ergriff, denn dylan veränderte sich, das war nicht mehr „ihr bobby“. er wurde zum (mega)star. dave van ronk ist das gegenbeispiel dafür. er blieb im village.

greenwich village hin oder her. es ist eine kulisse für eine woche im leben von llewyn davis. und ja, es ist eine kalte welt in der davis lebt, nicht nur jahreszeitenbedingt. davis ist auf der suche. er ist zwischen melancholie und dem funken der gebraucht wird um sich aufzuraffen. er ist ziellos. er weiß was er will, aber, er kann es nicht sagen und dann wieder weiß er nicht was er will. er ist inkonsequent und darin konsequent und will doch konsequent sein. also singt er. es könnten die 90er sein, oder die gegenwart. es wurde das jahr 1961. einen llewyn davis gibt es zu allen zeiten. er ist diesmal ins greenwich village der 1960er jahre geraten. ja, er hat wirklich angst vor erfolg. irgendwann sagt er sogar, dass er müde ist, will aufhören. aufhören, bevor er richtig angefangen hat? seine musik klingt nicht nach geld, das macht ihm die grossmanfigur deutlich. er aber weiß schon längst bescheid. gefühle machen kein geld. in den 60ern nicht und heute auch nicht. (die einigen wenigen ausnahmen, verglichen mit all denen, die nicht ganz oben mitspielen, außen vor gelassen.)

die leistung der schauspieler ist toll, ist großartig, ist ganz stark. oscar isaac als verschließender llewyn davis ist großartig. genauso wie john goodman als drogensüchtiger, abgewrackter, jazzmusikersnob. ein stiller held dieses films ist allerdings eine katze. diese heißt ulysses (englisch für odysseus, wer die deutsche synchronfassung sieht) und ist quasi der rote faden, denn einen wirklichen plot gibt es nicht.

ein anderer wichtiger aspekt ist die musik. t-bone burnett agiert zusammen mit marcus mumford als produzent. alle songs, bis auf einen, wurden live gesungen und gespielt. wenn isaac keinen bock mehr auf schauspielerei haben sollte, als musiker ist vielleicht was drin – jetzt wo er diesen bekanntheitsgrad hat. zauberhafte gesangseinlagen gibt es auch von carey mulligan, die die ebenfalls etwas unentschlossene, alle schuld von sich weisende, jean berkey spielt, und von justin timberlake, jim berkey, jeans recht glatter ehemann. die beiden sind das duo jim & jean – eine anspielung auf ian & sylvia?

anspielungen über anspielungen. eine können wir noch erwähnen: llewyn hatte einen partner, mike timlin. dieses duo, das nicht mehr vollständig ist, ist den ganzen film über präsent. mike ist ständig anwesend. mike ist tot. er hat sich, warum bleibt ungeklärt, von der george washington bridge gestürzt. der selbstgerechte jazzsnob roland turner erklärt, dass man sich, schon aus tradition, von der brooklyn bridge zu stürzten hat.

auch wenn das keine gute überleitung ist… doch: schon aus tradition muss ein film wie dieser von denen verrissen werden, die die zeit miterlebt haben in der er spielt. (muss nicht, passiert aber oft genau so.) es war wohl eine unglaublich spannende zeit – etwas das sich jeder bewahren will. vielleicht kann man den coen-brüdern vorwerfen, dass sie das nicht bedacht haben, dass sie so eine sensible zeit für ihre kalte story benutzt haben. nun, man kann viel. es macht aber keinen sinn. so kalt erlebt eben llewyn davis diese zeit. das sind seine sorgen und probleme, von denen der zuschauer versuchen kann sich ein bild zu machen. dass die coens sich hier und da bedient haben um diese kollage zu entwerfen – wer will ihnen das verübeln? es heißt doch, dass es üblich ist, sich in der folkszene dort zu bedienen wo es passt – ein folksong hat viele mütter und väter. man kann also durchaus sagen, das hat tradition.

6/7 sterne

julian von sallingen

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