Nocturnal Animals

Susan Morrow (Amy Adams) arbeitet als selbständige Galeristin und beweist oft eine glückliche Hand was gute, interessante Kunst ausmacht und die zahlungsfähige Klientel beeindruckt. Verheiratet ist sie seit vielen Jahren mit Hutton Morrow (Armie Hammer), einem erfolgreichen Geschäftsmann, von dem sie annimmt er betrügt sie ab und an auf seinen Geschäftsreisen. Aber es lässt sie seltsam kalt.

Vor 20 Jahren war Susan nannte sie noch Edward Sheffield (Jake Gyllenhaal) ihren Mann, einem jungen träumerischen Studenten, der Schriftsteller werden wollte. Aber in der rationalen und nüchternen Susan fand er letztlich nur wenig Unterstützung. Nachdem Susan ihn mit Hutton betrogen hatte, ließen sich die beiden scheiden. Dann entdeckte Edward noch, dass Susan ihr gemeinsames Kind hatte abtreiben lassen, und beendete damit jeglichen Kontakt zu ihr.

Als Susan wieder einmal allein zuhause ist erhält sie ein Paket von Edward: das Manuskript eines Buches, das er verfasst hat. Der Titel: ‘Nocturnal Animals‘ (etwa ‘Nachtaktive Tiere‘) – so nannte Edward seine Frau Susan früher scherzhaft. Auf der beiliegenden Notiz hat Edward vermerkt: „Dies habe ich geschrieben. Bitte lies es und lass mich wissen, wie es dir gefällt.“ Vorn im Buch ist eine Widmung an Susan vermerkt.

Susan beginnt mit der Lektüre und ist bald darauf erschüttert über die schrecklichen Ereignissen in der Geschichte und die Brutalität, mit dem ein Familiendrama geschieht.

Susan ist vom Inhalt des Buches gleichzeitig abgestoßen und fasziniert. In ihrer Einsamkeit in dem großen schönen und kalten Haus nimmt sie Abend für Abend das Buch zur Hand und liest darin.

Und sie fragt sich: „Was will Jack mir damit sagen? Was will er eigentlich von mir, jetzt, nach 20 Jahren ohne Kontakt?“

Austin Wright ist der Autor des Buches ‘Tony & Susan‘, ein Professor für englische Sprache an der Universität von Cincinnati und Literatur-Kritiker. Er graduierte an der Harvard Universität in 1943, kämpfte von 43 bis 46 im II. Weltkrieg, und machte dann an der Universität von Chicago seinen Master und später (1959) seinen Doktor in Philosophie. Dies ist das einzige Buch, das Austin Wright je schrieb. Und die Verfilmung konnte er nicht mehr erleben: er starb bereits am 23. April 2003 im Alter von 80 Jahren.

Der Mode-Designer Tom Ford inszenierte seinen ersten Film in 2009 mit Colin Firth in der Hauptrolle „A Single Man“. Unverkennbar dieselbe Handschrift ist dem vorliegenden Werk zu entnehmen. Die Distanz, die Kühle, die strengen Formen. Alles an Susans Galerie und ihrem Haus ist State of the Art. Aber ohne eine gewisse Wärme oder Gemütlichkeit.

Die beiden Hauptdarsteller sind glänzend besetzt und man glaubt ihnen ihre Lebenssituation und ihre Charaktere. Sie haben einige wenige Szenen gemeinsam: Die Zeit, als sie für einige Jahre ein glückliches Paar waren.

Herausragend Michael Shannon als desillusionierter Sheriff, der unerbittlich die Verbrecher jagt und zur Strecke bringt. Nicht immer ist alles korrekt was er unternimmt, aber – wie er einmal sagen wird – hat er sowieso nichts mehr zu verlieren. Shannons große Leistung wurde mit einer Oscar-Nominierung belohnt.

Das zugrunde liegende Buch ist sehr intensiv, hart und bedrückend. Man benötigt gute Nerven, um es abends allein zuhause lesen zu können. An Susans Reaktion kann man feststellen, dass sie auch genau das beim Lesen empfindet. Allerdings schafft es Ford nicht, die schreckliche Gewalt und das furchtbare Ende dieser Familie in Bilder umzusetzen. Vielleicht wollte er das aber auch gar nicht. Aber so lässt auch den Zuschauer dieser Film fast völlig kalt. Das Buch wirkt verstörend und abscheulich. Der Film vermag diese Gefühle nicht zu wecken.

Am Ende dann empfindet man, insbesondere im Hinblick auf das was geschah und was nicht geschah, eine Traurigkeit. Aber auch eine Distanz und sogar Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Personen in diesem Film. Und das liegt sicher nicht an den Darstellern!

