Alan Squire oder Das Begräbnis der Alten Zeit: „The Petrified Forest“

von Julian von Sallingen

Richard Yates eröffnet seinen Roman „Revolutionary Road“ (dt. „Zeiten des Aufruhrs“) mit einer Laientheater-Aufführung von „The Petrified Forest“ (dt. „Der versteinerte Wald“) im Jahre 1955. Es ist das gleiche Jahr in dem das Stück als Liveübertragung im US-amerikanischen Fernsehen zu sehen ist. Humphrey Bogart spielt wieder die Rolle welche ihm den weg ebnete dahin zukommen wo er zu diesen Zeitpunkt war: ganz oben – einer der größten Hollywood-Darsteller seiner Zeit. Seine Frau Lauren Bacall spielt die Rolle der Gaby (im Bühnenstück heißt diese Figur Gabby im Film heißt sie Gabrielle). Viele Live-Fernsehspiele der 1950er Jahre gingen verloren, dieses aber nicht. In den späten Neunziger Jahren spendete Lauren Bacall die einzig erhaltene Kinescope-Aufnahme dem Museum Of Television & Radio (heute: The Paley Center For Media) mit Sitz in New York City und Los Angeles.

Die hohe Popularität von „The Petrified Forest“ wurde nicht mit dem Kinofilm begründet. Der US-amerikanische Dramatiker und Drehbuchautor Robert E. Sherwood, Pulizter-Preisträger in den Jahren 1936, 1938, 1940 in der Kategorie Theater (Drama) und 1949 (in diesem Jahr bekam er den Pulitzer-Preis für sein Buch „Roosevelt and Hopkins. An Intimate History“ (dt. „Roosevelt und Hopkins“) für das er auch den Bancroft-Preis erhielt) und Oscar-Gewinner (Drehbuchadaption des MacKinley Kantor Roman „Glory for Me“ für den Film „The Best Years of Our Lives“ (dt. „Die besten Jahre unseres Lebens“), 1947, verfasste „The Petrified Forest“ 1935 als Bühnenstück. Am Broadway spielten unter anderem Leslie Howard und Humphrey Bogart die Rollen welche sie später auch in der Filmadaption übernehmen sollten. Am Theater war das Stück ein Erfolg, im ganzen Land sprach man darüber.

Man könnte annehmen, wenn etwas so gut beim Publikum ankommt, dann lässt man es wie es ist und versucht es einer größeren Öffentlichkeit vorzuführen. In der Tat, so sollte es auch kommen und dennoch war zu Beginn des Projektes nicht alles so klar und eindeutig. Warner Bros. war bereit „The Petrified Forest“ zu verfilmen aber nicht mit Humphrey Bogart. Für seine Rolle hatte man Edward G. Robinson vorgesehen, schließlich war dieser seit dem Film „Little Caesar“ (dt. „Der kleine Cäsar“) aus dem Jahr 1931 ein Star. Bogart dagegen hatte es trotz seines Mitwirkens in vierzehn Filmen nicht zu einer besonders hohen Popularität gebracht.

Im Jahr 1936 war Humphrey Bogart 37 Jahre alt und nahe am Ende seiner Karriere, diese war als gescheitert anzusehen. Am Broadway feierte er zwar viele Erfolge, doch im Filmgeschäft war es ihm verwährt eine Hauptrolle zu spielen, er war festgelegt auf Charakterrollen, es war ihm nicht gelungen dem Theater zu entwachsen. 1934 kehrte er aus Hollywood nach New York City zurück, sein Freund Robert E. Sherwood, verhalf ihm zu einer Rolle in seinem Stück „The Petrified Forest“. Für die Rolle des Duke Mantee ließ sich Bogart von John Dillinger, einem der populärsten Gangster der 1930er Jahre, inspirieren. Die Art Dillingers zu sprechen und sich zu bewegen, Bogart studiert dies geradezu. Für den Film sollte ihm das sehr nützlich sein.

