Manchester by the Sea

Lee Chandler (Casey Affleck) arbeitet in Boston als Hausmeister. Er lebt ein ruhiges, zurückgezogenes Leben in einer Wohnung, die einem Keller gleicht. Als sein Bruder Joe (Kyle Chandler) plötzlich verstirbt, muss er zurück ins seine Heimatstadt Manchester-by-the-Sea. Dort soll er sich nun um Joes 16-jährigen Sohn Patrick (Lucas Hedges) kümmern…

Regisseur Kenneth Lonergan ist als Drehbuchautor bekannt geworden. Er schrieb unter anderem das Skript zu „Reine Nervensache („Analyze That“) oder an „Gangs of New York“ mit. „Manchester by the Sea“ ist sein dritter Spielfilm als Regisseur und Drehbuchautor. Neben seinem Erstling „You Can Count On Me“ (Oscarnominierung für das Beste Originaldrehbuch) gilt auch „Margaret“ als ein großartiges Werk, welches durch einen jahrelangem Rechtsstreit leider wenig Beachtung fand. Lonergan wollte „Margaret“ auf eine viel längere Laufzeit bringen als das Studio es wollte und so kam es zu der jahrelangen Verzögerung der Veröffentlichung.

„Manchester by the Sea“ feierte seine Premiere im Januar 2016 beim Sundance Film Festival. Matt Damon hatte die Idee zu dem Film, konnte jedoch aus terminlichen Gründen nicht die Hauptrolle übernehmen und fungierte so nur noch als Produzent. Glück für Casey Affleck (Bruder von Ben Affleck), der zu Recht den Golden Globe 2017 als Bester Hauptdarsteller sowie den Oscar 2017 für seine Leistung erhalten hat. Er spielt seine Rolle unglaublich überzeugend. Neben ihm sind auch besonders die Rollen des Patrick (Lucas Hedges) und Randi (Michelle Williams) zu erwähnen. Leider ist Williams nur in wenigen Szenen vertreten. Wenn sie jedoch ihre Spielszenen hat, sind diese schauspielerisch einfach atemberaubend. Die Nominierung als Beste Nebendarstellerin 2017 beim Golden Globe Award bekräftigt dies. Neben den grandiosen darstellerischen Leistungen, zeichnet sich dieses Drama vor allem durch seinen unglaublich realistischen Blick aus. Der Film hat viele starke Szenen, die einen sehr mitnehmen. Auch bei einer Lauflänge von fast 2,5 Stunden bleibt die Spannung erhalten. Aufgelockert durch leichtem Humor, der sich überraschend gut in die Geschichte dieses traurigen Films einflechtet. Die FSK schrieb in der Begründung zur Freigabe ab 12 Jahren dazu sehr treffend „…auch wird die melancholische Grundstimmung immer wieder durch humorvolle Dialoge aufgelockert.“ Die traurig-schöne Musik stammt von einer kanadischen Komponistin namens Lesley Barber. Die Kameraarbeit übernahm Jody Lee Lipes, der schon bei einigen Dokumentarfilmen mitgewirkt hat, welches man auch bei diesem Film durch die Machart erkennen kann.

„Manchester by the Sea“ funktioniert erst im Ganzem. Das Puzzle setzt sich durch Rückblenden allmählich zusammen. Zwischendurch fragt man sich warum dieser Film so viele Nominierungen und Preise erhalten hat. Am Ende weiß man es! Das Gesamtwerk muss betrachtet werden und erst einmal in seiner Vollständigkeit auf einen wirken. Alles in diesem Film ist nicht perfekt gelungen, nicht jede Szene brillant. Man kann dem Film aufgesetzte dramatische Musik nachsagen oder Längen, die nicht hätten sein müssen. Aber dieses Drama ist auf einem sehr, sehr hohem Niveau erzählt, welches nicht viele Filme erreichen können. Allein deswegen lohnt es sich schon „Manchester by the Sea“ anzuschauen und selbst zu beurteilen.

5 von 7 Sternen
Alexander George

Titel: „Manchester by the Sea“
Herstellung: USA 2016
Länge: 138 min
Regie: Kenneth Lonergan
Darsteller: Casey Affleck, Lucas Hedges, Michelle Williams, Kyle Chandler, Gretchen Mol, Matthew Broderick
Drehbuch: Kenneth Lonergan
Musik: Lesley Barber
Kamera: Jody Lee Lipes
Schnitt: Jennifer Lame

The Accountant

Christian Wolff (Ben Affleck) leidet seit seiner Geburt an dem Asperger-Syndrom, einer leichten Form des Autismus. Hochbegabt, ein Mathe-Genie, aber in gewissen Situation wird die Umwelt für ihn sehr schwierig. Bei grellem Licht und lauten Geräuschen zum Beispiel. Und er rastet total aus wenn er eine Aufgabe nicht zu ende führen kann. Ein großes Puzzle löst er problemlos in kurzer Zeit.
Früh in seiner Kindheit verlässt seine Mutter ihre Familie. Es bleiben der Vater, ein Soldat der US-Armee, der in 17 Jahren in 34 verschiedenen Standorten Dienst tut, und sein Bruder Brax.