Mit dem Iren Seamus McGarvey konnte ein erfahrener Kameramann (Atonement, The Accountant) verpflichtet werden.

Die Musik des polnischen Komponisten Abel Korzeniowski (geboren in Krakau) ist stets gut gewählt und unterstreicht die einzelnen Passagen des Film hervorragend. Korzeniowski arbeitete bereits bei „A Single Man“ für Tom Ford.

Ein interessantes Werk eines noch unerfahrenen Regisseurs, durchaus sehenswert aber nicht überragend. Die Stärke liegt im Original-Buch, den drei Hauptdarstellern und der grandiosen Kameraführung.

4 von 7 Sternen ★★★★

Rick Deckard

Titel: „Nocturnal Animals“

Herstellung: USA 2016

Länge: 1h 56min

Regie: Tom Ford

Darsteller: Amy Adams, Jake Gyllenhaal, Michael Shannon, Laura Linney, u.v.a.

Drehbuch: Tom Ford, nach einem Roman von Austin Wright

Musik: Abel Korzeniowski

Kamera: Seamus McGarvey

Schnitt: Joan Sobel

Nominiert für einen Oscar, in der Kategorie Best Performance by an Actor in a Supporting Role“ – Michael Shannon.

PS Abel Korzeniowski: In 2004 he created a new score for Fritz Lang’s „Metropolis“. A monumental 147-minute composition for a 90-piece orchestra, 60 choir and 2 solovoices ambitiously re-interpreting the silent movie from 1927. (Quelle: IMDb.com)

Her

Der zurückhaltende, schüchterne Theodore Twobly (Joaquin Phoenix) lebt in der nahen Zukunft. Theodore ist Autor und erfolgreich im Beruf. Unter anderem schreibt er Briefe als Auftragsarbeiten, für Menschen denen dies schwer fällt. Dafür läuft es privat gerade nicht so gut. Er und seine Frau Catherine (Rooney Mara), die er schon aus der Schulzeit kennt, haben sich getrennt. Theodore vermisst sie sehr, kann sich mit der Situation kaum abfinden. Er ist verschlossen und tut sich schwer eine neue Beziehung einzugehen.

Da erfährt er von einem Computer-Programm, das mit ihm kommuniziert. Mit sanfter Stimme spricht „Samantha“ mit Theodore, der sich sehr bald an diese „Freundin“ gewöhnt und sich gar in sie verliebt. Mittels Mikrofon und Kamera erleben sie Dinge gemeinsam, machen Ausflüge, gehen Shopping, und haben letztlich sogar (körperlosen) Sex. Dabei weiß Samantha selbst genau, dass sie nur ein Computer-Programm ist, mit künstlicher Intelligenz. Theodore jedoch scheint dies völlig zu verdrängen.

Spike Jonze, der etwas andere Regisseur, der uns bereits mit „Being John Malkovich“ und „Adaptation“ begeistern konnte, hat es wiederum geschafft ein ganz besonderes, aber in der Zukunft durchaus realistisches, Thema filmisch elegant umzusetzen. Jonze schrieb auch das Script zum Film, und dafür erhielt er verdientermaßen den Oscar für das beste Original-Drehbuch. Mit Recht!

Getragen wird der Streifen von den hervorragenden Schauspielern Joaquin Phoenix, Amy Adams und Rooney Mara.

Gefilmt wurde mit Samantha Morton, die die Stimme für das Computer-Programm sprach. Nach Beendigung der Dreharbeiten entschied Spike Jonze, dass die Stimmlage nicht passte. So ging er erneut ins Casting. Am Ende verpflichtete er Scarlett Johansson, die dann den gesamten Streifen syn-chronisierte! Eine Nominierung als Beste Schauspielerin wurde ihr beim Golden Globe verwehrt, da sie im Film nicht zu sehen ist!

Luise Helm ist die deutsche Stimme von Samantha. Die 1983 in Berlin geborene Schauspielerin ist eine gesuchte Synchronsprecherin. Wundervoll, ganz einmalig. Bravo!

Sie ist die regelmäßige Stimme von Scarlett Johansson und Megan Fox. Zuletzt war sie zu hören in „Skyfall“, „Der Große Gatsby“ und in „American Sniper“.

Der Film spielt in Los Angeles; allerdings wurden die Stadt- und Metro-Szenen in Shanghai aufgenommen! Wenn man genau hinschaut, entdeckt man hier und da chinesische Schriftzeichen an den Gebäuden.

Der allerbeste Satz des Films von Amy (Amy Adams): „I think anybody who falls in love is a freak. It’s a crazy thing to do. It’s kind of like a form of socially acceptable insanity.“

Musik von Arcade Fire!

Ein wunderbarer Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Ein Highlight des Filmjahrs 2013, in dem eine Reihe von sehr guten Werken zu sehen waren.