Der Wendepunkt in Bogarts Karriere wurde von Leslie Howard ermöglicht. Dieser hielt die Filmrechte an „The Petrified Forest“ und er hatte Bogart einst versprochen nur mit ihm zusammen und in den jeweiligen schon am Theater gespielten Rollen für diesen Film vor der Kamera zu stehen. Leslie Howard konnte solche Versprechen abgeben da er seit 1920 ein Star des Theaters und sei den 1930er Jahren auch des Films war. Er hatte Einfluss und konnte diesen auch geltend machen. Da Warner Bros. Edward G. Robinson für die Rolle des Gangsters Duke Mantee vorgesehen hatte rief Bogart Howard an und erinnerte ihn an sein Versprechen. Leslie Howard erinnerte sich seiner Worte und bearbeitete Jack Warner auf eine Pro-Bogart-Stimmung hin. Bogart selbst half außerdem die Tatsache, dass sich Edward G. Robinson zierte erneut als Gangster auf der Leinwand zu erscheinen. Schließlich gehört Bogart zur Besetzung. Er betrachtete dies als letzte Chance im Filmgeschäft als Hauptdarsteller sich zu etablieren. Den Einsatz Howards für ihn sollte Bogart nie vergessen, aus Dankbarkeit gab er seiner Tochter den Namen Leslie.

Eine Tankstelle, in nicht besonders gutem Zustand, in der Wüste von Arizona, ist der Haupthandlungsort des Geschehens. Dort erscheint eines Tages der romantische aber leider mittelose sowie erfolglose englische Schriftsteller Alan Squire (Leslie Howard) der sich auf einem Road-Trip durch die USA befindet, als Tramper will er den Kontinent bereisen. Er hat sich (endlich) losgelöst von einer reichen Mäzenin aus Frankreich mit der er einst Tisch und Bett teilte. Gabrielle (Bette Davis), die Tochter des Tankstellenwart, verliebt sich in ihn, beide erträumen sich eine gemeinsame Zukunft. Doch Alan trägt eine tiefe Todessehnsucht in sich und er bittet Gabrielle ihn im nahegelegenen „steinernen Wald“ zu begraben. Gabrielle ist die Tochter einer Französin welche ihren Vater im Ersten Weltkrieg kennenlernte, welche dann aber bald genug von Amerika hatte und, die Tochter beim Vater lassend, zurück in ihre Heimat ging. Allerdings schickt sie ihrer Tochter Gedichtbände wofür Gabrielle sehr empfänglich ist. Sie liest Alan ihr Lieblingsgedicht von François Villon vor und zeigt ihm einige ihrer Malereinen. Außerdem träumt sie davon nach Frankreich zu ihrer Mutter zu reisen.

Dieses morbide Idyll wird von Duke Mantee (Humphrey Bogart) je zerstört, der mit seiner Gang unterwegs, ausgebrochen und auf der Flucht, in der Tankstelle Geiseln nimmt. Während der Geiselnahme geht es sowohl brutal zu wie feinsinnig. Mantee ist gemein und brutal (Bogarts Darstellung ist, wie die aller Schauspieler in diesem Film, schlicht großartig.), dennoch lässt er sich auf die Worte von Alan ein und hört seinen Ausführungen zu. Mantee ist nicht nur böse – er ist auch böse.

Als Gabrielle einmal den Raum verlassen kann schließt Alan einen Packt mit Duke Mantee. Dieser soll Alan erschießen wenn er flieht – in der Zwischenzeit ist der Sheriff mit seinen Männern eingetroffen und es zeichnet sich ab, dass die Gangster nur noch fliehen können wenn sie sich ihren Weg freischießen – damit Gabrielle seine Lebensversicherung bekommt, diese hatte er zuvor auf sie umgewidmet. Er will ihr damit ermöglichen nach Frankreich zu reisen. So geschieht es auch, auf der Flucht erschießt Duke Mantee Alan Squire der in den Armen von Gabrielle stirbt. Sie wird seinen Wunsch erfüllen und ihn im „versteinerten Wald“ begraben.

Mit dem „versteinerten Wald“ ist der Petrified-Forest-Nationalpark, ein Nationalpark im Nordosten Arizonas, gemeint. Dieser gehört zum südlichen Colorado-Plateau und der Painted Desert, einer 1800 über dem Meer gelegenen Wüste. Im Park befindet sich Sedimentsgestein der Obertrias, einer Serie des Trias mit einer großen Anzahl an Fossilien. In dem Gebiet gibt es weiträumige Fundstätten von verkieseltem Holz, daher stammt der Name „Versteinerter Wald“.

Schon wenige Tage nach Drehbeginn war jedem am Set klar, dass hier ein großartiger Film entstehen würde. Hal Wallis, der Produzent, war, nachdem er die ersten Aufnahmen sah, beeindruckt. Allen Beteiligten wurde deutlich, dass hier etwas außergewöhnliches passiert.