Jahre später ist Christian Steuerberater. In einer kleinen unscheinbaren Kanzlei hat er solche Klienten wie kleine Farmern, denen er beim Überleben in schwierigen Zeiten hilft.

Doch Christian Wolff lebt ein Doppelleben: wenn bei Mafia-Clans, Drogen-Kartellen oder anderen zwielichtigen Organisationen jenseits des Gesetzes plötzlich größere Beträge fehlen und jemand die Bücher prüfen muss, um die Ursache oder den Verursacher festzustellen, dann ruft man ihn. Weltweit. Niemand kennt seinen wirklichen Namen. Er agiert unter dem Pseudonym „The Accountant“. Und in der „Branche“ wird er gern weiter empfohlen. Kein Name, keine Adresse, keine Telefonnummer. Bei Nachfragen lautet stets die Antwort: „Ich rufe Sie an; ich finde Sie.“

Bezahlt wird zum Teil in bar und zum Teil in Wertgegenständen. Seine Wohnung ist spärlich eingerichtet. Ihm genügen genau ein Messer, eine Gabel und ein Löffel. Aber dann gibt es da noch den sehr großen Wohnwagen, der gut versteckt aber immer fahrbereit in einer alten Garage in der Nähe geparkt ist.

Als die US-Steuerfahndung in Persona von Ray King (J.K. Simmons), dem Chef-Ermittler, anfängt sich für den „Accountant“ zu interessieren, ist es eine Frage der Zeit bis man Wolff auf die Spur kommt.

Zunächst eine gute Story (von Bill Dubuque; schrieb auch das Drehbuch zu „The Judge“), die aber leider irgendwann sich in zu vielen Handlungssträngen und verwirrenden Rückblenden verliert. Nicht alles was geschieht ist dann noch für den Zuschauer schlüssig. Regisseur Gavin O’Connor gab sich alle Mühe einen spannenden und etwas anderen Thriller zu filmen. Jedoch scheint er selbst den Überblick verloren zu haben.
Und so manche Handlung oder Situation der Geschichte bleibt mit einem Fragezeichen behaftet.

Anna Kendrick ist und bleibt Anna Kendrick. Immer etwas hölzern. Stets noch sehr jung, zurückhaltend, scheu, klug und hübsch. Aber steif. Was in dieser Rolle sogar von Vorteil sein dürfte.

Kings Assistentin Meribeth Medina hätte einen deutlich größeren Raum einnehmen sollen. Mit ihr beginnt der Film und man hat den Eindruck man würde Zeuge ihrer Recherchen, um Wolff ausfindig zu machen. Aber warum ihn eigentlich finden?
Damit er seine Fähigkeiten in den Dienst der USA stellt?

Die Schießerei kurz vor Ende des Films hätte deutlich kürzer ausfallen dürfen. Aber die kriminellen Machenschaften des schwerreichen Firmenbesitzers, der über Leichen geht und den Aktienwert seines Unternehmens zu erhöhen, das hätte ausführlicher behandelt werden können.

Alles etwas verworren. Vielleicht muss man den Film ein zweites Mal anschauen, um vieles besser zu verstehen. Dennoch gute Unterhaltung mit Fragezeichen bis zum Schluss. Der geneigte Zuschauer sollte sich von Anfang an auf einen nicht chronologisch erzählten Film einstellen.

(Berühmte Vorgänger dieses „Genres“: „Die üblichen Verdächtigen“, „Memento“ und „Mulholland Drive“.)

Positiv: Sieben Sterne für die Musik von Mark Isham!

 

4 1/2 von 7 Sternen ★★★★ 1/2★

Rick Deckard

 

Titel: „The Accountant“
Herstellung: USA 2016
Länge: 2h 8min
Regie: Gavin O’Connor
Darsteller: Ben Affleck, Anna Kendrick, J.K. Simmons, John Lithgow, u.v.a.
Drehbuch: Bill Dubuque
Musik: Mark Isham
Kamera: Seamus McGarvey („Atonement“!!)
Schnitt: Richard Pearson