Und noch eine Anekdote: Spike Jonze und seine Editors Jeff Buchanan und Eric Zumbrunnen hatten im ersten Schritt eine 150-minütige Fassung geschnitten. Aber Jonze war nicht 100%ig davon überzeugt. So rief er seinen Freund Steven Soderbergh an. Er möge den Film mit seiner Erfahrung und seinem ‚Instinkt‘ (O-Ton Jonze!) überarbeiten und neu schneiden. Soderbergh kam, holte die Fassung und war nach 24 Stunden mit einer neuen Fassung über exakt 90 Minuten zurück! Das war die Grundlage, aus der Jonze dann die endgültige Fassung über 126 Minuten fertigte.

Auszeichnung: Oscar an Spike Jonze für bestes Original-Drehbuch.

Nominiert für 4 weitere Oscars (Bester Film, Beste Filmmusik, Bester Song, Bestes Szenenbild).

 

5 1/2 von 7 Sternen ★★★★★ 1/2★

Rick Deckard
Titel: „Her“

Herstellung: USA 2013

Länge: 2h 6min

Regie: Spike Jonze

Darsteller: Joaquin Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, Chris Pratt, Scarlett Johansson, u.v.a.

Drehbuch: Spike Jonze

Musik: Arcade Fire

Kamera: Hoyte Van Hoytema (2014: „Interstellar“!!)

Schnitt: Jeff Buchanan und Eric Zumbrunnen

Arrival

Arrival_01Als zwölf Raumschiffe an unterschiedlichen Stellen auf der Erde landen, kommt schnell die Frage auf was die Außerirdischen auf der Erde wollen. Colonel Weber (Forest Whitaker) stellt ein Team zusammen, das eine Kommunikation mit den Aliens aufnehmen sollen. Dabei sind Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams) und der Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner). Das Unterfangen stellt sich jedoch als andauernder und schwieriger dar als es sich einige Generäle und Staatsoberhäupter vorgestellt haben.

Denis Villeneuve, bekannt durch „Sicario“ (siehe Bericht: http://sicario.filmsicht.net/) und „Prisoners“, hat einen exzellenten Science-Fiction-Film gemacht. Damit hat er sich eine gute Basis geschaffen, um die hohen Erwartungen an seinem nächsten Film, die Fortsetzung von „Blade Runner“ („Blade Runner 2049“), gerecht zu werden. „Arrival“ ist gutes und anspruchsvolles Kino. Der Film erzählt in ruhigen Bildern, lässt sich Zeit bei der Entwicklung der Geschichte. Die Musik von Jóhann Jóhannsson ist unheimlich, erschreckend, düster und brillant. Den ganzen Film durchdringt eine melancholische und emotionale Grundstimmung. Gerade durch die zurückgenommene Ausstattung und die schon erwähnte Musik wird dies erreicht. Amy Adams spielt mit gewohnter Überzeugung. Auch die Rollen von Jeremy Renner und Forest Whitaker sind hervorragend besetzt worden. Casting-Director, im übrigen ein sehr unterschätzter Beruf, war Francine Maisler. Sie war schon für die Besetzungen für „Nocturnal Animals“, „The Big Short“, „Knight of Cups“ oder „Ex Machina“ verantwortlich, um nur einige Filme für ihre ausgezeichnete Arbeit zu benennen.

Arrival_02Zusammen mit seinem Drehbuchautor Eric Heisserer und dem Team hat Denis Villeneuve tatsächlich eine voll funktionstüchtige visuelle Sprache („Logografie) der „Aliens“ entwickelt und in einer „Bibel“ zusammengefasst. Viele Teile davon finden im Film Verwendung. Die Geschichte basiert auf der Kurzerzählung „Story of Your Life“ von Ted Chiang aus dem Jahr 1998. Gedreht wurde in Montréal, Kanada.

Arrival_03„Arrival“ setzt filmische Mittel sparsam und klug ein. Nie ist etwas übertrieben oder zu viel. Der Film nutzt das Potenzial der Geschichte und macht daraus keinen irrationalen Blockbuster, sondern einen intelligenten, nachdenklichen und anspruchsvollen Film. Er beschäftigt sich inhaltlich mit philosophischen und politischen Fragen, und stellt keine überbordende Action in den Mittelpunkt. Das sind die wahren Filme, die auch Jahrzehnte später noch relevant sein werden. Neben „Interstellar“ könnte das einer der besten Science-Fiction-Filme der letzten Jahre sein.

6 von 7 Sternen

Alexander George

Titel: „Arrival“
Herstellung: USA 2016
Länge: 117 min
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg
Drehbuch: Eric Heisserer
Musik: Jóhann Jóhannsson
Kamera: Bradford Young
Schnitt: Joe Walker