„The Petrified Forest“ ist kein gewöhnlicher Gangster-Film, man merkt es schon am Ort der Handlung. Diese ist im Westen angesetzt im „Wilden Westen“, in Arizona, in der Wüste – es riecht nach Abenteuer, eine Art Gangster-Western mit Elementen eines Dramas. Es gibt nur diese Tankstelle, der Bühnenursprung ist unübersehbar. Der Symbolismus sticht von allen Seiten hervor. Alan Squire als Symbol für die „versteinerte Gesellschaft“ – der erkennt, dass seine Zeit in gewisser Weise abgelaufen ist. Die Vorstellungen von Moral und gesellschaftlichen Werten haben sich gewandelt. Er will sich in der Wüste begraben lassen und es wirkt, als habe er vor nicht nur sich sondern auch die Zeit in der aufwuchs, aus der er stammt, mit im Wüstensand beizusetzen. Mit den Worten von Alan Squire klingt das so: „Es ist die Zivilisation die unter uns emporschießt. Die Welt der überholten Auffassungen. In der Wüste sind auch so viele Sümpfe. Da gehöre ich hin.“ Auch erkennt er was der Gangster Duke Mantee leistet: „Denn Sie sind der letzte große Apostel des wilden Individualismus.“ Darauf antwortet Duke Mantee: „Vielleicht hast du Recht, Kumpel.“ Dies veranlasst Squire zu dem lakonischen Satz: „Oh, ich habe bis in alle Ewigkeit Recht. Aber was bringt mir das schon.“ Es sind die 30er Jahre und noch gibt es diese Individualisten unter den Gangstern, der Film passt also in seine Zeit und ist auch eine Art Revival, zumindest eine Hommage, an die Klassiker der Gangster-Filme aus den frühen 30er Jahren. Leute wie John Dillinger sind noch aktiv beziehungsweise in der Öffentlichkeit präsent und obwohl sie Mörder sind umgibt sie etwas Mystisches und sie haben eine große Popularität im Volk. Jedoch wie Alan Squire sind auch die Gangster im Leben gescheitert.

Der Film gehört nicht zum Flim Noir, jedoch birgt er diesen in sich. Im Film Noir passiert normalen Menschen Unnormales, sie sind plötzlich in eine Situation hineingeworfen und können nichts dafür. Jedoch müssen sie sich dann in dieser Situation bewähren, teils über sich hinauswachsen. Alan Squire ist eine perfekte Film Noir Figur. Die Story ist sozusagen ein Film Noir aber die Umsetzung ist es noch nicht. Im Jahr 1941 wurden dafür die Marken gesetzt, denn mit „The Maltese Falcon“ (dt. „Die Spur des Falken“) gelang Regisseur John Huston der erste Meilenstein im Bereich Film Noir. Übringens ein Film mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle.

„Der versteinerte Wald“ war gegen alle Gewohnheit in dem von der Depression geplagten Amerika der 1930er Jahre kein Film mit einem Happyend. Für gewöhnlich wollten die Leute solche Filme nicht sehen, doch hier funktionierte es. Der Film funktioniert auf mehreren Ebenen: da ist Liebe, Spannung, Abenteuer und gleichzeitig ein aktueller Bezug zur Zeit (Stichwort: Dillinger) und da ist der Bezug zur Welt und die Reflektion darüber was das für eine Zeit ist in der man lebt.

So ganz traute man dem Konzept bei Warner Bros. allerdings nicht, denn gegen den Willen von Leslie Howard wurde ein Happyend gedreht. Als dieses dann aber getestet wurde war schnell klar, dass sich nicht alles schön färben lässt – es funktionierte nicht. Man entschied, dass das Stück am Broadway so funktioniert hatte wie es war, also würde es auch ohne Happyend im Film auskommen und funktionieren können. Nebenher ging Warner noch ein weiteres Risiko ein, denn die fünf Wochen Drehzeit waren um ein bis zwei Wochen überschritten, das Studio musste also mehr Geld als geplant investieren.

Letztlich war der Film ein Erfolg, die Reaktionen waren positiv. Die Kritiker, ob nun sonders intellektuell oder sonders populistisch, feierten den Film. Ein Kritiker sagte: „Der Film war einfach… ein Wort beschreibt ihn: Klasse.“ Für den Regisseur Archie Mayo wurde dieser einer seiner bekanntesten Filme. Alle profitierten; das Studio, die Filmemacher, die Schauspieler. Somit war „The Petrified Forest“ nicht nur ein Erfolg für Humphrey Bogart.

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